Spanien:Zaudern vor der ersten Stufe

Partido de LaLiga Santander entre la Rayo y el Valladolid En la imagen Ronaldo LaLiga Santander m; Ronaldo Valladolid

Erleichtert über das vorläufige Nein für den Fußball: Der frühere brasilianische Stürmer Ronaldo, Vorstand des Erstligisten Real Valladolid.

(Foto: Pablo Moreno/imago)

Auch in Spanien gibt es einen Plan zur Fortsetzung der Liga. Doch der wird vehement hinterfragt - von Politik, Gesellschaft und den Fußballern selbst.

Von Javier Cáceres, Berlin

Wer sich einen Begriff davon machen wollte, dass die Verunsicherung in Spaniens Fußball kaum noch zu steigern ist, wurde in der dortigen Sportpresse bestens bedient. "Die Liga ist in Gefahr", titelte dieser Tage die Zeitung Sport - und berichtete unter Berufung auf den engsten Führungszirkel des FC Barcelona, dass geprüft werde, zu Pflichtspielen nicht anzutreten. Was dann geschehen würde?

Ganz so will man das beim FC Barcelona nicht bestätigen, man werde sich nach den Vorgaben des Gesundheitsministeriums richten, heißt es vage. Aber wie ernst die Lage ist, zeigt der Umstand, dass der Chef des Arbeitgeberverbandes im spanischen Fußball, Javier Tebas, die Frage bei einer Führungskräftetagung durchspielte. Ein paar Disziplinarverfahren gäbe es gegen den betreffenden Klub, sagte der Vorsitzende der Liga de Fútbol Profesional (LFP); er würde die Punkte wegen Nichtantritt verlieren, sagte Tebas - "und am Ende würde er nach Hause gehen". Auf Spanisch: "pa' casa".

Die besondere Gemengelage in Spanien ergibt sich daraus, dass die Bevölkerung dort seit mehr als 40 Tagen eingesperrt lebt. Am Sonntag durften erstmals Kinder wieder vor die Tür, unter strikten zeitlichen und räumlichen Auflagen: maximal eine Stunde, in einem Radius von maximal einem Kilometer der eigenen Wohnung, mit höchstens drei Kindern. Erst am 2. Mai soll es erlaubt sein, mit Personen aus dem eigenen Haushalt spazieren zu gehen und Individualsportarten auszuüben. Das gibt auch dem Profifußball Hoffnung, spätestens in der zweiten Maiwoche die erste der vier Stufen des Neustartplans zu zünden. Diese Stufe sieht Einzeltraining vor - so ist es in einem 23-seitigen Protokoll aufgeführt, das der SZ vorliegt und das bis zum Mannschaftstraining reicht, also den Wettkampf an sich ausspart. Aber die Ungewissheit bleibt. Eine Gewähr für die Erlaubnis wollte Gesundheitsminister Salvador Illa nicht geben. Die linkssozialistische Regierung ächzt unter der Kritik der Opposition, die vor der maßlosen Instrumentalisierung der 23 000 Corona-Toten nicht Halt macht - vor allem durch die extreme Rechte. Der alte Spruch von der Show, die weitergehen müsse, geht in Spanien zurzeit niemandem so einfach über die Lippen. Und das sorgt für Zweifel auf allen Ebenen.

Ursprünglich sollten an diesem Dienstag die Profiteams einem Corona-Test unterzogen werden, der Termin wurde jedoch von der obersten Sportbehörde des Landes wieder abgeblasen. Die Tests müssen von den Behörden genehmigt werden, die Regierung verweigerte das. Es half nicht, dass die LFP vorher versucht hatte, Lobbyarbeit zu betreiben und für die Förderung des Breitensports und des Amateurfußballs 50 Millionen statt bisher 20 Millionen Euro springen ließ. Die Testkapazitäten hatte die LFP auf dem freien Markt gekauft, die Spieler sollen täglich getestet werden. Doch das Verständnis dafür, dass hoch bezahlte Millionäre überprüft werden, hält sich allein schon deshalb in Grenzen, weil derartige Tests offenkundig in anderen Bereichen fehlen - und 20 Prozent der Bediensteten des Gesundheitswesens mit dem Coronavirus infiziert sind.

Ein Zweitligaprofi will ohne Impfstoff nicht spielen

"Ich bin Arzt, und meine Kollegen sind an vorderster Front tätig. Ich kann verstehen, dass (die Testung von Fußballern) ethisch und moralisch von der Gesellschaft hinterfragt wird", sagte Rafael Ramos, Chef des Verbandes der Fußballmannschaftsärzte, der Zeitung El País. Es gab auch Erstligisten, die das vorläufige Nein der Regierung mit Erleichterung aufnahmen. Am deutlichsten wurde Real Valladolid, dem Brasiliens früherer Weltklassestürmer Ronaldo vorsteht. "Ich hätte mich nicht wohl dabei gefühlt, wenn eine mögliche Rückkehr zum Training nur in Verbindung mit wirtschaftlichen Erwägungen gestanden hätte", sagte David Espinar, Sprecher des Präsidiums und Vertrauter Ronaldos. "Wir reden über sehr ernste Dinge. Über allem steht die Gesundheit der Fußballer und aller Personen, die am Training und den Spielen beteiligt sind."

Und diese sind weitere Faktoren, die eine schnelle Öffnung bremsen. Die Mannschaft und das Trainerteam von Racing Santander, dem Schlusslicht der zweiten Liga, sprachen sich sogar öffentlich gegen einen Neustart aus. Dieser könne erst zur Debatte stehen, "wenn er kein Risiko darstellt, weder für unsere noch für die Gesundheit unserer Familien". Der Zweitligaprofi Fali vom Tabellenführer FC Cádiz ging sogar noch weiter. So lange es keinen Impfstoff gebe, würde er nicht spielen, "da höre ich lieber mit dem Fußball auf". Dass er dann lieber in einer Bar arbeiten würde, ist unter Infektionsgesichtspunkten womöglich nicht zu Ende gedacht.

Aber: Unter den Erstligaprofis rumort es angeblich ebenfalls, auch einige Topspieler wie Sergio Ramos oder Sergi Busquets sind in der Spielergewerkschaft organisiert. Dort sieht man nicht nur die Kasernierung kritisch, sie soll nach den Wünschen der LFP ab der vierten Phase des Neustart-Protokolls greifen. Auch ist unklar, was nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Falle eines positiven Tests passieren würde. Ginge dann die gesamte Mannschaft oder eine Person in Quarantäne? Zusätzliche Sorgen macht die Verletzungsanfälligkeit, wenn alle 72 Stunden gespielt werden sollte - möglicherweise im August, wenn es in Andalusien schon mal über 40 Grad Celsius haben kann. Denn realistisch gerechnet wird mit einem Neustart Mitte Juni, hört man aus gut unterrichteten Kreisen in Madrid.

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