Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Wie der Weltsport mit Corona umgeht

Tennisprofi Nadal positiv, Schwimmer in Quarantäne, die NBA spielt weiter: Bei unterschiedlichen Sportveranstaltungen zeigt sich, wie schwer es ist, Sicherheit zu garantieren. Ein Überblick.

Von Gerald Kleffmann und Sebastian Winter

Einmal am falschen Ort

Am Flughafen. Dort soll es passiert sein, am Abu Dhabi Airport. Dort habe sich Rafael Nadal mit dem Coronavirus infiziert. So berichtete es nun Craig Tiley, und er muss es wissen. Niemand im Tennis kommuniziert gerade mit mehr Profis als der Turnierdirektor der Australian Open. Am 17. Januar startet in Melbourne das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres 2022, und Tiley versucht natürlich, so viele Spitzenakteure wie möglich zu seiner Veranstaltung zu lotsen. Und zwar gesund. Am 28. Dezember soll die erste Kolonne an Spielern, Spielerinnen, Trainern und Betreuern nach Australien aufbrechen, um an diversen Turnieren zuvor im Land teilzunehmen, doch schon jetzt ist klar, dass einige, die fliegen wollten, später anreisen. Wenn überhaupt.

Am vergangenen Wochenende fand in Abu Dhabi ein Einladungsturnier statt, nun zeigte sich: Es war ein kleines Superspreader-Event. Coronapositiv meldeten sich danach: der 20-malige Grand-Slam-Sieger Nadal, sein Trainer Carlos Moyá, Olympiasiegerin Belinda Bencic aus der Schweiz, die Aufsteigerin Ons Jabeur aus Tunesien. US-Open-Gewinnerin Emma Raducanu hatte sich kurz vor dem Turnier covidgeplagt abgemeldet. Sie alle waren geimpft. Bezüglich seines Grand Slams versucht Tiley zu beruhigen: "Jeder, der hierherkommt, ist geimpft", sagte er, aber auch: "Ein kleiner Prozentsatz - ein sehr kleiner - hat eine medizinische Ausnahmegenehmigung." Spekuliert wird, dass etwa der Impfskeptiker Novak Djokovic, neunmaliger Sieger im Melbourne Park, von dieser Gebrauch machen könnte. Profikollege Félix Auger-Aliassime aus Kanada hat nun bei tennisuptodate.com allgemein klargemacht, was er von Extrabehandlungen hält: Es wäre "heuchlerisch", sollten Spieler ungeimpft zu Turnieren fahren, bei denen Fans geimpft sein müssen.

Zahlreiche positive Tests

Gold und Weltrekord für Florian Wellbrock über 1500 Meter, dazu Christian Dieners Bronze über 200 Meter Rücken: Der Abschluss-Dienstag der Kurzbahn-Weltmeisterschaft in Abu Dhabi war für den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) ein voller Erfolg. Der am Abend dann aber überschattet wurde - von Nachrichten über eine hohe Zahl an Corona-Infektionen bei den Titelkämpfen. Das Emirat scheint sich - siehe Tennis - zum Corona-Hotspot entwickelt zu haben. Am Dienstagabend bestätigte der Weltverband Fina einen Bericht des Blogs State of Swimming, demzufolge annähernd 40 Schwimmerinnen und Schwimmer bei der WM positive PCR-Tests erhalten haben oder als Kontaktpersonen gelten.

Die direkt von Covid betroffenen Athletinnen und Athleten wurden in Selbstisolation in ihre Hotelzimmer geschickt - wo sie nun auch die Weihnachtstage verbringen müssen. Betroffen sind unter anderem die Engländer Max Litchfield und Tom Dean, außerdem die US-Amerikanerin Lydia Jacoby, die bei den Olympischen Spielen in Tokio die Goldmedaille über 100 Meter Brust gewann. Während Jacoby und Doppelolympiasieger Dean als Kontaktpersonen nach mehreren negativen Tests wieder in ihre Heimat zurückfliegen können, wie sie auf ihren Instagram-Kanälen berichteten, ist Litchfield zu zehn Tagen im Hotelzimmer verdammt. Nach Angaben der Fina hatte es schon einen Tag vor Beginn der WM sieben positive Corona-Tests gegeben. Die DSV-Delegation ist offenbar nicht betroffen, jedenfalls sagte ein Sprecher am Mittwoch der SZ: "Uns sind keine Fälle bekannt. Es gab in Abu Dhabi keinen Positivtest, und es musste auch niemand aus unserer Delegation in Quarantäne."

Eine Liga stoppt

In der bedeutsamsten Eishockey-Liga der Welt, der nordamerikanischen NHL, löst das Coronavirus seit Wochen massive Turbulenzen aus. Nun kam es zu einem kompletten Stopp des Wettspielbetriebs. An diesem Donnerstag wurden aufgrund zu vieler Positivfälle weitere fünf Partien abgesagt, überdies verhängte die Liga für alle 32 Mannschaften eine Trainingspause bis 25. Dezember. Erst am zweiten Weihnachtsfeiertag dürfen die Profis auf ihrem Klubgelände wieder aufs Eis. Bislang summiert sich die Zahl der Spielausfälle auf 50. Allein diese Partien nachzuholen, setzt die Liga terminlich schon jetzt unter Druck. Die Covid-Situation wird als derart bedrohlich eingestuft, dass die NHL und die Spielergewerkschaft nun auch von einem vor der Saison im Tarifvertrag ausgehandelten Sonderrecht Gebrauch macht: Aus Sicherheitsgründen werden keine Profis für die Olympischen Winterspiele in Peking abgestellt. Von dieser Maßnahme ist auch das deutsche Team betroffen, denn in den USA und Kanada spielen Leon Draisaitl (Edmonton Oilers), Philipp Grubauer (Seattle Kraken), Moritz Seider (Detroit Red Wings) und Tim Stützle (Ottawa Senators) sowie Nico Sturm (Minnesota Wild).

Weiter, weiter

Einen anderen Kurs fährt die NBA, die nordamerikanische Basketball-Liga. Commissioner Adam Silver plant keine Unterbrechung der Saison. Seine Devise lautet: "Das Virus wird nicht ausgerottet, und wir müssen lernen, damit zu leben." In einem Interview mit dem Sender ESPN befand der oberste Funktionär, es sei "richtig und verantwortungsvoll weiterzuspielen". Eine erstaunlich selbstsichere Beurteilung, angesichts der Tatsache, dass allein im Dezember bis zu hundert Spieler dem sogenannten Gesundheits- und Sicherheitsprotokoll der Liga unterlagen. Dieses Prozedere schützt die Profis auch vor Offenlegung ihres Gesundheitszustandes. Selbst reine Verdachtsfälle unterliegen diesem Verfahren. Silver will den Betrieb unter allen Umständen aufrechterhalten.

Allein fünf NBA-Partien finden am 25. Dezember statt - Prime Time im Fernsehen bedeutet dieses Datum. Nur am 24. Dezember ist spielfrei. Wie ESPN berichtete, wurde abermals das Protokoll verschärft. Beteiligte, die bei Spielen auf der Bank sitzen, müssen Masken tragen. Die Zahl der Tests wird erhöht. Zudem soll es den Teams leichter gemacht werden, Ersatzspieler bereitzustellen - damit natürlich keine Spiele ausfallen müssen. Bislang sind neun Partien abgesagt worden. Meldungen wie jene vom Dienstag sind deshalb derzeit die Norm: Die Dallas Mavericks gewannen ihr zweites Heimspiel gegen die Minnesota Timberwolves 114:102 - so weit der Sport. Es fehlte der Deutsche Maximilian Kleber, der neben vier weiteren Mavericks-Profis auf der Gesundheitsliste stand - so viel zu Corona. Und weiter geht's.

Alleingelassen

Beim Fußball in der englischen Premier League stauen sich die Probleme. Seit Montag ist bekannt, dass ein Viertel aller Profis der 20 Klubs als nicht geimpft gilt. Die Liga-Verantwortlichen zerbrechen sich daher auch die Köpfe, welche Auflagen die ungeimpften Spieler zu befolgen haben. Alle miteinander zu vereinen, das wird immer schwieriger. Die viel zu niedrige Impfquote wirkt sich bereits massiv auf den Betrieb aus: Vergangene Woche fielen zehn Partien aus, die Vereine meldeten mehr als 90 positiv getestete Profis und Angestellte; gleichzeitig wird versucht, das besonders über die Feiertage stramme Programm durchzuziehen. In diesem Spagat befindet sich die berühmte Fußballliga. Dass sich mancher Profi alleingelassen fühlt, machte Jordan Henderson klar. "Ich fürchte, dass niemand sich wirklich um das Wohlergehen der Spieler schert", sagte der Kapitän des FC Liverpool. Sein Team muss allein in den kommenden zwei Wochen wettbewerbsübergreifend fünf Mal antreten.

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