Spaniens Dani Olmo:Fast makellos

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Als Erster zur Stelle, aber nicht der letzte spanische Fehlschütze: Dani Olmo schießt seinen Elfmeter über das Tor von Gianluigi Donnarumma. (Foto: Andy Rain/Getty Images)

Als "falsche Neun" schwingt sich Offensivkraft Dani Olmo gegen Italien zur besten Turnierleistung auf - scheitert dann aber wie sein Stürmerkollege Álvaro Morata am Elfmeterpunkt. Der Zorn über den EM-K.-o. ist für ihn zusätzlicher Ansporn für das Fußball-Turnier bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Von Javier Cáceres, London

Rückschläge nagen an Dani Olmo nicht lange. Sagen jedenfalls die, die ihn wirklich bestens kennen. Und es heißt, dass er schon jetzt, im Alter von gerade einmal 23 Jahren, mehr über dieses Spiel namens Fußball wisse, als dass er sich über Gebühr an der Fahrkarte aus dem Elfmeterschießen gegen Italien aufhalten würde. So sehr sie auch einer der Faktoren war, die den Finaleinzug der Spanier verhinderten.

"Er ist mental unglaublich stark", sagt ein Vertrauter, der nicht namentlich genannt werden will, "am heutigen Morgen ( Mittwoch, Anm. d. Red.) dachte er daran, Elfmeter zu üben. Nicht, weil er seinem Fehlschuss nachhängt, sondern um es das nächste Mal besser zu machen." Und auch wenn das sicher nicht im Vordergrund stand: Ein wenig dürfte er sich gefreut haben, dass er nun auch bis in die hintersten Ecken des Königreichs Spaniens bekannt ist. Denn mit seinem Auftritt gegen Italien in Wembley gab er sich als ein formidabler Spieler zu erkennen, der fernab der Wahrnehmungsgrenze der spanischen aficionados agiert und zu einer vielseitigen Offensivkraft herangewachsen ist: zunächst bei Dinamo Zagreb, wo er als 16-Jähriger unterschrieb, inzwischen bei RB Leipzig in der deutschen Bundesliga.

"Sein Spiel war ungeheuerlich", sagt Spaniens Trainer Luis Enrique

"Das Spiel, das er heute geboten hat, war ungeheuerlich, unnormal", sagte Spaniens Trainer Luis Enrique in der Nacht von London. Fürwahr: Olmo hat auch in Leipzig gute Spiele geboten. Aber einen derart überzeugenden Auftritt wie jenen am Dienstag in Wembley gegen Italien hatte man seit seiner Ankunft in Deutschland vor gut anderthalb Jahren noch nicht gesehen.

Olmo agierte als so genannte "falsche Neun", und er wurde zur "Hieroglyphe, die die Italiener nicht entschlüsseln konnten", wie die Sportzeitung As schrieb. Er erkämpfte sich die beste und klarste Torchance, die Spanien in der ersten Halbzeit hatte, und scheiterte nur am brillanten Torwart Gianluigi Donnarumma. "Er ist ein sehr intelligenter Spieler mit sehr viel Qualität, der den Ball gut halten und gut zwischen den Linien agieren kann und grundsätzlich mit vielen Situationen blendend zurechtkommt", lobte Luis Enrique.

Olmo spulte sehr viele Kilometer ab, holte sich die Bälle im Mittelfeld ab und trieb sie nach vorn, diente als Anspielstation, wenn er mit dem Rücken zum Tor stand, und legte mit einem brillanten Vertikalpass das 1:1 durch Álvaro Morata auf. Nach den beiden Assists aus dem irrwitzigen Achtelfinale gegen Kroatien in Kopenhagen (n.V. 5:3) war es Olmos dritte Torvorlage des Turniers. In den Zeitungen Spaniens und Italiens hagelte es am Mittwoch dafür Bestnoten.

Dass man einen solchen Vortrag in deutschen Stadien noch nicht gesehen hat, liegt auch daran, dass die Leipziger Spielanlage unter Trainer Julian Nagelsmann eine andere war. Die Spanier zogen das Spiel gegen Italien viel stärker in die Breite, als Leipzig das zuletzt zu tun pflegte, und das verschaffte Olmo die Möglichkeit, Räume zu entdecken. Oder zu schaffen.

Der einzige Makel einer ansonsten spektakulär guten Partie war Olmos Fehler im Elfmeterschießen. Er hatte sich bereit erklärt, den ersten Elfmeter zu schießen, ein nicht unerhebliches Detail. Denn auch diesen Druck muss man zu schultern wissen; und passenderweise hat er sich schon seit langem darauf vorbereitet, mit Hilfe einer Sportpsychologin, die schon mit seinem Vater, einem Trainer, in Sabadell zusammengearbeitet hatte. Olmo war nicht der einzige, der verschoss. Morata tat es ihm gleich, und das hatte zur Folge, dass Spanien erstmals bei einem großen Turnier in einem Halbfinale scheiterte. Es war Morata darum auch kein Trost, dass er nun mit insgesamt sechs Toren der beste EM-Schütze der Geschichte Spaniens ist, vor Fernando Torres, der im Endspiel der EM 2008 das Siegtor gegen Deutschland erzielte.

Morata, so war zu hören, brach in der Einsamkeit der Kabine in Tränen aus. Olmo hingegen verspürte vor allem Zorn: darüber, dass Spaniens Mannschaft nicht einfuhr, was sie in seinen Augen verdient gehabt hätte, den Sieg. Doch er bediente schon bald sein Handy. Ein paar Tage Ruhe wird er sich nun gönnen, danach wird er sich zusammen mit den EM-Stammspielern Unai Simón, Pau Torres, Eric García, Pedri und Mikel Oyarzabal auf die Olympischen Spiele in Tokio vorbereiten. "Dies hier hat gerade erst angefangen", schrieb er in ein Sozialnetzwerk.

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