Spaniens Regierung hat alle Mechanismen in Gang gesetzt, um Luis Rubiales, 45, als Präsident des spanischen Fußballverbandes RFEF wegen der "Kuss-Affäre" abzusetzen. Dies teilte der oberste Sportpolitiker des Landes, Víctor Francos, am Freitagabend auf einer Pressekonferenz in Madrid mit. Der Moncloa-Palast reagierte damit auf den Fehdehandschuh, den ihnen Rubiales wenige Stunden zuvor hingeworfen hatte.
"Ich werde nicht zurücktreten", hatte Rubiales mehrmals vor der Außerordentlichen Vollversammlung des Verbandes gesagt - unter dem Applaus einer Reihe von Anwesenden, darunter den Nationaltrainern der Männer, Luis de la Fuente, und der Frauen, Jorge Vilda. Rubiales prämierte Vilda mit dem Versprechen, seinen Vertrag für vier Jahre zu verlängern - zu deutlich verbesserten Bezügen. Statt bislang 170 000 Euro soll Vilda in Zukunft 500 000 Euro jährlich erhalten. Das wäre ein höheres Salär als De la Fuente bei den Männern bezieht.
Francos, der dem Obersten Sportrat CSD vorsteht, sagte, Rubiales sei weder nach Form noch Inhalt auf der Höhe der Lage gewesen. Im Gegenteil: Rubiales habe sie verschärft. "Bei allem institutionellen Respekt, den ein Präsident der RFEF verdient: Die Regierung hat heute die Schritte eingeleitet, damit sich Herr Rubiales vor dem Sportverwaltungsgericht (TAD) erklärt. Sollte das TAD dies für notwendig erachtet, werden wir Herrn Rubiales des Amtes entheben." Schon zuvor hatte Rubiales erklärt, sich dagegen mit allen juristischen Mitteln zu wehren.
Mehrere Weltmeisterinnen solidarisieren sich in Botschaften mit Hermoso
Rubiales hatte in einer gut 30-minütigen Rede unter anderem erklärt, dass der Kuss, den er der Weltmeisterin Jenni Hermoso bei der Siegerehrung auf den Mund gedrückt hatte, abgesprochen gewesen sei. Eine Videoaufnahme legt nahe, dass Rubiales sie, wie am Freitag in seiner Verteidigungsrede behauptet, tatsächlich fragte: "Ein Küsschen?" Eine Antwort Hermosos ist auf den Bildern nicht zu erkennen. Später sagte sie allerdings in der Kabine: "Das hat mir nicht gefallen."
Hermoso selbst äußerte sich am Freitagabend. "Ich möchte klarstellen, dass ich zu keinem Zeitpunkt dem Kuss eingewilligt habe, den mir der Präsident verpasst hat", teilte sie über ihre Berateragentur mit: "Ich toleriere nicht, dass an meinen Worten gezweifelt wird, und noch viel weniger, dass Worte erfunden werden, die ich nicht gesagt habe." Zuvor hatte ihre Berateragentur auf der Social-Media-Plattform "X" einen Post verschickt, in dem zu lesen war: "Für Jenni Hermoso, unsere Spielerinnen und die restlichen Athletinnen. Es ist der Moment gekommen, die Übergriffe zu stoppen." Mehrere Weltmeisterinnen setzten auf der gleichen Plattform Botschaften ab, in denen sie sich mit Hermoso solidarisierten. Unter ihnen war auch Alexia Putella vom FC Barcelona, die mehrmals Weltfußballerin war: "Dies ist nicht hinnehmbar. Es reicht." Später wurde ein weiteres Kommuniqué bekannt, in dem sie "Verhaltensweisen, die einen Angriff auf die Würde der Frauen darstellen", aufs Schärfste "verurteilen".
Und auch ihre Teamkolleginnen reagierten. Rund 80 spanische Fußballerinnen erklärten, dem Nationalteam nicht mehr zur Verfügung stehen zu wollen, wenn Rubiales bleibt. Weltmeister Spanien steht also faktisch ohne Nationalteam da.
Auch Männer-Profifußballer - die sich lange Zeit still verhalten hatten - meldeten sich zu Wort. Am Freitagabend stellte sich Real Madrid "mit Nachdruck" hinter die spanische Regierung. Der spanische Rekordmeister unterstütze das Amtsenthebungsverfahren vollumfänglich. Stürmer Borja Iglesias von Betis Sevilla erklärte, der Nationalmannschaft nicht mehr zur Verfügung stehen zu wollen, bis solche Vorfälle "nicht mehr straflos bleiben". Der frühere Weltklassetorwart Iker Casillas, Kapitän der Weltmeistermannschaft von 2010, nannte Rubiales Verhalten und Rede "zum Fremdschämen". Die wichtigsten Sponsoren des Verbandes verurteilten Rubiales ebenfalls. Dazu zählt die Fluggesellschaft Iberia. Wenn es zu Situationen komme, "die nicht zu einer entwickelten, modernen und egalitären Gesellschaft wie der spanischen passen, unterstützt Iberia die angemessenen und notwendigen Maßnahmen, um die Rechte und die Würde der Sportlerinnen und Sportler zu wahren." Ähnlich äußerte sich Spaniens Bahngesellschaft Renfe.
Besonders hart gingen spanische Politiker mit Rubiales ins Gericht. "Herr Rubiales weiß immer noch nicht, wo er ist und was er getan hat. Es ist nicht auf der Höhe der Zeit. Er muss jetzt sofort zurücktreten und uns weitere Peinlichkeiten ersparen", forderte Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz von der Linkspartei Sumar. Auch die Spielergewerkschaft Fifpro forderte "sofortige disziplinarische Maßnahmen" gegen Rubiales.
"Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen bisher nicht verstanden haben, was die Mitglieder der Fußballverbände im Umgang mit ihm als Präsident des RFEF erlebt haben", teilte Liga-Chef Javier Tebas mit, der Rubiales unter anderem frauenfeindliche Gesten, Beleidigungen und Erpressung vorwarf. "Wir leiden unter vielem und haben vieles angeprangert. Die Liste der Frauen und Männer, die in diesen Jahren von Luis Rubiales geschädigt wurden, ist zu lang und das muss aufhören", führte Tebas aus.