Süddeutsche Zeitung

Sport in Corona-Zeiten:Eine Frage der Relevanz

Beim 6. Spitzensport-Summit in München diskutieren Vertreter aus Sport, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik über die Lehren der Pandemie - und kritisieren auch den Profifußball.

Von Sebastian Winter

Eigentlich hätte der 6. Spitzensport-Summit der Deutschen Olympischen Gesellschaft schon vor einem Jahr im Ehrengastbereich des Olympiastadions in München stattfinden sollen. Die Pandemie aber machte den Veranstaltern einen Strich durch die Rechnung, das Diskussionsforum musste verschoben werden. Das Thema aber blieb, auch weil es nichts von seiner Aktualität verloren hat: "Wie relevant ist der Sport für unsere Gesellschaft? Lehren aus der Pandemie und Konzepte für die Zukunft." Rund 100 Besucher hörten sich am Donnerstagabend die Debatte an - ihre Masken hatten die Gäste im vollbesetzten Saal wegen der 3-G-plus-Regel abgelegt.

Sideris Tasiadis, Olympiabronze-Gewinner von Tokio im Einer-Canadier, war als Stimme der Spitzensportler gekommen. ISPO-Group-Chefin Jeanette Friedrich vertrat die Wirtschaft, Kurt Damaschke als SVN-München-Präsident den Breitensport. Die Fußballperspektive nahm Manfred Schwabl, Präsident der SpVgg Unterhaching ein, die zuletzt selbst schwer gebeutelt war durch viele Corona-Infektionen bei Spielern - und er äußerte sich durchaus kritisch über seine Branche. Den weitaus schwersten Stand hatte allerdings der Münchner Grünen-Stadtrat Beppo Brem, der als Repräsentant der Politik an diesem Abend einiges einstecken musste. "Es gab in dieser sehr unsicheren Lage viel Kommunikationswirrwarr auf allen Ebenen", gab Brem selbst zu.

Sportvereine und Ehrenamtliche, die übers Wochenende die neuen Richtlinien umsetzen mussten; unklare Vorgaben, was nun als Kontaktsport zählt oder nicht; frustrierte Kinder, die nicht mehr auf den Bolzplatz durften: Die Probleme waren vielfältig. Damaschke berichtete, sein Klub habe während der Pandemie "1500 Mitglieder verloren, das sind rund 26 Prozent". Er übte vor allem an der Politik viel Kritik - und sparte nicht mit Ideen: "Es braucht eine offenere Kommunikation, unbürokratischere Projektförderung und weniger Angst davor, etwas falsch zu machen."

"Eine Lehre ist, dass wir viel mehr digitalisieren müssen, das haben die viel zu langen Entscheidungswege gezeigt", sagt Schöne

Brem konterte, dass die finanzielle Förderung der Stadt München für ihre Vereine vergleichsweise gut sei, merkte aber kritisch an, dass bei der Hilfe künftig mehr unterschieden werden müsse. Das Hauptproblem sei, "dass wir 600 Millionen Euro minus in der Stadtkasse haben". Die Innovationsfreude der Vereine inmitten der Pandemie fand Brem zugleich "total ermutigend". Auch die Gastgeberin und Olympiaparkchefin Marion Schöne schaltete sich in die Debatte ein: "Eine Lehre ist, dass wir viel mehr digitalisieren müssen, das haben die viel zu langen Entscheidungswege gezeigt."

Während der Sportler Tasiadis betonte, dass sich eine Situation nicht wiederholen dürfe, in der Kinder monatelang am Bildschirm trainiert würden, bekannte Schwabl, dass die Entscheidungen "extrem pro Profifußball" getroffen wurden. "Er hat sich dadurch noch mehr vom Breitenfußball entfernt. Wir müssen da wieder mehr zusammenrücken."

Alle Lehren sind noch nicht gezogen aus dieser Pandemie, die weiter andauert, die Konzepte noch nicht ausgereift. Klar wurde aber auch, dass der Sport als Gesellschaftskitt unerlässlich ist - und von der Politik inmitten der Krise zu wenig beachtet wurde. Beim Plausch nach der Debatte fasste es der zweimalige Schwimmweltmeister Christian Tröger, der im Publikum saß und südlich von München eine Schwimmschule besitzt, so zusammen: "Von der Politik wünsche ich mir mehr Differenzierung, Transparenz, erkennbare Lernfähigkeit und weniger Elfenbeinturm. Und vom Sport, die Kräfte zu bündeln, um seine Botschaften mit mehr Nachdruck an die Politik zu adressieren."

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