Sponsoren im Fall Hoeneß:Königsmörder gesucht

Uli Hoeneß FC Bayern

Seit 1979 in der Administration des FC Bayern tätig: Uli Hoeneß

(Foto: dpa)

"Um Gottes willen", raunen sie im Hintergrund. Dass der Bayern-Präsident dem Fiskus möglicherweise 27 Millionen Euro vorenthalten haben soll, sei unvorstellbar. Die neuen Zahlen sorgen für Unruhe in den Konzernen. Aber der FC Bayern und seine Großsponsoren haben Hemmungen, sich von Hoeneß loszusagen.

Von Klaus Ott

Der FC Bayern München ist derzeit der sowohl sportlich als auch wirtschaftlich erfolgreichste Fußballklub der Welt - aber die Zocker-Geschäfte des Präsidenten Uli Hoeneß und deren Folgen lasten schwer auf dem Verein. Selbst langjährige Vereinsfunktionäre sind fassungs- und ratlos.

"Um Gottes willen", sagt einer, der bei den Bayern viel bewirkt hat. Dass der Klubchef, wie er selbst zugab, dem Fiskus 18,5 Millionen Euro vorenthalten habe, sei unvorstellbar. "Ach du meine Güte." Das hört sich ganz anders an als die offiziellen Botschaften des FC Bayern: Ruhe bewahren, sich auf die Spiele konzentrieren, das Urteil im Hoeneß-Prozess abwarten. Es ist wohl nur die Ruhe vor dem Sturm. Die Behörden schätzen die Steuerschuld nun sogar auf mehr als 27 Millionen Euro.

Die Chance für den Klubchef, ohne Gefängnisstrafe davonzukommen, wird immer geringer. Hoeneß ist als Präsident des Vereins und als Aufsichtsratschef der FC Bayern München AG schwer angeschlagen. Wie soll einer, der so viel Steuern hinterzogen hat, den ruhmreichen FCB noch länger überzeugend repräsentieren?

Man habe ja auch eine "gesellschaftliche Verantwortung", sagt der ratlose Ex-Funktionär, der nur eines weiß: Es werde schwerfallen, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Einen, der den FC Bayern so verkörpert, wie Hoeneß das jahrzehntelang getan hat, und der die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Großklubs garantiert.

Drei Miteigentümer hat der Verein mittlerweile in seiner FC Bayern AG, in der das Fußballgeschäft läuft: Adidas, Audi und die Allianz. Die drei Konzerne verfügen zwar über nicht einmal ein Drittel der Aktien. Aber im Aufsichtsrat sind aktive und ehemalige Vorstandschefs von Audi und VW, Adidas und Deutscher Telekom sowie der Hypo-Vereinsbank (HVB) inzwischen in der Mehrheit.

Schwachstelle im Klub

Die Großsponsoren, die viel Geld in den FC Bayern stecken, wollen mitreden. Bislang haben die Konzerne zu Hoeneß gehalten, es ging ja "nur" um 3,5 Millionen Euro hinterzogene Steuern. Die neuen Zahlen sorgen für Unruhe in den Konzernen. Das sei nun "sehr schwierig", sagt ein Manager. Ein anderer redet von "Stilfragen", die es zu beachten gelte. Was wohl heißt, Hoeneß solle zurücktreten.

Die Konzerne sind ebenso in der Zwickmühle wie der FC Bayern. Die Telekom verlangt von ihren Beschäftigten, Integrität und Wertschätzung zu leben. Fehlverhalten könne nicht toleriert werden, steht in den Firmen-Richtlinien. Bei Adidas, VW und anderswo klingt das ähnlich. Wie aber wollen die Vorstandschefs Herbert Hainer (Adidas), Martin Winterkorn (VW), Rupert Stadler (Audi) und Timotheus Höttges (Telekom) in ihren Unternehmen ethische Werte vermitteln, wenn sie als Aufsichtsräte des FC Bayern an der Spitze des Kontrollgremiums jemanden dulden, der den Fiskus so schwer hintergangen hat?

Uli Hoeneß absetzen - das geht aber nicht so einfach. Das würde den Eindruck erwecken, die Konzerne bestimmten nun die Politik bei Deutschlands größtem Sportklub mit rund 500.000 Mitgliedern im Verein und in den Fan-Organisationen.

Auf deren Befindlichkeiten gilt es, Rücksicht zu nehmen. Warum sonst äußert sich einer wie der Audi-Boss Stadler so ausweichend? Der Steuerprozess beleuchte einen "komplexen Sachverhalt" und bedürfe einer "letztinstanzlichen Entscheidung", sagt Stadler. 90 Prozent der Mitglieder und 92 Prozent der Fans wollten Hoeneß behalten, hat Bayerns früherer Ministerpräsident Edmund Stoiber am Sonntagabend bei Günther Jauch in der ARD gesagt.

Stoiber bestimmt als Aufsichtsrat bei der FC Bayern AG und als Verwaltungsbeiratschef des FC Bayern e.V. die Geschicke des Klubs mit. Hoeneß sei "unverzichtbar" für den FCB, sagte Stoiber vor Prozessbeginn. Da hat er bestimmt noch nicht die 18,5 Millionen Euro gekannt, mit denen Hoeneß am ersten Prozesstag offenbar alle überraschte: Aufsichtsräte, Klubfunktionäre und selbst alte Bekannte. Nun sind es schon mehr als 27 Millionen Euro. Stoiber mag jetzt, solange der Prozess noch läuft, gar nichts mehr sagen.

Uli Hoeneß wolle am liebsten lange Präsident bleiben, er habe keinen Nachfolger aufgebaut, und das sei die Schwachstelle im Klub, wird intern eingeräumt. Man brauche aber einen starken Präsidenten, der die Interessen des Vereins in der Fußball-AG wahre, damit der Einfluss der Konzerne dort nicht zu groß werde.

Wer das künftig sein soll? Keine Ahnung, sagt ein altgedienter Funktionär. Da hat der FC Bayern ausnahmsweise mal ein Problem. Ein ziemlich großes sogar.

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