Spanische Fußballer drohen mit Streik:200 Spieler warten auf ihr Geld

Weil viele Klubs mit den Gehältern im Rückstand sind, droht Spaniens Fußball-Liga ein Streik. Der Grund: Die Personalkosten der Vereine liegen weit über den Einnahmen. Prominente Spieler wie Carlos Puyol und Iker Casillas unterstützen den Streikaufruf - der auch eine politische Dimension hat.

Javier Cáceres, Madrid

Es hat schon so manche Streikdrohung in Spaniens Profifußball gegeben. Und den letzten vier war eins gemein: Sie wurden in letzter Minute wieder zurückgenommen. Diesmal scheint alles anders zu sein - und die Gefahr real, dass die ersten beiden Spieltage nicht stattfinden.

Spanish Primera Division soccer players announce strike

Unterstützen den Streik: Iker Casillas (Vierter von rechts), Xabi Alonso (Dritter von rechts) und Carlos Puyol (Zweiter von rechts) bei einer Versammlung der Spielergewerkschaft in Madrid.

(Foto: dpa)

"Alle Fußballer der ersten und zweiten Liga haben die verantwortungsbewusste, endgültige und einstimmige Entscheidung getroffen, einen Streik auszurufen", sagte Luis Rubiales, Vorsitzender der Spielergewerkschaft AFE, in einer feierlichen Erklärung.

Hintergrund des Konflikts ist der neue Tarifvertrag. Aber im Kern geht es um das Geld, das nicht mehr fließt. Die Schulden, die Spaniens Erst- und Zweitligaklubs gegenüber 200 Spielern haben, belaufen sich nach AFE-Angaben auf 50 Millionen Euro; vor einem Jahr hätten nur halb so viele Kicker insgesamt 12 Millionen Euro Sold reklamiert.

"Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Arbeiter so lange auf sein Geld warten muss", sagt José María Movilla von Rayo Vallecano. Doch auch er weiß: Die ausstehenden Gehaltszahlungen sind nur ein Tropfen in einem Meer aus Zahlen, die so rot sind wie das WM-Trikot.

Ende 2009 waren die Erstliga-Klubs mit 3,5 Milliarden Euro verschuldet, aktuell gehen Experten von einer Zahl jenseits der Vier-Milliarden-Euro-Marke aus. Ein Lizenzverfahren nach deutschem Vorbild? Bislang Fehlanzeige und daher eine der vielen Forderungen der Fußballergewerkschaft an den Ligaverband LFP, dessen Vertreter wiederum schäumen: Die LFP hält die Streikdrohung für unangemessen, schließlich habe man soeben noch verhandelt.

Zudem habe die LFP unlängst einen Fonds ins Leben gerufen, der mit bis zu 70 Millionen Euro ausgestattet sein soll; er garantiere den Erstliga-Fußballern bei Zahlungsausfällen ein Jahressalär von 240 000 Euro, Zweitliga-Fußballern 120 000 Euro. "Einen solchen Mechanismus gibt es in keiner Branche", sagt LFP-Generalsekretär Carlos del Campo.

Die Spielergewerkschaft hält dem entgegen, dass der Fonds nicht mal die bisherigen Schulden decke.

Besonders erbost sind die Fußballer, aber auch andere Gläubiger wie die seit Freitag solidarischen Fußball-Trainer, weil die Klubs in einem Klima völliger Straflosigkeit wirtschaften. Zuletzt sorgte für Aufsehen, dass Real Zaragoza für mehr als acht Millionen Euro Ablöse einen Torwart namens Roberto holte - der jüngst selbst noch zu den Gläubigern des mit mehr als 130 Millionen Euro verschuldeten Erstligisten zählte.

Finanziert wurde die Operation durch einen obskuren Investmentfonds, von dem man nur weiß, dass ihm der Klubpräsident angehört, im Geschäftsleben Bauunternehmer und Pleitier. Neben Zaragoza stecken vierzehn Erst- und Zweitligisten in Konkursverfahren - ein perverser juristischer Nebeneffekt bewahrt sie vor einem Zwangsabstieg.

Vereine finden keine Trikotsponoren mehr

Zwei Erstligisten sind einzelnen Spielern seit mehr als einem Jahr die Gehälter schuldig: Racing Santander und der Aufsteiger Rayo Vallecano. Das sind Folgen eines unkontrollierten Kauf- und Ausgabenrauschs - und purer Zockerei.

Für die Saison 2008/2009 listete der Buchhaltungsprofessor Josep María Gay von der Universität Barcelona in einer Studie sechs Erstligisten auf, deren Personalkosten bei fast 130 Prozent ihrer jeweiligen Einnahmen lagen. Das ging einigermaßen gut, so lange Banken Kredite vergaben - oder öffentliche Betriebe Millionen pumpten. Doch die Zeiten sind vorbei.

Für die mittlere Zukunft muss wohl eine Verschärfung der Lage befürchtet werden. Denn: Die Einnahmen brechen im Zuge der Krise weg.

Die Vereine bleiben nicht nur auf Eintrittskarten sitzen. Klubs der gehobenen Mittelklasse wie Valencia, Villarreal, Sevilla oder Atlético Madrid haben keine Sponsoren gefunden, die noch bereit sind, vier, fünf oder sechs Millionen Euro für Trikotwerbung auszugeben. Vorerst ziehen diese Klubs es vor, ihre Mannschaften wie früher in "unbefleckten" Hemden auflaufen zu lassen, als den Preis für die Werbebrust zu senken.

Die beiden Branchenführer, Real Madrid und FC Barcelona, kassieren hingegen für ihre Brustwerbung mehr als 20 Millionen Euro. Sie sind zwar ebenfalls horrend verschuldet - aber mit ihren Zahlungen auf dem Laufenden. Dennoch haben sich auch die Spieler solcher Klubs mit den Kollegen solidarisiert.

Nationalspieler wie Xabi Alonso, Iker Casillas oder Carles Puyol stärkten dem Gewerkschafter Rubiales demonstrativ den Rücken. Und zogen dafür prompt populistische Kritik auf sich. Die rechtsliberale Zeitung El Mundo nannte es auf ihrer Seite 1 einen "Affront", dass "die Fußballer in einem Land mit fünf Millionen Arbeitslosen in den Streik treten".

Angesichts dieser Erwerbslosenzahlen ist der Regierung an einer raschen Lösung gelegen. Wehe, wenn in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage auch noch der Unterhaltungsbetrieb Fußball ins Stocken gerät!

Der Staat trägt übrigens eine Mitverantwortung an der Fußball-Krise. Regierungen jedweder Couleur haben dazu beigetragen, dass im Fußball des Königreichs Spanien bananenrepublikanische Verhältnisse gedeihen konnten.

Auf heute umgerechnet, beliefen sich die Gesamtschulden der Fußballklubs 1985 auf 120 Millionen Euro. Mittlerweile schulden die Klubs allein dem Fiskus 650 Millionen Euro.

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