Spanischer Meister FC Barcelona:Auf Peps Spuren

Atletico Madrid vs FC Barcelona

Ein ganz normales Bild: Messi und Neymar bejubeln mal wieder ein Tor.

(Foto: Victor Lerena/dpa)
  • Der FC Barcelona gewinnt die spanische Meisterschaft und kann das Triple gewinnen.
  • Trainer Luis Enrique, zeitweise heftig kritisiert und gerüchtehalber kurz vor Rauswurf, soll nun einen "Zyklus" einläuten.
  • Dabei entscheidend ist der erst schwer erzürnte und nun wiedererstarkte Lionel Messi.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Als sich die erste Magnumflasche Cava über den Köpfen hüpfender Spieler ergoss, wacker geschüttelt von Gerard Piqué, der in solchen Momenten immer der Aktivste von allen ist, da war der Trainer des FC Barcelona schon weg, verschwunden im Bauch des Madrider Stadions Vicente Calderón. Luis Enrique hat nur kurz seine engsten Mitarbeiter geherzt und sich dann regelrecht verdrückt, mitten im Triumph.

Er ist kein Mann emotionaler Eruptionen, keiner, der Menschen mit offenbarer Fröhlichkeit für sich gewinnt. "Ich ziehe es vor, still für mich zu feiern", sagte er später, als man ihn nach seinem schnellen Abgang fragte, "so bin ich nun mal." Zu feiern hätte er schon etwas gehabt: Sein FC Barcelona ist nach dem 1:0-Sieg bei Atlético Madrid eine Runde vor Saisonende spanischer Meister, zum fünften Mal in sieben Jahren, zum 23. Mal in der Vereinsgeschichte.

Enrique galt als dürftige Wahl - man wollte einen Starcoach

Und plötzlich interessiert die eigentümliche Wesensart des Trainers auch im positiven Sinn. Bis vor kurzem hatte der trockene, asketische, oft sarkastisch bis offen verärgert gelaunte Asturier ja vor allem viel Fett abgekriegt - von überall, vor allem von den Medien. Zu Beginn der Saison kritisierte man ihn dafür, dass er ständig rotierte, dass er die Spieler mit kleinlichen Verhaltensregeln an ihre reich entlohnten Dienstpflichten gemahnte, dass er nie strahlte, nicht motivierte.

Es half ihm nicht, dass er den Verein, für den er selber lange gespielt hatte, hervorragend kennt - und zwar über die sportliche Dimension hinaus bis weit hinein ins Gesellschaftspolitische. Man hielt ihn für eine dürftige Wahl, man hätte sich einen Starcoach gewünscht. Aber nun ist alles anders.

Das Triple in der ersten Saison? Möglich.

Luis Enrique, so liest man in den katalanischen Zeitungen, initiiere da dank seiner sprichwörtlichen Sturheit und Prinzipientreue womöglich gerade einen "neuen Zyklus". Die Basis dafür wäre natürlich das Triple aus Liga, Copa del Rey und Champions League. Und wie schon sein schier haltlos gefeierter Vor-vor-Vorgänger und Freund, der Charismatiker Pep Guardiola, kann auch Enrique alle drei Titel bereits in seinem ersten Mandatsjahr schaffen.

Ende Mai spielt Barça das Pokalfinale gegen Athletic Bilbao im eigenen Stadion, im Camp Nou. Und am 6. Juni geht es dann nach Berlin, zum Endspiel der europäischen Königsklasse gegen Juventus Turin, der klassischen Kirsche auf der Torte. Alles lösbar, findet man in Barcelona, fast schon zwingend lösbar. "Ein Zyklus?", fragte Enrique, als die Euphorie die Presse erfasst hatte, "schön wäre es ja, aber noch ist nicht viel geschafft." Aus seiner Entourage hört man, er sei immer so skeptisch, er misstraue gar seinem eigenen Schatten.

Messi war so erzürnt, er schwänzte das Training

Den Lobhudeleien sollte man tatsächlich nicht allzu sehr trauen, gerade in diesem Geschäft. Nach den Weihnachtsferien stand Luis Enrique kurz vor der Entlassung. Der Schlüsselmoment war Barças Auswärtsspiel im baskischen San Sebastián. Enrique rotierte mal wieder, ließ Lionel Messi und Neymar auf der Bank, was diese gar nicht goutierten. Das Spiel ging verloren.

Messi war darob so erzürnt, dass er am Tag darauf eine Magenverstimmung vortäuschte und das einzige öffentliche Training, ein Geschenk für die Kinder zur Epiphanie, schwänzte. Es geht seither die Legende, Messi habe sich dermaßen mit dem Trainer überworfen, dass er die Vereinsleitung vor die Wahl gestellt hätte: "Er oder ich!" Belegt ist die Episode zwar nicht. Doch es brauchte viel Vermittlung, um die Gemüter etwas zu besänftigen.

Nach dem Krach entfaltet sich der Dreiersturm

Aber dann begann Barças eigene Epiphanie, generös gestiftet vom Argentinier, der sich im vergangenen Halbjahr tatsächlich noch einmal neu erfand: als Regisseur und Finisseur, als hängender Gestalter und stürmender Vollender, ganz nach Bedarf.

Was Messi antrieb, weiß keiner genau. Er verlor einige Kilo Gewicht, er lief wieder leichter, dribbelte wieder, blieb kaum mehr hängen. Und lachte, oft und erlöst.

Es gab Leute, die vermuteten, Cristiano Ronaldos ausgelassener Jubel bei der Verleihung des Ballon d' Or für den besten Fußballer der Welt habe Mitte Januar Messis Stolz geweckt. Messis Erlösung ging einher mit der wundersamen Integration von Luis Suárez, der im Sturm neue Räume öffnete, und mit der definitiven Entfaltung von Neymar. In den 29 Spielen seit der Niederlage im Baskenland gewannen die Katalanen 26, sie verloren nur zweimal, einmal gegen den FC Bayern. Der sogenannte Dreizack schoss eine barbaridad von Toren, wie die Spanier sagen, wenn sie ungeheuer beeindruckt sind. Auf 115 Saisontore bringen es die drei schon.

Nun zittern die Fans nicht mehr bei jedem Freistoß

Dem Sturmtrio gehört nun der lauteste Applaus. Dabei leistete auch die Abwehr Erstaunliches: Nur 19 Tore kassierte Barça in der laufenden Liga, so wenige wie ein Meister zuletzt im fernen 1973, der FC Valencia. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Saison damals 30 Spieltage zählte, nicht 38. Ein Rekord, den man Enriques treuem Vize Juan Carlos Unzué zuschreibt, einem früheren Torwart, der die Mängel von Barças Defensive bei Standardsituationen behob. Die waren chronisch, seit Peps Zeiten. Nun zittern die Fans nicht mehr bei jeder Ecke, bei jedem Freistoß des Gegners aus der Halbdistanz.

Früher lebte Barça vor allem von der Fertigkeit seiner Mittelfeldspieler, die den Ball so lange in den eigenen Reihen hielten, bis sich vorne Lücken öffneten. Nun überbrückt man die zentrale Zone auch schon mal mit schnellen und langen Bällen, vertikal und überfallartig.

Das Modell ist modifiziert, die Monotonie gebrochen. Vielleicht läuft ja wirklich ein neuer Zyklus an. Man hört, fernab der Kameras habe es später doch noch eine Feier mit Trainerbeteiligung gegeben, sogar von Umarmungen zwischen Coach und Spielern wird berichtet. Nun, man sähe gerne Beweisbilder von einer Umarmung zwischen Enrique und Messi - falls es sie tatsächlich gab.

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