Spektakel im Olympiastadion:Wem die Krone gehört

Wie die Fans des deutschen Meisters den Königlichen aus Madrid ihr Signet nahmen und der Fußballabend im Olympiastadion zum Spektakel wurde.

Von Christian Zaschke

Was hat Real Madrid, was der FC Bayern nicht hat? Ganz einfach: die Krone. Im Wappen prangt sie, auf die Trikots ist sie gestickt, auf den Bus ist sie gemalt, überall Krone, und die Bayern haben keine. Sie haben einen, den sie "Kaiser" nennen, aber der hat keine Krone, und das mit dem Titel Kaiser ist auch ein bisschen gepfuscht. Der, den sie Kaiser nennen, ist nicht von Adel, und was also lag näher, als Real Madrid, den Königlichen, noch vor dem Anpfiff die Krone zu klauen.

Die einst kronenlosen Fans des FC Bayern hatten eine Choreographie vorbereitet: links das Logo von Real Madrid, scheinbar wie immer, daneben das des FC Bayern, scheinbar wie immer. Drunter stand "Hier regiert der FCB", daneben hatten die Fans in großen Lettern die Begründung notiert: "Sieben Spiele - sieben Siege."

In der Champions League hatte Real in München bis dato immer verloren, und so beschlossen die Fans, den Spaniern kurzerhand die Krone zu nehmen. Auf dem Logo von Madrid fehlte - es war erst auf den zweiten Blick zu sehen - die königliche Kopfbedeckung. Hier im Olympiastadion, sagte die Choreographie, ist Madrid C.F. ein bürgerlicher Klub. Ein zweiter Blick, wo war die Krone? Stolz saß sie auf dem kreisrunden Logo des FC Bayern München, breit und gemütlich, als gehöre sie dorthin.

Da wollten auch die Würdenträger des bayrischen Nobelklubs nicht nachstehen. Uli Hoeneß, mit königgleicher Machtfülle ausgestatteter Manager des FC Bayern, hatte sich zur Feier des Abends eine rot-weiße Pudelmütze übers Haupt gezogen, die von einem flauschigen Bommel geschmückt wurde. Es ist seine Glücksmütze, und es ist eine schöne Mütze, und so soll sie ausnahmsweise an diesem Abend als - ja - als Krone gelten.

Die schönsten Momente

Im weiteren soll von Kopfbedeckungen geschwiegen werden, weil das Spiel ja nicht auf der Pferderennbahn in Ascot ausgetragen wurde, wo Hüte alles sind und Fußball nichts ist, sondern im Olympiastadion zu München, wo Hüte nichts sind und Fußball alles ist. So wichtig ist dieser Sport hier, dass der Rasen in erstaunlicher Kraftanstrengung vom Schnee geräumt wurde und grün und satt da lag unterm schwarzen Himmel Bayerns wie eine Bühne für ein großes Fest, gesäumt von fast 60 000 Menschen, die einem Spektakel beiwohnen wollten.

Es sind dies die schönsten Momente im Fußball, wenn er zum Spektakel wird, weil die beteiligten Mannschaften etwas ausstrahlen, das über sie hinausweist, und sonst grundehrliche bayrische Anhänger des Fußballsports (ausdrücklich seien die zugereisten Fans aus Husum, Stralsund und Uerdingen eingeschlossen) zu Kronenräubern werden. Es gibt andere Abende, wenn es kalt ist, der Fußball erfriert und nur 4000 Menschen sich im Olympiastadion verlieren, das dann wirkt wie ein Fischkutter, der im Hafen festgefroren ist. Und es gibt jene Abende wie gestern, am Dienstag, wenn das Flutlicht strahlt, die rote Mannschaft kämpft und zaubert, wenn die Menschen singen und das Oly, wie es dann zärtlich heißt, sich anfühlt wie ein Ozeanriese auf großer Fahrt, wie ein Fest.

Es ist gut, dass Real Madrid nicht allzu häufig vorbeikommt, denn selbst diese Mannschaft verlöre ihren Zauber in der steten Wiederholung. So aber verwandelt die weiße Mannschaft bei ihren Besuchen das Olympiastadion jedes Mal in eines der schönsten Stadien der Welt.

Nun der hat der Klub, dem an diesem Abend die Krone fehlte, seine Statistik bezüglich Champions-League-Besuchen in München erweitert. Acht Spiele, sieben Siege, ein Unentschieden, heißt es jetzt. Das kann sich immer noch sehen lassen. Für die nächste Choreographie der Fans noch dieser Gedanke: Das Dach auf dem Olympiastadion, sitzt es nicht stolz auf dem Rund, breit und gemütlich wie eine - na klar, wie eine Krone.

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