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Sport:E-Sport in der Corona-Krise: Wirklich der Gewinner?

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Berlin (dpa) - Es war ein weit verbreitetes Phänomen: Während der Profi-Sport coronabedingt pausieren musste, siedelten die Athleten ins Virtuelle über.

Statt Bundesliga im Stadion gab es die "Bundesliga Home Challenge" im Konsolenspiel "FIFA 20", statt Formel 1 auf dem Asphalt die Virtual Grand Prix' im Spiel "F1 2019". Ersatzunterhaltung für die Fans des klassischen Sports - die zudem mehr Aufmerksamkeit für den E-Sport brachte.

"Das Interesse an E-Sport ist in Zeiten der Corona-Pandemie deutlich gestiegen", sagt Felix Falk, Geschäftsführer des game - Verband der deutschen Games-Branche. "Zum einen haben sich aufgrund der verhängten Ausgangssperren die Teilnehmerzahlen von Online-Turnieren erhöht. Zum anderen sind auch die Zuschauerzahlen von E-Sport-Wettkämpfen im Livestream und TV gewachsen." Die Ersatz-Events des Sports hätten dabei ebenfalls eine Rolle gespielt.

Doch wie nachhaltig kann diese Entwicklung sein, wenn Bundesliga, Motorsport und Co. wieder laufen? "Einige der Zuschauer werden die digitalen Wettkämpfe sicherlich künftig auch ergänzend zu ihrem bisherigen Sport-Programm schauen", vermutet Falk. Wie viele das sein werden, ließe sich jetzt jedoch noch nicht sagen.

Doch Sportsimulationen spielen in der Branche ohnehin eine untergeordnete Rolle. Spiele wie "League of Legends", "Counter-Strike: Global Offensive" (CS:GO) oder "Dota 2" ziehen deutlich mehr Zuschauende an als "FIFA 20" oder "NBA 2K 20".

"Wenn ich mir die Zahlen von der ESL Pro League anschaue, dann haben wir in der Gruppenphase bereits den Rekord der vergangenen Saison geknackt", sagt Christopher Flato, Pressesprecher des weltweit größten E-Sport-Turnierveranstalters ESL. Die Pro League ist die höchste Spielklasse des Veranstalters im Taktik-Shooter CS:GO. "Wenn es allein um die Aufmerksamkeit geht, dann hat E-Sport tatsächlich gerade einen guten Lauf in dieser Zeit - auch, weil andere Unterhaltungsformate im Moment nicht stattfinden."

Und nicht nur der Profi-E-Sport wächst: Für Viele waren Computer- und Videospiele eine willkommene Ablenkung von der Corona-Krise. Im April erreichte etwa CS:GO der Seite "steamcharts.com" zufolge ihren bisherigen Höhepunkt mit 1,3 Millionen Spielenden gleichzeitig. Und auch, wenn die Zahlen mittlerweile wieder gesunken sind: Noch immer spielen mehr Leute Counter-Strike als vor der Krise.

Den Interessenanstieg merkte auch die ESL. "Auf der Amateurplattform "ESL Play" haben wir weltweit erhöhte Zugriffszahlen", sagt Flato. "Es gibt einen deutlichen Anstieg an Leuten, die selbst spielen."

Doch trotz der gestiegenen Aufmerksamkeit muss auch der E-Sport wegen Corona hart kämpfen. Eins der wichtigsten Events der ESL jedes Jahr ist etwa die ESL One Cologne: eine riesige Veranstaltung in der ausverkauften Kölner Lanxess-Arena mit 15 000 jubelnden Fans. Dieses und unzählige weitere Turniere gingen und gehen in den Online-Modus über. Die Spieler treten von zu Hause an, die Produktion für die Streams geschieht im Homeoffice.

Und damit müssen die Veranstalter trotz größerer Aufmerksamkeit auf Umsatz verzichten, darunter Ticket- und Merchandise-Verkäufe. Zwar ist Sponsoring dem Marktforschungsinstitut Newzoo zufolge die wichtigste Einnahmequelle. Doch auch hier gibt es Probleme: "Viele Unternehmen reduzieren aufgrund der Corona-Pandemie ihre Marketing- und Sponsoring-Ausgaben, was auch den E-Sport trifft", sagt Falk. Wie viel Geld genau verloren geht, kann ESL-Pressesprecher Flato nicht beziffern.

Newzoo korrigierte unlängst seine Prognosen für die E-Sport-Branche im laufenden Jahr deutlich nach unten und führte dafür die Pandemie als Hauptgrund an. Die Zahl von 1 Milliarde US-Dollar Umsatz weltweit soll nun erst im kommenden Jahr geknackt werden, statt wie ursprünglich prognostiziert im Jahr 2020.

Das Ersatzprodukt für die ESL One Cologne gibt es nun statt Anfang Juli erst Ende August - ohne Publikum. Ob die Spieler vor Ort sein können, ist unklar. "E-Sport ist besonders international aufgestellt und damit stark von den Reiseeinschränkungen durch die Corona-Krise betroffen", sagt Felix Falk.

Für weitere Events in Deutschland mit großem Publikum sieht er in diesem Jahr kaum Chancen. "Selbst wenn entsprechende Bestimmungen aufgehoben werden, lassen auch viele Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund der weiter bestehenden gesundheitlichen Gefährdung nicht reisen", sagt Falk. "Alles in allem sind es für die E-Sport-Branche also herausfordernde Zeiten."

© dpa-infocom, dpa:200713-99-779259/4

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