Spaniens Fernando Torres:Mit dem Lächeln eines Killers

Nach schlechten Zeiten beim FC Chelsea ist Fernando Torres froh, im EM-Kader der spanischen Nationalelf zu stehen - nach der Verletzung von David Villa dürfte er gar von Beginn an spielen. Torres weiß, dass kein Argument mächtiger ist als ein Tor, das in die Geschichte eingeht.

Javier Cáceres, Madrid

Es ist der klare Blick von Fernando Torres, der Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque Vertrauen fassen lässt. Der ihm verheißt, dass der EM-Ausfall von David Villa (FC Barcelona) - dem erfolgreichsten Stürmer, den die spanische Nationalelf je hatte - doch zu kompensieren sein wird.

Spain's Torres and goalkeeper Castillas walk of the pitch after during their friendly soccer match ahead of Euro 2012 against South Korea in Bern

Lächeln bei der Nationalelf: Fernando Torres fühlt sich wohl bei den spanischen Kollegen.

(Foto: REUTERS)

"Fernando ist euphorisch, man sieht es in seinen Augen", sagt del Bosque - und strahlt. "Fußball ist ein Seelenzustand", sagt Torres selbst, und nur, wenn dieser im Gleichgewicht ist, hat Torres jenes saubere Lächeln, hinter dem sich ein Killer verbirgt. Wohlgemerkt: ein Strafraumkiller.

Damit war für die EM nicht unbedingt zu rechnen. Bis vor zwei Wochen, als del Bosque seinen vorläufigen Kader benannte, sei er mehr als nervös gewesen, sagt Torres, 28: "Ich hatte Angst, nicht dabei zu sein." Für ihn, der in jungen Jahren bei seinem Stammverein Atlético Madrid als "El Niño" Kapitän und Ikone war, war dies ein völlig neues Gefühl.

Wer weiß, ob Tores im Kader gestanden hätte, wenn sich Villa doch noch zeitig vom Schien- und Wadenbeinbruch erholt hätte, den er sich beim Weltpokal- finale Ende 2011 zugezogen hatte. In Spanien, das spürte Torres selbst, hatte sich das Gefühl festgesetzt, dass sein Stern unaufhaltsam gesunken war, seit er im EM-Finale von 2008 in Wien den 1:0-Siegtreffer gegen Deutschland erzielt hatte - und zur Legende geworden war.

2010 war Torres angeschlagen zur WM in Südafrika gefahren und hatte nie zu seiner Form gefunden. Im Januar 2011 folgte er dem Ruf des Geldes, das ihm der milliardenschwere Eigner des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, nachwarf; allein die Ablöse, die die Londoner dem FC Liverpool überwiesen, betrug 60 Millionen Euro.

Doch weil Torres auch in der abgelaufenen Saison mit dem portugiesischen Trainer Vilas-Boas keine Ebene wechselseitigen Verständnisses fand, durchlebte er Monate des Drucks und der Häme. In 38 Spielen für Chelsea erzielte er keine zehn Tore, 24 Spiele lang - von November 2011 bis Februar 2012 - traf er kein einziges Mal. Chelseas Fans widmeten ihm einen Song, der ihn aufbauen sollte, aber quälte: "Fernando Torres, he scores, when he wants." In diesem Augenblick suchte del Bosque das Gespräch und teilte ihm mit, dass er beim einzigen Freundschaftsspiel im Frühjahr gegen Venezuela (5:0) fehlen würde. "Ich lernte, wie sich Fußballer fühlen, die nicht spielen", sagt Torres.

Alleingelassen mit dem Druck

Der Stürmer aus dem Madrider Vorort Fuenlabrada will zwar nicht nach- karten. Aber erst, als Vilas-Boas bei Chelsea durch den Schaffhausener Roberto Di Matteo ersetzt wurde, wurden ihm langsam wieder tragende Rollen anvertraut. Obwohl er auch bei den entscheidenden Champions-League-Spielen, im Halbfinale gegen Barcelona und im Finale gegen den FC Bayern, nur eingewechselt wurde, stieg sein Selbstwertgefühl stark.

Vollends wiederhergestellt war es aber erst, als auf der Homepage des spanischen Verbandes der EM-Kader freigeschaltet war. "Ich war fast glücklicher als bei meinem Länderspieldebüt", sagt Torres. Am Donnerstag, beim 4:1 im Testspiel gegen Südkorea, dankte er es mit einem grandiosen Treffer, er lenkte eine Flanke von Benat (Betis Sevilla) mit dem Hinterkopf in den Winkel.

Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn in einer so blendenden physischen und psychischen Verfassung gesehen zu haben", sagt Spaniens Ersatztorwart Pepe Reina, der mit Torres nicht erst befreundet ist, seit sie zusammen in Liverpool spielten: "Fernandos Problem bei Chelsea war, dass sie ihn alleine gelassen haben mit dem Druck, der aus der Ablösesumme erwuchs."

Auch del Bosque lobt die Verfassung des 28-jährigen Angreifers. "Fernando sorgt in unserem Spiel für Schnelligkeit und Tempowechsel. Er läuft sich geschickt frei und assoziiert sich gut mit seinen Neben- und Hinterleuten", so der Coach. Torres selbst sagt, dass er sich frischer und körperlich stark fühlt - was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass er gegen seinen Willen oft auf der Bank Platz nehmen musste.

Das soll sich nicht wiederholen. Nach dem Champions-League-Triumph in München forderte er fast schon ultimativ ein klares Bekenntnis des FC Chelsea zu ihm - und bekam es auch. Ein weiteres, vergeudetes Jahr in London soll es nicht geben. Doch auch Torres weiß, dass kein Argument mächtiger ist als ein Tor, das in die Geschichte eingeht.

Wie jener Finaltreffer von Wien, als er Philipp Lahm in Grund und Boden lief und den Ball am herausstürzenden Torwart Jens Lehmann vorbeispitzelte. "Das war damals nur die Krönung einer insgesamt beeindruckenden EM, bei der Spanien bewies, dass es dem Druck standhalten und siegen kann. Heute gibt uns das die Sicherheit, dass wir es wieder tun können", sagt Torres - und lächelt so warm, wie es nur Killer können.

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