Süddeutsche Zeitung

Spielvereinigung Greuther Fürth:Soforthilfe aus Hamburg

Nach dem krachenden Fehlstart in der Bundesliga versucht die Spielvereinigung, am Transfermarkt nachzubessern. In Jeremy Dudziak vom HSV kommt nun die erste Neuverpflichtung.

Von Thomas Gröbner und Thomas Hürner

33 Warnschüsse der Stuttgarter zählten die Statistiker bei der Bundesliga-Rückkehr der Fürther, immerhin fünf davon trafen ins Tor der Spielvereinigung. "Nur fünf", muss es heißen, denn der VfB überrollte die Franken, und Trainer Stefan Leitl sah sich am Samstag nach der 1:5-Klatsche genötigt zu versichern, dass seine Fürther ihren Startplatz nicht bei der Kirchweih an der Losbude gewonnen haben, sondern dass sie "verdient in der Bundesliga" sind.

Der erste Auftritt auf Bundesliga-Rasen hatte offensichtlich gemacht, dass der Kader für den mindestens noch 33 Spieltage andauernden Abstiegskampf wohl nicht robust genug aufgestellt ist: Es fehlt sowohl Konkurrenz für Linksverteidiger Luca Itter als auch erfahrenes Personal in der Abwehr, wo Maximilian Bauer in seinem ersten Bundesligaspiel und der vom HSV gekommene Gideon Jung die letzte Reihe in einer überfordert wirkenden Fürther Elf bildeten. Auch im Mittelfeld und im Angriff gibt es Vakanzen, die Manager Rachid Azzouzi nun am Transfermarkt schließen soll.

Und es drängt: Zuletzt sagte Trainer Leitl der Bild-Zeitung: "Wir haben keine Zeit mehr, jemanden mit Fantasie zu holen."

Dabei war ja beim Kleeblatt immer ein Teil der Marschroute, den sie bei der Spielvereinigung auch den "Fürther Weg" nennen: Spieler zu holen, in denen sie Potential sehen, das verschüttet liegt, meist ohne Ablöse zu bezahlen. Die erfolgreiche Kaderplanung von Manager Rachid Azzouzi war stets aufgebaut auf Projektionen und eben: Fantasie.

Die erste Antwort auf den missratenen Einstand gab Fürth am Montag, und sie heißt: Jeremy Dudziak. Tatsächlich braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Verpflichtung des Hamburgers der Leitl-Elf gut zu Gesicht stehen wird.

HSV-Legende Horst Hrubesch schickte eine deutliche Botschaft an Dudziak

Dudziak, 25, war einer der besten Individualisten im Kader des Hamburger SV, dem es ja an individueller Qualität zuletzt eher nicht gemangelt hat. Wohl aber an anderen Attributen, die in der Saisonanalyse des HSV als maßgeblich für den kontinuierlichen Misserfolg ausgemacht wurden: Auch bei Dudziak wurden bisweilen Disziplin und Arbeitsethos vermisst, die jeweils unabdingbar sind in ruppigen Zweitligapartien.

Unter den Hamburger Fans war der Offensivmann deshalb nicht sonderlich beliebt, nicht viel besser wurde es, als HSV-Legende und Interimstrainer Horst Hrubesch eine eindeutige Botschaft entsandte. "Ich bin eigentlich jemand, der für seine Spieler alles macht, und erwarte, dass man auch zurückzahlt", hatte er nach einer peinlichen Niederlage in Osnabrück gesagt, die ein weiteres Jahr in der Zweitklassigkeit besiegelte. Einige Spieler müssten hinterfragen, so Hrubesch weiter: "Ist das wirklich alles, was ich hier einbringe?" Es war ein offenes Geheimnis, dass sich die Kritik vor allem an Dudziak richtete. Am letzten Spieltag fehlte er im Hamburger Kader, "weil er sich an einfache teaminterne Regeln nicht gehalten hat", wie der Klub damals mitteilte.

Für kolportierte 750 000 Euro kommt nun eine Art Nothelfer, der auch deshalb für Fürth erschwinglich ist, weil er sich manche Eskapade leistet. Dass sie es hier verstehen, Spieler mit komplizierter Vergangenheit einzubinden, haben Azzouzi und Leitl in der Vergangenheit bewiesen. Dass es sich auch im Fall Dudziak, der einen Vertrag bis 2024 unterschrieben hat, lohnen könnte, gilt als unbestritten.

Hrubesch beschrieb Dudziak als "begnadeten Fußballer", und dessen Repertoire an Fertigkeiten lässt wahrlich keinen anderen Schluss zu. Dudziak hat in seiner Jugend viel Futsal gespielt, dadurch habe er gelernt, "schnell kreative Entscheidungen" zu treffen, erzählte er einmal. Der Linksfuß kann in der Offensive nahezu alle Positionen bekleiden, am liebsten spielt er im Zentrum. Von dort aus kann er seine Geschwindigkeit, Ballbehandlung und Übersicht einbringen, Dudziak ist eher Raumschaffer als Vollender. In der vergangenen Saison hat er, trotz einiger Verletzungspausen, acht Treffer vorbereitet - ein Spitzenwert für einen Mittelfeldmann in der zweiten Liga.

Am früheren deutschen Jugendnationalspieler Dudziak soll vor einem Jahr auch der VfL Wolfsburg Interesse gehabt haben, in dieser Saison immerhin Champions-League-Teilnehmer. Trotzdem verzichten sie in Hamburg bewusst auf den Einzelkönner, der am Wochenende im Derby gegen seinen Ex-Klub St. Pauli nicht im Kader stand und dessen Vertrag 2022 ausgelaufen wäre: Harte Arbeit schlägt Talent meistens eben doch.

Bis Ende August hat Rachid Azzouzi noch Zeit, um den Kader mit Verstärkungen bundesligatauglich zu tunen. Bis sich daraus ein eingespieltes Gerüst bildet, könnte es noch länger dauern. Deshalb bereitete Leitl seine Mannschaft schon mal auf weitere Negativerlebnisse vor: "Es wird vielleicht noch die eine oder andere Klatsche dazukommen."

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