Spartak Moskau:Ölquellen sprudeln für Mozart

Bayern-Gegner Spartak Moskau ist ein Beispiel für die Kapitalisierung russischer Fußballklubs durch reiche Geschäftsleute.

Frank Nienhuysen

Mit dem Auto durch Moskau zu fahren ist ein wildes und zwiespältiges Vergnügen, und auf jeden Fall fährt man besser damit, wenn das Fahrzeug groß und robust ist. Wojciech Kowalewski ist da auf der sicheren Seite. Der Torwart von Spartak Moskau hat ein sehr großes und sehr robustes Auto, der Hauptsponsor hat ihm nämlich Ende der vergangenen Saison aus Dankbarkeit für seine guten Leistungen einen Hummer H 2 geschenkt.

Der verbraucht zwar etwa 18 Liter Benzin auf hundert Kilometer, aber das macht nichts, denn praktischerweise ist Spartaks Hauptsponsor Lukoil der größte Ölkonzern in Russland, mit einem eigenen, engmaschigen Tankstellennetz noch dazu - und Lukoils Vizepräsident wiederum ist der Vereinsvorsitzende von Spartak Moskau.

Leonid Fedun heißt der Mann, das Magazin Forbes hat ihn in seiner aktuellen Liste der reichsten Menschen dieser Welt immerhin auf Platz 168 notiert, mit einem geschätzten Nettovermögen von vier Milliarden Dollar. Einen Hummer kann der zum Frühstück verspeisen. Mit Roman Abramowitsch, dem Eigner des FC Chelsea, kann Fedun zwar nicht mithalten, aber es reicht, um aus Spartak Moskau wieder einen Klub mit Perspektive zu machen, nach einer langen Zeit des Misserfolgs.

Zwei deftige Niederlagen vor fünf Jahren

Als Spartak vor fünf Jahren das bisher letzte Mal in der Champions League gegen den FC Bayern spielte, da bot Russlands Fußballbetrieb etwa so viele Überraschungen wie die Tour de France zur Zeit von Lance Armstrong. Zum neunten Mal in elf Jahren wurde Spartak damals russischer Meister, was ihn nicht daran hinderte, gegen Bayern mit 1:3 und 1:5 zu verlieren. Ein viertklassiger Brasilianer namens Robson war noch einer der bestimmenden Spieler jener Zeit. Danach aber war selbst die Dominanz in Russland dahin.

Inzwischen kann sich Spartak Moskau bereits dritt- und zweitklassige brasilianische Spieler leisten - und sogar einen argentinischen Nationalspieler. Mittelfeldspieler Clemente Rodriguez kam vor zwei Jahren zu Spartak, als Moskau noch dazu Fernando Cavenaghi von River Plate Buenos Aires für 8,6 Millionen Euro holte. 2005 kaufte Spartak von Reggina Calcio den Brasilianer Junior Santos Batista, genannt "Mozart", in dieser Saison wechselte Martin Stranzl vom VfB Stuttgart nach Moskau.

Spartak rekrutiert wie auch seine Moskauer Konkurrenzklubs ZSKA, Dynamo und Lokomotive sein Stammpersonal also längst nicht mehr allein aus der Ukraine, Tschechien oder Rumänien. Als Brasilien vor einer Woche mit 3:0 gegen Argentinien gewann, standen auf beiden Seiten insgesamt vier Spieler von Moskauer Vereinen. Und dass Jegor Titow, mehrmaliger Fußballer des Jahres in Russland, für Spartak spielt, sagt weniger über dessen Patriotismus aus als über die neue Finanzkraft der heimischen Liga.

Die Kapitalisierung der russischen Fußballvereine durch superreiche Geschäftsleute ist der Trend der vergangenen Jahre. Dynamo Moskau wird vom Milliardär Alexej Fedoritschew gefördert, Gazprom-Chef Alexej Miller stützt den St. Petersburger Verein Zenit, der Ölunternehmer Sulejman Kerimow den Klub Saturn Ramenskoje, Roman Abramowitsch hilft ZSKA und Leonid Fedun seit zwei Jahren eben Spartak.

Das Jahresbudget des Klubs hat Fedun auf etwa 50 Millionen Euro erhöht, die teuersten Moskauer Spieler verdienen inzwischen mehr als eine Million pro Jahr, und Geld für ein neues Stadion bleibt auch noch übrig. Derzeit spielt Spartak noch im 80.000 Zuschauer umfassenden Luschniki-Stadion; noch im September aber will der Verein die Pläne für eine eigene Arena vorlegen, die bis 2009 fertig und dann eine der modernsten in Europa sein soll.

Das ist von Fedun insofern ein geschicktes Investment, weil Spartak seit Jahrzehnten der mit Abstand beliebteste Verein in ganz Russland ist. Dynamo, ZSKA und Lokomotive waren zu Sowjetzeiten die gehätschelten Kinder des Geheimdienstes und der Polizei, der Armee und des mächtigen Eisenbahnministeriums, Spartak dagegen ist seit jeher ein Volksklub und mit 15 Millionen Mitgliedern auch der größte. Ihnen versprach Fedun vor zwei Jahren, den Verein wieder zurück an die russische Spitze zu führen. Die Fans gieren nach den alten Erfolgen, was mit Platz zwei in der abgelaufenen und auch in der gegenwärtigen Saison fast schon erfüllt wird. "Die Mannschaft von Trainer Wladimir Fedotow ist stabiler und reifer geworden", sagt Wladimir Schewtschenko, der Sprecher des Vereins. "Und in ein paar Jahren wollen wir vielleicht auch mal die Champions League gewinnen."

Das sind große Ziele selbst für die Nunner 168 der weltweiten Geld-Rangliste. Sogar an die Börse will Fedun Spartak bringen, "und wenn Fedun das sagt", sagt Schewtschenko, "dann schafft er das auch." Der 50jährige Vereinschef und Ölmanager gilt trotzdem nicht als vollmundig, er weiß, dass Spartak Moskau sich international noch bescheiden muss. Er investiert deshalb vor allem in junge, gute Spieler, die ihren Marktwert noch steigern können. "Fedun ist ein kluger Stratege", sagt Boris Bogdanow, der für die russische Zeitung Sportexpress arbeitet. "Natürlich kann Spartak in der Champions League mit Barcelona, Real, Bayern oder Chelsea kaum mithalten. Superstars wie Ballack, Ronaldo, Schweinsteiger sind für russische Vereine derzeit nicht zu haben. Denn Geld aus Fernseheinnahmen spielen für die Vereine bei uns bisher keine große Rolle."

Dennoch scheint sich die Finanzkluft zu den Vereinen im Westen Europas zu verringern. Im vorigen Jahr hatte Dynamo Moskau für Michael Ballack 40 Millionen Dollar geboten, und Uli Hoeneß meinte damals sogar, er glaube an das Angebot - "aber würden Sie nach Moskau ziehen?" Für eine prächtige Datscha in Bestlage jedenfalls dürfte das Geld dort inzwischen reichen. Für einen Hummer eigentlich auch.

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