Spanien:Reals bittere Komödie

La Liga Santander - Valencia v Real Madrid

Albtraum in Rosa: Die Spieler von Real Madrid müssen begutachten, wie Valencias Carlos Soler beim 4:1-Erfolg einen von drei Elfmetern verwandelt.

(Foto: Juan Medina/Reuters)

Beim 1:4 in Valencia kassieren die Madrilenen erstmals drei Tore durch Elfmeter. Später ist der Zorn auf den Videoschiedsrichter groß - dabei hatten die Funktionäre Reals zuvor beteuert, dass sich Kritik am VAR nicht zieme.

Von Javier Cáceres, Valencia/Berlin

Im Jahr 2017 sorgte der heute 36-jährige Schiedsrichter Jesús Gil Manzano bei einem Spiel von Real Madrid in der Autonomen Gemeinschaft Valencia für ein Aufsehen, das unvergessen geblieben ist. In der Partie des FC Villarreal gegen den spanischen Rekordmeister pfiff er einen Handelfmeter, der Real Madrid zum 2:2-Ausgleich verhalf. Dass der Strafstoß umstritten war - bei einer Abwehraktion war Villareal-Profi Bruno von einem Kameraden aus nächster Nähe angeschossen worden -, das war das eine. Das andere war, dass Gil Manzano und seine Assistenten nach der Partie das Stadion mit voluminösen Tragetaschen verließen, auf denen das Wappen von Real Madrid zu sehen war. Hinterher hieß es beschwichtigend, in der Tasche seien Marketingartikel der Madrilenen gewesen; der Anschaffungswert der Ware - angeblich Anstecknadeln, Kugelschreiber, solche Dinge - habe kaum über jenem der edlen Papiertüte mit dem Real-Wappen gelegen.

Am Sonntagabend pfiff Gil Manzano wieder ein Spiel von Real Madrid, diesmal beim FC Valencia, 60 Kilometer von Villarreal entfernt. Anders als damals gab es von Madrid für Gil Manzano keinen Nepp, sondern allenfalls Verwünschungen. Denn beim 4:1-Sieg Valencias leistete sich Gil Manzano Unerhörtes: Er pfiff drei Elfmeter für einen Gegner Real Madrids, der nun nur Tabellenvierter ist. Das war nicht nur ein historischer Rekordwert, sondern auch von komödiantischen Begleitumständen geprägt: Angefangen damit, dass jedes einzelne Mitglied der Viererabwehr, die Real Madrids Trainer Zinédine Zidane aufgeboten hatte, seinen Teil zum Desaster beitrug, das beim Tor zum nur zwischenzeitlichen 1:0 des später verletzt ausgewechselten Karim Benzema (23.) nicht absehbar war. Die Strafstöße wurden von drei verschiedenen Verteidigern verursacht, der vierte Treffer war ein Eigentor des französischen Weltmeisters Raphael Varane.

Elfmeter Nummer eins ereignete sich nach etwa einer halben Stunde, weil Aushilfsrechtsverteidiger Lucas Vázquez bei einer Flanke im Strafraum den Arm ausfuhr. Und die Geschichte, die diesen Strafstoß zum 1:1 prägte, hatte es in sich: Madrids Torwart Thibaut Courtois wehrte den Schuss von Carlos Soler ab, dieser setzte zudem den Nachschuss an den Pfosten - erst der 17-jährige Yunus Musah drückte den Abpraller ins Netz. Aber Tor? Mitnichten!

Denn es meldete sich der Videoschiedsrichter (VAR) und befand, dass der Strafstoß wiederholt werden müsse. Bei der Ausführung hatten sich zwei Spieler - unter ihnen Musah - zu früh in den Strafraum gebeugt. Doch es half nichts, zumindest nicht aus Sicht von Madrid, denn diesmal verwandelte Soler sicher.

Kurz vor der Pause war dann ein missglückter Abwehrversuch von Reals Innenverteidiger Varane zu begutachten, dessen Querschläger im eigenen Tor landete. Und obwohl der Ball augenscheinlich mehr als einen halben Meter hinter der Linie war, nahm sich der VAR so viel Zeit, um auf Tor zu entscheiden, dass man meinen konnte, die Analytiker erledigten nebenher noch eine Briefwahl-Auszählung in den USA.

In der zweiten Hälfte verursachte Linksverteidiger Marcelo den nächsten Elfmeter, indem er Maxi López im Fünfmeterraum abräumte, wieder verwandelte Soler. Weil Kapitän Sergio Ramos schließlich seinen Kameraden offenbar nicht nachstehen wollte - und im Zweikampf mit Musah einen Faustballer mimte - stand es am Ende 4:1. Neuerlich war Soler angetreten und hatte sicher zum Endstand verwandelt.

Für die Verantwortlichen bei Real war das alles ein einziges Ärgernis. Noch in der vergangenen Saison hatte man oft und gern daran erinnert, dass es sich nicht gezieme, über den VAR zu klagen. Nun klagte Klublegende Emilio Butragueño, an Spieltagen Vereinssprecher, dass der VAR es vor dem 1:2 unterlassen hatte, sich a) "den ganzen Spielzug" anzuschauen und b) ein - allerdings eher fragwürdiges - Foul an Marco Asensio zurückzupfeifen. Und beim 1:3 habe kein Foul von, sondern an Marcelo vorgelegen. Sagte Butragueño.

Was das bedeutet? Trainer Zidane musste nach der Partie beim im Sommer total geplünderten FC Valencia einige Kritik einstecken. Unter anderem, weil er nach dem corona-bedingten Ausfall von Casemiro die Komposition des Mittelfelds offenkundig erwürfelt hatte und Toni Kroos auf die Bank setzte. In der Kritik aber steht vor allem Linksverteidiger Marcelo - der einzige Spieler Madrids, der bei jeder der neun Niederlagen Zidanes seit 2019 dabei war. Gil Manzano wiederum dürfte einstweilen seltener Spiele von Real pfeifen. Wobei sich seine Bilanz aus Sicht der Madrilenen sehen lassen kann: In 33 Spielen pfiff er elf Mal Elfmeter für Real.

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