Die Feier des 36. Meistertitels geriet atypisch, trotz umfassender Bemühungen aller Stände Real Madrids, Enthusiasmus zu transportieren. Die fußballspielende Belegschaft fertigte zunächst den abstiegsgefährdeten FC Cádiz souverän durch Tore von Brahim, Jude Bellingham und Joselu 3:0 ab - und schaute dann im VIP-Bereich mit Familienangehörigen, Mitarbeitern und Präsidiumsmitgliedern genüsslich am TV-Schirm zu, wie zwei Stunden später der FC Barcelona beim FC Girona mit 2:4 unterging.
Das Resultat bedeutete, dass Madrid der Meistertitel nicht mehr zu nehmen ist; vier Spieltage vor Saisonschluss steht Real mit 87 Zählern 13 Punkte vor Girona und 14 vor dem FC Barcelona. Ein paar Anhänger strömten zum Cibeles-Brunnen in der Madrider Innenstadt; in der Hoffnung, dass die Mannschaft doch noch in einen Bus steigt und dort, wie es die Tradition gebietet, mit den Fans feiert. Tat sie aber nicht.
Ein paar Hüpfer zu "Campeones"-Rufen gab es in den Katakomben des Bernabéu-Stadions, dann fuhren die Profis in ihre jeweiligen Domizile, um Sein und Bewusstsein auf das Rückspiel im Champions-League-Halbfinale gegen den FC Bayern München am Mittwoch einzuschwingen (Hinspiel 2:2). "Die Meisterschaft werden wir kommendes Wochenende feiern. Jetzt ist es wichtig, sich zurückzuhalten, der Mittwoch ist zu wichtig", sagte Trainer Carlo Ancelotti nach seinem zweiten Meistertitel als Real-Coach.
Der FC Girona zieht erstmals in die Champions League ein
Die Keuschheit der Madrilenen in der Stunde des Triumphs ließ die Blicke umso stärker nach Katalonien wandern, wo der FC Barcelona mit Trainer Xavi neuerlich kollabierte. Wie schon im Hinrundenspiel musste Barcelona gegen Girona vier Tore hinnehmen, und das ist in der Summe eine beispiellose Zahl. Kataloniens neue Nummer eins ist nicht nur Spaniens Nummer zwei, sondern auch die erste Mannschaft des 21. Jahrhunderts, die in Hin- und Rückrunde insgesamt acht Tore gegen Barcelona erzielte.
Nach der Pleite vom Samstag wuchs die Kritik an Xavi wieder - unter anderem, weil er jeden Anflug von Selbstkritik vermissen ließ. Er verstieg sich gar zu der Behauptung, dass in den direkten Duellen weder Real Madrid noch Girona fußballerisch besser gewesen seien als Barcelona. "Wäre ich Xavi, würde ich meine Zukunft überdenken", kommentierte der Herausgeber der Zeitung Sport. Nur: Genau das hat Xavi zur Genüge getan. Vor wenigen Wochen trat er ja vom Rücktritt zurück, den er noch im Januar ausgesprochen hatte.
Was es jenseits harscher Worte für Xavi auch zu lesen gab: Hymnen auf den FC Girona, der mit einem Bruchteil des Etats Barcelonas (60 zu 860 Millionen Euro) erstmals die Champions League erreichte - und dabei attraktiven Fußball bot. Gegen Barcelona lief das Team zweimal gegen Rückstände an; das 1:2 war nach der Einwechslung von Stürmer Portu, der mit einem Volleyschuss "das Tor der Saison" schoss, wie Trainer Míchel meinte, rasch in den 4:2-Endstand verwandelt. Er freue sich auf die Champions League, sagte Míchel. Und wünschte sich Gegner wie den FC Bayern, Milan, Inter Mailand daheim - und Liverpool und Dortmund auswärts, weil: "Die Gelbe Wand begeistert mich."