Sotschi:Pulver, Schnee und eine Traumaussicht

"Die Alpen - nur größer!" - Wie Skilegende Karl Schranz seinem Sportsfreund Putin bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2014 hilft.

Daniel Brössler

Über die neue Skibasis hoch über dem Örtchen Krasnaja Poljana sind mindestes zwei Dinge zu sagen. Zum einen liegt sie auf 1448 Metern. Das verspricht in dieser Gegend ziemlich sicheren Schnee.

Zum anderen gehört sie dem russischen Gazprom-Konzern. Das verspricht, nicht nur in dieser Gegend, einigen Komfort. Die Gäste, unter ihnen ein drahtiger grauhaariger Herr, können den Weg von der Tal- zur Bergstation an diesem wolkigen Morgen daher in einer der bequemen Sechs-Personen-Kabinen einer nagelneuen Seilbahn zurücklegen.

Pulver, Schnee und eine Traumaussicht

Es handelt sich um eine Bahn aus dem österreichischen Hause Doppelmayr, was der drahtige Herr natürlich sofort bemerkt. Er trägt einen blauen Anorak mit einem Aufnäher der Sparkasse Imst. Weltweit, versichert der Mann, gebe es eigentlich keinen besseren Hersteller als jenen aus Österreich.

Er sagt das mit einiger Zufriedenheit, denn in der Angelegenheit, die ihn aus Tirol in die Berge des Kaukasus geführt hat, liefert die Doppelmayr-Seilbahn ja wieder einen kleinen Pluspunkt. Man könnte sogar sagen, dass sie einer gemeinsamen Mission dienen - die moderne Seilbahn aus der Marktgemeinde Wolfurt in Vorarlberg und der Hotelier aus St. Anton, der wegen seiner Erfolge bei Weltmeisterschaften als Skirennläufer zur Legende geworden ist.

Wie so oft im Leben von Karl Schranz dreht es sich bei dieser Sache um Olympia. Gewonnen hat er ja nie, obwohl er von 1960 bis 1968 dreimal dabei gewesen ist. 1972, in Sapporo, haben sie ihn nicht an den Start gelassen, weil er gegen die Amateur-Regel verstoßen haben soll. Schranz sieht sich bis heute als letztes Opfer einer überkommenen Regel, die danach gefallen ist.

Für Schranz ist seine Geschichte mit Olympia jedenfalls nicht abgeschlossen, was ihn vielleicht besonders empfänglich gemacht hat für die Bitte des Manns aus Moskau. ,,Präsident Putin hat mich gefragt, ob ich ihm helfen könnte bei der Bewerbung von Sotschi für die Olympischen Winterspiele 2014'', sagt Schranz und zeigt ein gewinnendes Lächeln. Bester Laune sitzt der dreimalige Weltmeister auf einem Barhocker im gut beheizten Gazprom-Zelt und nippt an einem Glas Wasser.

Unten Palmen, oben Pisten

Mit einer Privatmaschine ist er tags zuvor in Österreich abgeholt worden, um rechtzeitig auf diesem Berg zu sein. Wundern tut er sich darüber nicht. Er hat dergleichen schon erlebt im Laufe seiner etwas ungewöhnlichen Sportkameradschaft mit Wladimir Putin. Um dieser Kameradschaft mit seinem einstigen Skischüler willen hat Schranz eingeschlagen und Putin versprochen, ihn bei der Olympia-Bewerbung zu beraten. Ein wenig heikel ist das, denn Sotschi konkurriert nicht nur mit dem südkoreanischen Pjöngchang, sondern auch mit dem österreichischen Salzburg.

,,Ich bin nicht gegen Salzburg'', sagt Schranz, der nicht als unpatriotisch erscheinen will, aber ,,wie es im Sport heißt: Jeder hat eine Chance.'' Dann zählt er mit Begeisterung die Vorzüge der subtropischen Region Sotschi auf, die bisher weniger als Skigebiet denn als Sommerfrische wechselnder Kremlherren zu Ruhm gekommen ist.

Am Palmenstrand von Sotschi machen Jahr für Jahr Millionen Russen Urlaub - und genießen dabei auch ein grandioses Bergpanorama. Diese Berge sollen nach dem Willen Putins nun endlich auch im Skisport zur Geltung kommen. ,,Vom Skigebiet her ist Sotschi sehr gut. Es muss nur noch besser erschlossen werden'', lobt Schranz, was Missgünstige vielleicht als kleine Untertreibung bezeichnen würden. In dieser Woche weilen die zwölf Männer und vier Frauen der Bewertungskommission des Olympischen Komitees in Sotschi, und es steht zu befürchten, dass auch sie die Region als Wintersportort bislang nicht recht ernst nehmen.

Sie zu überzeugen, hat sich Putin höchstpersönlich zur Aufgabe gemacht. Vor allem aus diesem Grund hat sich bei Gazprom auf dem Berg eine bunte Truppe versammelt. Die Kinder von der zur ,,olympischen Reserve'' zählenden 6. Sportschule in Krasnaja Poljana sind da und auch die schöne Swetlana Gladyschewa. Sie hatte 1994 bei den Olympischen Spielen in Lillehammer für Russland eine Silbermedaille im Super-G errungen. An der Bar steht der leutselige Leonid Tjagatschow, der Präsident des Russischen Olympischen Komitees.

Pulver, Schnee und eine Traumaussicht

Draußen schneit es, die Sicht ist schlecht. ,,Kommt Putin wirklich?'', will Schranz von Tjagatschow wissen. ,,Sicher'', entgegnet der Russe munter. Die Schau findet statt, kein Zweifel. Etwas später kommt tatsächlich Bewegung in die Wintersport-Gesellschaft. Die Sportschüler nehmen mit ihren Skiern Aufstellung unweit des Doppelmayr-Lifts, daneben postieren die Leute vom Kreml Schranz und die anderen Skisportler. Den Kindern ist schon ein bisschen kalt geworden und langweilig vom Anblick der leer auf- und abfahrenden Kabinen mit dem großen G wie Gazprom, als schließlich der Präsident doch noch der Bahn entsteigt. Sein blau-roter Skianorak ist auf dem Rücken verziert mit der Aufschrift Russia und den Umrissen des großen Russland. In Brusthöhe steht in Gold geschrieben: Mr. Vladimir Putin.

Mr. Putin ist ein guter Skifahrer und kein übler Verkäufer. Nach einem kurzen Fototermin mit den Ski-Kindern und einem kurzen Plausch mit Karl Schranz schnallt er die Bretter an. Routiniert wedelt er den Abhang hinunter, um sich vom Schneemobil gleich wieder hinaufziehen zu lassen. Die Bilder gehen natürlich um die Welt - als Reklame für Sotschi und Werbung für einen sportlichen Präsidenten. Sportkamerad Schranz schaut sich das aus sicherer Entfernung an.

,,Bei diesem Wetter brauche ich nicht skifahren'', sagt er, aber mit der Leistung seines Schülers ist er zufrieden. ,,Den kurzen Schwung hat er bei mir gelernt'', sagt er. Das war 2001. Putin war damals zur Ski-WM nach St. Anton gereist und hatte nebenbei bei Karl Schranz Privatstunden genommen. Skifahren konnte Putin auch schon zuvor, nur mit dem kurzen Schwung wollte es eben nicht so klappen. ,,Er ist sehr talentiert, weil er sehr sportlich ist'', sagt Schranz. Putin und Schranz mochten einander, und am Ende des Skiurlaubs entschied der Präsident: ,,Karl, du kommst mich in Moskau besuchen.'' Das ist nun schon öfter passiert, wobei Schranz dem Russen auch schon mal auf dem Kremlparkett Übungen gegen Rückenschmerzen gezeigt hat.

Als Putin nach vier Abfahrten mit Schranz auf einen Glühwein im Gazprom-Zelt zusammensitzt, reden die beiden über die Chancen von Sotschi. Schranz soll die Schwarzmeer-Region bei der alpinen Infrastruktur beraten und verheimlicht nicht, dass da eine Menge zu tun bleibt. Taugliche Pisten für Abfahrten oder Slalom existieren zum Beispiel bisher nur als schöner Plan. Doch genau darin besteht aus Sicht der Russen der Charme ihrer Bewerbung.

,,In Sotschi werden alle Objekte ultramodern sein'', wirbt Russlands Vizepremier Alexander Schukow, der mit Putin und Finanzminister German Gref am Abend im noblen Sanatorium Russ versucht, Eindruck auf die Mitglieder der Auswahlkommission zu machen. Dem Finanzminister bleibt es überlassen, begleitet von einer Videoanimation im Stil von Google Earth, das Zahlenwerk vorzutragen. 314 Milliarden Rubel seien für die Olympia-Pläne vorgesehen, rechnet er vor. Das sind immerhin 9,1 Milliarden Euro, von denen etwa zwei Drittel aus dem Staatshaushalt kommen sollen. Russland, so lautet die Botschaft ans Olympische Komitee, ist bereit, eine Menge Geld in die Spiele zu investieren.

Zum Ende der Präsentation tritt Putin selbst ans Mikro - ,,buchstäblich auf zwei Worte'', wie er sagt. Es werden dann doch ein paar mehr. ,,Schauen Sie sich die Karte Russlands an'', bittet er, ,,Russland ist das größte Land der Welt, aber es liegt hauptsächlich im Norden. Wir haben nicht viele solcher Gebiete wie hier am Schwarzen Meer.'' Ein besonderer Ort sei das, denn ,,hier unten ist das Klima subtropisch, aber oben haben wir Berge und Schnee.''

Und dann schwärmt er vom Ski-Ausflug am Nachmittag, sechs Meter Schnee habe es da gehabt. Im Publikum sitzt auch Karl Schranz und lauscht. ,,Schnee ist ein Kriterium'', meint dieser. Erkennbar teilt der Österreicher die Begeisterung des Präsidenten. ,,Die Berge im Kaukasus sind wie die Alpen'', schwärmt er. ,,Nur größer.''

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