Sepp Blatter ist nun wirklich kein vertrauenswürdiger Kronzeuge. Seit 1975 arbeitete der Schweizer für den Fußball-Weltverband, von 1981 an bis zum Februar 2016 in führender Position. Und wenn man nicht alles falsch verstanden hat in den vergangenen Monaten, roch in Blatters Fifa einiges streng. Nach Korruption, nach Gier und Frevel. Und doch zuckte die Fußballwelt zusammen, als er kürzlich davon fabulierte, es sei überhaupt kein Problem, Auslosungen zu manipulieren. Bei zumindest einem Topturnier habe er "mit eigenen Augen gesehen, wie geschummelt wurde". Es sei ein europäisches Turnier gewesen.
Diese Fußball-Europameisterschaft ist offiziell frei von jedem Verdacht der Schummelei. Ein leicht fader Geschmack bleibt nach Blatters Worten dennoch hängen. Dabei konnte jedermann das Bestreben, den Gastgeber per Räuberleiter ins Halbfinale zu helfen, schon vor der Auslosung im Dezember sehen. Frankreich war in Gruppe A gesetzt, der Erste dieser Gruppe traf im Achtelfinale auf einen der Gruppendritten. Im Viertelfinale war dann zwingend ein Gruppenzweiter als Gegner vorgesehen.
Das war mit Abstand der leichteste Weg. Und der könnte nun dazu führen, dass Frankreich im Halbfinale steht und vorher gespielt hat gegen: Rumänien, Albanien, Schweiz, Irland, Island. Wobei Irland vor dem Achtelfinale ganze drei Tage weniger Pause hatte.
Der französischen Nationalmannschaft kann aus all dem kein Vorwurf erwachsen, sie hat die Aufgaben bislang zufriedenstellend gelöst. Wenn auch angesichts der mittelmäßigen Gegner noch der große Glanz fehlt. Beendet Frankreich am Sonntag die Abenteuerreise der Isländer, kommt es ja endlich zu einem großen Duell gegen Deutschland oder Italien. Wobei man dem Turnier nur wünschen kann, dass der Schiedsrichter des Viertelfinals von Bordeaux ein gefühlvolles Händchen hat. Bei den Deutschen drohen Jérôme Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira, Joshua Kimmich und Mesut Özil eine Sperre fürs Halbfinale. Bei Italien sind gleich elf Spieler vorgewarnt.
Dennoch: Frankreich muss gewarnt sein
So ein Spielplan kann nie gerecht sein. Hier führt eine Art Autobahn Richtung Halbfinale, dort ein Querfeldeinweg mit den gemeinsten Klippen und Fallen. Auch die Belgier können sich nicht beschweren. Nach der Pleite gegen Italien folgten Partien gegen Schweden, Irland, Ungarn und nun Wales. Während die famosen Italiener zuerst Belgier, dann Spanier und nun Deutsche schlagen müssen.
Dennoch fördert Blatters Einlassung die Gerüchte, dass bei großen Fußballturnieren viel unternommen wird, damit der Gastgeber möglichst weit kommt. Ein erfolgreicher Gastgeber schafft ein gutes Klima, was für Sponsoren sowie Fernsehsender, den beiden großen Geldgebern der Veranstaltungen, einträgliche Geschäfte garantiert. Auch die Politik im Heimatland profitiert nachgewiesenermaßen von Siegen der heimischen Fußballer.
Frankreich muss aber gewarnt sein. Erstens stehen noch die Isländer im Weg. Und eine Garantie darauf, dass ein Heimturnier als erfolgreich in Erinnerung bleibt, gibt auch das Erreichen des Halbfinals nicht her. In Brasilien hätten sich viele im Nachhinein gewünscht, ihre Seleção wäre bei der WM im eigenen Land schon in der Vorrunde ausgeschieden.