Spielmanipulation im Fußball:Schwerer Verdacht gegen Davor Šuker

FUSSBALL: WM FRANCE 98 Lyon, 04.07.98

Verhängnisvolle Begegnung bei der WM 1998: DFB-Verteidiger Wörns foult im Viertelfinale (0:3) Davor Šuker - und sieht danach Rot.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)
  • Laut Akten der Bochumer Staatsanwaltschaft ist Davor Šuker über den Wettpaten Ante Sapina mit der Fußball-Manipulationsaffäre 2009 vernetzt.
  • Šuker war Profi bei Real Madrid und TSV 1860, heute ist er Präsident des kroatischen Verbands und Vorstandsmitglied der Uefa.
  • Die Uefa leitete am Freitagabend eine Disziplinaruntersuchung ein.
  • Auch in Griechenland und der Türkei gibt es Manipulationsaffären.

Von Thomas Kistner

Seit Donnerstagnachmittag ist der Präsident nicht erreichbar, zeigt der automatische Mailversand des kroatischen Fußballverbandes an. Dabei gibt es viel zu erklären für Davor Šuker, WM-Torschützenkönig von 1998, der seit März im Exekutivkomitee der europäischen Fußball-Union sitzt. Nun muss die Uefa ihren prominenten Vorstandsherren befragen zu seinen Drähten mit dem Berliner Wettbetrüger Ante Sapina; Anfang der Woche tagt die Uefa-Spitze in Prag. Telefonmitschnitte und SMS-Verkehr zwischen den kroatischen Landsleuten Sapina und Šuker dokumentieren eine offenbar klandestine Beziehung: In den Akten der Bochumer Ermittler zur europaweiten Fußball-Wettaffäre 2009, die der SZ und ARD vorliegen, heißt es, "dass die Bande um Sapina auch Kontakte zu Davor Šuker unterhält und dieser von Sapina als Strohmann zur Platzierung von Wetten genutzt wird".

Ein harter Vorwurf. Im Detail beinhaltet er, dass Šuker für Sapina auf mindestens drei Partien Wetten platziert haben soll; einmal in der Champions League und zweimal in der Europa League. Die Akten zum abgeschlossenen Verfahren gegen Sapina - er war im Vorjahr zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden - listen weitere fragwürdige Kontakte auf, darunter ein verabredetes Treffen an einer Autobahnraststätte im Fränkischen. Einschlägige Vertraulichkeit suggeriert der SMS-Austausch: "Melde dich! Wichtig und dringend!! Ante." Ebenso wie der Telefonverkehr: "Sapina fragt, ob Šuker eine Handicapwette platzieren kann."

Im Juli 2009 empfahl der Wettpate, der da längst eine internationale Szenegröße war und als Zentralfigur im Bundesliga-Wettskandal um Referee Robert Hoyzer eine Gefängnisstrafe abgebüßt hatte, ein weiteres Match für Spieleinsätze. In den Akten heißt es: "Sapina informierte (...) Šuker und gab ihm den Hinweis, er solle auf die Partie Siroki setzen." Das Europa-League-Qualifikationsspiel Siroki Brijeg - Erewan in Bosnien habe aber nicht mit dem angestrebten Resultat geendet.

Šukers Verbandssprecher ließ eine SZ-Anfrage unbeantwortet, einen Fragen- katalog der ARD kommentierte er knapp: "Die Vorwürfe sind falsch." Journalisten wurden am Freitag an die Uefa verwiesen. Aber auch die weicht auf SZ-Anfrage zu ihrem Spitzenfunktionär aus. Zwar räumt die Uefa ein, "seit 2010 eng" mit den Bochumern zu kooperieren. Konkret zur dokumentierten Verbindung ihres Vorstandes mit dem Wettpaten erklärt sie indes nur: "Nach unserem besten Wissen wurde Davor Šuker nie von deutschen Behörden befragt oder Fehlverhaltens bezichtigt."

In Griechenland und der Türkei arbeitet die Justiz Affären auf - die Uefa agiert sehr zögerlich

Šuker wurde im Bochumer Mammutverfahren nie als Beschuldigter oder Zeuge geführt. Aber spielt das eine Rolle? Ihre Regeln sehen explizit vor, dass schon ein icht gemeldeter Kontakt zu einem Wettbetrüger ein Verstoß sei.Auch hat die Uefa selbst die Ermittlungsakten und räumt ein, die Inhalte zu kennen. Dazu gehören die Šuker-Passagen. Das ist brisant, denn klaren Aussagen, ob der Kroate angehört wurde, etwa im Zuge einer Integritäts- überprüfung vor der Vorstandsberufung, weicht sie aus. Stattdessen heißt es nur, Uefa-Offizielle seien allzeit an die Ethik- und Disziplinarreglements gebunden - "nicht nur, wenn sie sich für eine Position im Exekutivkomitee zur Wahl stellen".

Sylvia Schenk hat kein Verständnis für den laxen Umgang mit der Causa. "Null Toleranz heißt, dass jedem Verdacht nachgegangen wird", sagt die Sportbeauftragte von Transparency International der SZ. Sie verweist auf die Qualität der Vorwürfe: "Das sind keine Zeitungsartikel, sondern Justizakten. Deutsche Staatsanwaltschaften schreiben nicht aus Jux Namen in ihre Anklageschriften." Daher hätten bei der Uefa "alle Alarmglocken schrillen" und zumindest eine Anhörung stattfinden müssen: "Spielmanipulation ist die größte Gefahr für den Fußball, da muss man konsequent und sofort tätig werden."

Croatian Football Federation apologises over swastika symbol on pitch 13 06 2015 Split Croatia

Früher ein guter Stürmer, jetzt Uefa-Funktionär unter Verdacht: Davor Suker (rechts).

(Foto: imago)

Uefa eröffnet Disziplinaruntersuchung gegen Davor Šuker

Der sich selbst kontrollierende Profibetrieb trudelt immer tiefer in die Krise. Der Weltverband wird wegen Korruptionsverdacht vom FBI, der Schweizer Bundesanwaltschaft und rund 30 weiteren Instanzen durchleuchtet. Die Fifa droht, falls es am Ende zu einer Geldstrafe durch die US-Justiz käme, sogar in Existenznot zu geraten. In der Gemengelage gibt die Uefa den sportpolitischen Gegenspieler; Präsident Michel Platini gilt als Topkandidat auf die Nachfolge des Fifa-Chefs Sepp Blatter. In Prag soll auch das besprochen werden - nun ist die Causa Šuker auf dem Tisch.

Die kommt auch deshalb ungelegen, weil sie nicht allein Fragen zum Umgang der Uefa mit dem Spielbetrug aufwirft. Zwei weitere Fußballnationen in Südosteuropa, Griechenland und Türkei, plagen endemische Affären. Die nationale Justiz arbeitet die Vorgänge auf oder hat es, wie im Fall von Fenerbahçe Istanbul, schon getan. Hingegen legt die Uefa im Hinblick auf Ermittlung, Sanktionen und Durchsetzung derselben eine große Zögerlichkeit an den Tag. Die passt zur strikten Zurückhaltung, die sie im Fall Šuker offenbart.

In Griechenland stehen Spitzenfunktionäre, Dutzende Referees und Spieler im Fokus des Staatsanwalts. Vergangene Woche wurden Ex-Verbandschef Giorgios Sarris und Vangelis Marinakis, Eigner des Dauer-Meisters Olympiakos Piräus, einvernommen. Sarris wurde ein Ausreiseverbot und eine Kaution von 50 000 Euro auferlegt. Ermittelt wird wegen Verdachts auf Bandenkriminalität, Spielmanipulation, Bestechung, Meineid. Trotzdem dürften die verwickelten Klubs Olympiakos und Asteras Tripolis in der neuen Europa League mitspielen. Die Uefa teilt nun mit, ihre Disziplinarstelle habe die Teilnahme "provisorisch akzeptiert, da noch keine Entscheidung vom griechischen Verband und/oder Behörden getroffen wurde".

In der Türkei drängen Aktivisten seit Jahren unter wachsender internationaler Anteilnahme darauf, dass eine gegen Fenerbahçe Istanbul verhängte Strafe wegen zusätzlicher Betrugssachverhalte erweitert wird. Der Topklub, für den sogar Staatschef Erdoğan eintritt, war ob seiner Beteiligung am weitflächigen Betrugsskandal in der Erstliga-Saison 2011 zwei Jahre international gesperrt worden. 2013 bestätigte der Sportgerichtshof Cas diese Sperre, bekundete aber im Urteil eine starke Irritation über das milde Strafmaß: Er habe es leider nicht heraufsetzen können.

Seitdem wurden weitere Partien mit Verwicklung Fenerbahçes ruchbar. Zwei involvierte Teams wurden aus der Europa League 2014/15 verbannt, stolz erklärte der Verband dazu per Statement am 7. Juli 2014: "Die Uefa verfolgt eine strikte Nulltoleranz-Politik hinsichtlich Spielabsprachen und Korruption." - "Ernsthafte Sanktionen" würden gegen "schuldige Spieler, Offizielle, Referees und Klubs verhängt." Darüber, dass Fenerbahçe nach der milden Zweijahres-Sperre in zwei neue Fälle verwickelt war, verlor sie kein Wort. Erst am Freitagabend kam Bewegung in den Fall Šuker: Auf Nachfrage, warum es nie eine Anhörung des neuen Vorstandsherren gab, erklärte sie: "Die Uefa stellt keine Details von Disziplinaruntersuchungen zur Verfügung." Jetzt wird untersucht.

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