Spitzensport:Mettbrötchen statt Blattgoldsteak

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Eine Studie zeigt, wie viel die deutschen Spitzensportler verdienen - im Schnitt bleiben sie unter dem Mindestlohn. In den letzten Jahren habe sich die Lebenssituation der Sportler sogar noch verschlechtert.

Von Anne Armbrecht, Berlin

Die beste Anekdote erzählte der frühere Badmintonspieler Marc Zwiebler: Das vergoldete Steak von FC Bayern-Profi Franck Ribéry hatte in seinem Umfeld für Diskussionen gesorgt - ein Bekannter habe daraufhin ein Foto von einem Mettbrötchen in Alufolie gepostet. Er wolle keine Neiddebatte lostreten, sagte Zwiebler. Nur: "Das hat mit der Realität von 99 Prozent der Olympiasportler nichts zu tun."

Deren Lebenswirklichkeit sieht anders aus. Wie, das zeigt eine aktuelle Studie der Deutschen Sporthochschule Köln, die von der Sporthilfe in Auftrag gegeben wurde. Die Studie wurde am Donnerstag in Berlin vorgestellt. Demnach verbrachten Spitzensportler im Schnitt 56 Stunden pro Woche mit ihrem Sport (32 Stunden) sowie mit Beruf, Ausbildung und Lernen (24). Im Durchschnitt stünden ihnen dabei 1560 Euro Brutto-Einkommen im Monat zur Verfügung. Das entspricht einem Stundenlohn von 7,41 Euro. Das Mindestlohnniveau in Deutschland liegt bei 9,19 Euro.

"Ich finde mich da im Durchschnitt ganz gut wieder", sagt Zwiebler. Er hat seine Karriere vor einem Jahr beendet, die Studie begleitete er zehn Jahre. An drei Olympischen Spielen nahm er teil. "Ich habe jährlich angekreuzt, dass ich über das Karriereende nachgedacht habe - aus beruflichen Gründen." Der Aufwand für den Spitzensport werde unterschätzt, die Erträge dagegen überschätzt: "Das ist in der Gesellschaft noch nicht angekommen."

Die Forscher hatten 1079 Athleten zu ihrer Lebenssituation befragt. Eine vergleichbare Studie hatte die Sporthilfe bereits 2009 präsentiert. Das Einkommen hat sich seitdem nur geringfügig verändert. Auch der Zeitaufwand blieb ähnlich hoch. Christoph Breuer vom Forschungsteam gab an, dass sich die finanzielle Situation der Sportler sogar verschärft habe. Die Kosten seien bei etwa gleichen Einnahmen gestiegen. Die Hälfte der Athleten habe über ein frühes Karriereende nachgedacht. Hauptgrund dafür sei nicht Misserfolg, sondern die Konzentration auf Ausbildung und Job.

"Die Bevölkerung denkt, dass es Spitzensportlern gut geht. Das stimmt nicht annähernd mit der Lebensrealität überein. Finanziell lohnt sich Spitzensport nur, wenn Sie eine Olympische Goldmedaille gewinnen", weiß Breuer. Der Aufwand ist hoch, die Erfolgswahrscheinlichkeit gering. Dies erhöhe das Risiko vorzeitiger Karriere-Abbrüche - und verringere die Erfolgswahrscheinlichkeit Deutschlands bei Veranstaltungen wie Olympia.

Sporthilfe-Chef Michael Ilgner forderte eine intensivere Diskussion über die Förderung: "Wenn wir das nicht machen, werden wir international nicht wettbewerbsfähig bleiben." Dies sei aber nicht nur eine ökonomische Frage, sondern auch eine Frage des Respekts, betonte Ilgner: "Es kann nicht sein, dass Athleten ihren Sport am Rande des Existenzminimums betreiben." Kommende Woche werde es deshalb eine Diskussion mit Parlamentariern geben, um die Förderung auszubauen.

Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses, stimmt die Studie nachdenklich, speziell das Thema Alterssicherung. Laut der Studie liegt der Vermögensverzicht für Athleten zwischen 18 und 30 Jahren mindestens bei 58 000 Euro, eher bei 80 000 Euro, wie Breuer betonte. "Das ist der nächste Schritt, den wir zügig angehen sollten", forderte Freitag. Die Sporthilfe fördert etwa 2000 Athleten, bei Olympia 2018 waren 97 Prozent der deutschen Sportler sporthilfegefördert.

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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