Spielabbruch in Osnabrück:Mär vom einzelnen Chaoten

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Schiedsrichter Martin Petersen (re.) wird von seinem Assistenten Matthias Jöllenbeck vom Feld begleitet, nachdem ihn ein Feuerzeug am Kopf traf. (Foto: dpa)

Die Fußballgemeinde war sich schnell einig, dass der Feuerzeug-Wurf in Osnabrück die Schuld eines Einzeltäters ist. Doch er war vor allem eines: ein wütender Auswurf angestauter Kollektiv-Emotion.

Ein Kommentar von Ulrich Hartmann

Der Präsident des Fußball-Drittligisten VfL Osnabrück hatte am Montagabend nur 25 Minuten Zeit, um die wichtige Rede vorzubereiten, die er im Mittelkreis des Stadions hielt und die live im Bezahlfernsehen übertragen wurde. Ihm war womöglich auch entgangen, wie provokant sich vor dem fatalen Feuerzeugwurf an den Kopf des Schiedsrichters ein Ersatzspieler seines Vereins am Spielfeldrand verhalten hatte.

Hermann Queckenstedt hat dann im Mittelkreis kluge, beschwichtigende Dinge gesagt, er hat aber auch Vorwürfe formuliert, die seinen VfL Osnabrück zum Opfer machten. Dies sei der bitterste Tag seiner Amtszeit, es sei sehr schade, dass ein Chaot den wunderschönen Pokalabend - mit einer leidenschaftlich kämpfenden Osnabrücker Mannschaft - zunichte gemacht habe.

Wenn einer Unfug macht

Wenn beim Fußball jemand großen Unfug begeht, betonen die anderen gerne, dass es die Tat eines Einzelnen war. Mit Vereinfachungen - ein Einzelner verdirbt Tausenden die Freude - kommt der Fußball oft fein raus. Das rote Feuerzeug, das aus der Osttribüne des Osnabrücker Stadions am Montagabend um 20.03 Uhr an den Kopf des Schiedsrichters flog, war in der Tat von einem Einzeltäter geworfen - aber auch wütender Auswurf angestauter Kollektiv-Emotion.

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Als Osnabrück nach 24 Sekunden mit 1:0 in Führung gegangen war, sprangen Fans ungestört über den Zaun und klopften dem Torschützen Halil Savran fanatisch auf die Schulter. Danach hatte es in der hektischen Partie mehrere Rudelbildungen der Spieler auf dem Platz gegeben. Und bevor nach 71 Minuten aus dem selben VfL-Block das Feuerzeug flog, hatte Osnabrücks Ersatzspieler Michael Hohnstedt den Leipziger Stürmer Davie Selke völlig unnötig für eine vergebene Torchance verhöhnt. Hohnstedts aggressive Körpersprache stachelte das Publikum weiter an. Und genau dort flog Sekunden später das Feuerzeug.

Aufstrebende Millionen-Klubs sind im Visier

Die Taten Einzelner müssen beim Massenphänomen Fußball immer im Kontext betrachtet werden. Der aufstrebende Klub RB Leipzig, der mit den Millionen von Red Bull gleichgesetzt wird, zieht die Wut von Traditionsklub-Fans bisweilen derart irrational auf sich, dass ein junger Stürmer wie Selke plötzlich angefeindet wird. Dass ein womöglich ihm geltendes Feuerzeug versehentlich den Schiedsrichter traf, das Spiel damit vorzeitig endete und die völlig verdient 1:0 führenden Osnabrücker 20 Minuten vor dem Ende zu Verlierern wurden, ist ein zynischer Wink des Schicksals.

Ein einzelner Chaot hat das verursacht. Aber auch andere, im Stadion und im ganzen Fußballland, leisten Aggressionen gegen fremdfinanzierte Klubs wie Leipzig oder Hoffenheim Vorschub.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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