Sport:Darts-WM: "Was ist denn das für ein Schwachsinn?"

Darts-WM Zuschauer

"Onehundredeighty!" Wenn ein Dart-Spieler die maximale Punktzahl mit drei Pfeilen trifft, kommt Stimmung auf.

(Foto: dpa)

Langweilig? Oder doch sehr spannend? Je länger man beim Darts zusieht, desto wahrscheinlicher wird der Faszinierte zum Fan. Und dann zum Fachmann.

Von David Pfeifer

Sport kann eigentlich nicht langweilig werden, echte Fans wissen das. Er wird, ganz im Gegenteil, immer spannender, je mehr man sich mit einer Sportart beschäftigt. Wer aus unerklärlichen Gründen für den HSV brennt, wird emotional schon außer sich sein, wenn Lasogga zum Einwurf trottet. Wer eine Leidenschaft für Boxen hegt, wird auch dem 51-jährigen Bernard Hopkins noch gerührt dabei zusehen, wie er eine Zeitlupenvariante seiner einstigen Leistungsfähigkeit vorführt. Und wer sich ganz generell für Begeisterung begeistern kann, der wird für eine der kuriosesten Sportarten glühen, die es je auf den Bildschirm geschafft haben: für Darts.

Bei der Darts-WM, die derzeit in London ausgetragen wird, kommt viel von dem zusammen, was die Magie von Sportübertragungen ausmacht. Denn es spricht erst mal nichts dafür, sich für Miniaturpfeile werfende Männer zu begeistern - trotzdem werden die Wettbewerbe immer fleißiger angesehen.

Diese bizarre Spannung kennt man sonst nur vom Curling

Darts gehört zu den, nun ja, Nicht-Sportarten, ähnlich wie Schach oder die Formel 1. Athletische Leistung ist nicht in erster Linie gefragt, Gewichte hebt der Aktive, um leidensfähig zu sein, wenn es darauf ankommt. Ein Rennfahrer braucht Fitness, um die Fliehkräfte im Auto zu ertragen. Ein Schachspieler, um sich länger zu konzentrieren. Der Darts-Spieler hingegen: trainiert erst mal im Pub. Was man den meisten Teilnehmern deutlich ansieht, vor allem in der Körpermitte. Und so fällt die immer hilfreiche Identifikation der TV-Zuschauer mit den Stars der Branche auch besonders leicht, weil auf beiden Seiten der Kameras dieselben Phänotypen zu finden sind.

Dann entsteht beim Darts diese bizarre Spannung, die man sonst nur von Curling-Wettbewerben kennt, an denen man zu lange hängen geblieben ist. Je länger man zusieht, um so klarer wird einem, dass dieses Pfeilewerfen halt doch mehr ist als ein Kneipenvergnügen. Mit jeder Minute wird deutlicher, was für eine irrwitzige Präzision nötig ist, um fortwährend einen klitzekleinen Pfeil über knapp 2,40 Meter Distanz in ein Feld zu befördern, das gerade einmal acht Millimeter hoch ist. Manchmal auch drei Pfeile nebeneinander, was das enthemmte und zum Großteil verkleidete Publikum in der Halle dann mit einem euphorischen "Onehundredeighty!"-Chorus begleitet. 180 ist die maximale Punktzahl, die ein Spieler mit drei Würfen erzielen kann.

Dies ist die erste Regel, die man lernt, es folgt eine Menge weiterer Feinheiten, der Faszinierte wird zum Fan und schließlich zum Fachmann. Ab diesem Zeitpunkt ist man verloren und auch taub für Eingaben von Lebenspartnern wie: "Was ist denn das für ein Schwachsinn?"

In der Sinnlosigkeit des Unternehmens spiegelt sich die Sinnlosigkeit allen Tuns, und so passt es ganz gut, dass die Darts-WM auf einem Spartensender übertragen wird, auf dem früher Wettbewerbe wie der "Strong Men Contest" zu sehen waren, bei denen Männer große Baumstämme einige Meter weit wuchten mussten. Die Sportübertragung wird hier reduziert auf ihr schönstes Ziel: der fliehenden Zeit einen kurzen Moment abzutrotzen, der bleibt. Vielleicht sogar über die Existenz des Athleten hinaus.

In diesem Jahr hat es ein Deutscher, Max Hopp, in die zweite Runde geschafft, wovon sich der deutsche Verband einen Popularitätsschub erhofft. Allerdings wirkt dieser Hopp deutlich fitter und schlanker als die alten Hasen, die teilweise mit 50 Jahren noch um WM-Titel werfen. Hopp könnte der Bote einer neuen Generation sein, die sich doch tatsächlich fit hält, um Leistung bringen zu können. So wie Tiger Woods damals einen neuen Typus von Golfern eingeleitet hat. Es wäre fast ein bisschen schade um Darts. Aber natürlich ganz und gar nicht langweilig.

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