Süddeutsche Zeitung

Spanien gewinnt 1:0 gegen Kroatien:Schmucklos weitergezittert

Gegen taktisch kluge Kroaten genügt Titelverteidiger Spanien ein einziger gelungener Angriff für einen glücklichen 1:0-Sieg. Das spanische Kurzpassspiel droht über weite Strecken der Partie in Erfolglosigkeit zu ersticken - Kroatien verpasst es, seine Chancen zu nutzen und scheidet trotz vier Punkten in der Vorrunde aus.

Dem europäischen Fußballverband Uefa musste, ausnahmsweise, Sinn für Humor zugesprochen werden. Kurz vor der Partie zwischen Spanien und Kroatien sollten im Stadion von Danzig die Monitore im Medienzentrum getestet werden, also wurde ein fiktives Ergebnis eingeblendet. Die Uefa entschied sich für: ein 2:2. Nun war es endgültig ein genussvoller Abend für leidenschaftliche Verschwörungstheoretiker.

Vor der Partie gab es ja einige mathematische Überlegungen, es wurde munter gerechnet, welches Team bei welchen Ergebnissen weiterkommt. Bei einem 2:2 zwischen Spanien und Kroatien zum Beispiel hätten diese beiden Teams das Viertelfinale erreicht, Italien wäre ausgeschieden. Von einem möglichen Pakt war daher die Rede, vor allem in Italien.

Doch je länger das Spiel dauerte, umso mehr ließ der Genuss für Verschwörungstheoretiker nach. Durch ein Tor von Jesús Navas in der 87. Minute gewann Spanien glücklich 1:0. "Kroatien hat ein sehr gutes Spiel gemacht, aber am Ende haben wir bewiesen, dass wir das Spiel kontrollieren können", sagte der spanische Nationaltrainer Vicente del Bosque. Während sein Team weiter davon träumen kann, als erste Nation den Titel bei einer Europameisterschaft zu verteidigen, ist für Kroatien das Turnier vorbei.

Um letzte Zweifel an der Geschichte mit dem Pakt zu beseitigen, stellte del Bosque Fernando Torres in die Startformation. Das war ja auch eine Debatte, die Spanien mehr bewegt hatte als die mit dem Pakt: Spielt Spanien erfolgreicher mit einem sogenannten echten Neuner wie Torres, dem Doppeltorschützen beim 4:0 gegen Irland, oder mit einem sogenannten falschen Neuner wie Cesc Fàbregas, der gegen Irland und beim 1:1 gegen Italien getroffen hatte? Für die Variante mit Fàbregas hatte sich vor allem Fàbregas ausgesprochen, aber das hat del Bosque nicht beirrt, natürlich nicht.

Torres also spielte, in der vierten Minute köpfelte er den Ball am Tor vorbei, aber ansonsten war er kaum zu sehen. Die Kroaten wählten eine defensive Taktik, die den Titelverteidiger vor erhebliche Probleme stellte. Anders als in den ersten beiden Partien schickte der kroatische Trainer Slaven Bilic nur einen Stürmer auf das Feld, Mario Mandzukic.

Der Angreifer des VfL Wolfsburg war der einzige in diesem System, der von der Verteidigung weitgehend ausgenommen war. Ansonsten zurrten die Kroaten zwei Viererketten vor dem eigenen Strafraum zusammen, selbst der Spielmacher Luka Modric bewegte sich stets auf den ballführenden Spanier zu. So verdichteten die Kroaten die von den Spaniern so geliebten Räume im Zentrum des Spielfeldes, jenen Abschnitt, durch den der Weltmeister sich so gerne mit kurzen Pässen vor das Tor kombiniert.

Und so fanden die Spanier nur selten in dieser kroatischen Staffelung eine Lücke. In der zwölften Minute etwa passte David Silva in den Strafraum, Andrés Iniesta erreichte den Ball aber nur mit der Fußspitze, er schob ihn zu schwach auf das Tor. Es war einer der wenigen Momente, in denen die spanische Kombinationskunst aufblitzte. Irgendwann kümmerten sich sogar die Innenverteidiger um den Torabschluss, sowohl Sergio Ramos (23.) als auch Gerard Piqué (24.) trafen mit ihren Fernschüssen aber nicht das Tor. Fernschüsse: Ästheten wie Iniesta und Xavi sind diese ein Gräuel.

Wie die Kroaten selbst torgefährlich werden wollten, das blieb lange unklar; bei einem torlosen Unentschieden und einem gleichzeitigen Sieg der Italiener wären sie ja ausgeschieden. Doch plötzlich stand Danijel Pranjic am Eck des spanischen Strafraums, und dies schien ihn selbst am meisten zu überraschen: Mehr als ein harmloses Schüsschen glückte ihm nicht (25.).

Zwei Minuten später folgte der größte Aufreger der Partie: Mandzukic setzte sich gegen Piqué durch, dann rauschte Ramos heran, ungestüm und unfair, er traf Mandzukic auf der Strafraumgrenze an der Fußspitze. Doch der deutsche Schiedsrichter Wolfgang Stark pfiff keinen Elfmeter, es gab einen Eckball. Es war ein kleiner Lichtblick für Verschwörungstheoretiker.

Im zweiten Durchgang musste Kroatien mehr riskieren, sie benötigten ja einen Sieg zum Weiterkommen, und so näherten sie sich durch schnelles Umschalten häufiger dem spanischen Tor. In der 59. Minute parierte Iker Casillas einen Kopfball von Ivan Rakitic glänzend, danach wechselte Bilic mit Ivan Perisic und Nikica Jelavic zwei offensive Spieler ein. Bei Spanien kam in der 73. Minute Cesc Fàbregas für Silva, aber das bewirkte zunächst wenig.

Spanien hatte mehr Ballbesitz, aber weiter lange keinen nennenswerten Torabschluss. Stattdessen gab es noch eine gute Chance für Kroatien, doch auch Perisic konnte Casillas mit seinem Schuss aus dem Strafraumeck nicht überwinden (79.). "Wir hatten die besten Chancen im Spiel", sagte Bilic, "wenn man gegen den Weltmeister spielt, muss man solche Chancen nutzen."

So genügte dem Titelverteidiger am Ende ein einziger gelungener Angriff: Xavi lupfte den Ball auf Iniesta, der frei im Strafraum stand und zu Navas passte; dieser musste den Ball nur noch ins leere Tor schieben. Es war ein Spielzug, der zumindest leidenschaftliche Fußball-Ästheten noch versöhnte.

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SZ vom 19.06.2012/jbe
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