Sonntagsspiele der Fußball-Bundesliga:Nürnberger Krümelmonster

1. FC Nürnberg - Hannover 96

Hat eine japanische Flanke verwandelt: Nürnbergs Verteidiger Timm Klose.

(Foto: dpa)

Glücksgefühle in der Nachspielzeit: Timm Klose erzielt den ersten, Sebastian Polter den letzten Ausgleichstreffer beim 2:2 des Club gegen Hannover - und die Fankurve feiert mit "Muuuu"-Rufen Neuzugang Kanazaki. Auch Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia muss bis zur allerletzten Minute um das Ende seiner Negativserie zittern.

Von Andreas Glas, Nürnberg

In Nürnberg ist am Wochenende viel Bier geflossen. Als vor ein paar Tagen durchgesickert war, dass die Fußballarena des 1. FC Nürnberg künftig "Grundig-Stadion" heißen wird, hatte sich ein Fanklub kurzerhand die entsprechende Internetadresse gesichert. Am Freitag dann gelang - nach angeblich zähen Verhandlungen - die Einigung: Der Fanklub bekam 20 Kisten Bier, der Elektronikkonzern im Gegenzug die Rechte an der Internetseite.

Ein bisschen erinnerte das an die "Krümelmonster-Affäre" um den goldenen Keks, den ein Unbekannter jüngst von der Fassade einer Gebäckfabrik in Hannover geklaut hatte - und erst gegen eine Spende von 52.000 Keksen an 52 soziale Einrichtungen zurückgab. Die Spieler des 1. FC Nürnberg und von Hannover 96 hätten sich am Sonntagnachmittag also auch lustige Erpressergeschichten aus ihrer jeweiligen Stadt erzählen können. Stattdessen wurde Fußball gespielt. Und auch das war unterhaltsam. Das Spiel endete 2:2.

Während Hannovers Mirko Slomka sein Team gegenüber der 1:3-Europa-League-Pleite am Donnerstag bei Anschi Machatschkala auf vier Positionen veränderte, schickte Club-Trainer Michael Wiesinger zum dritten Mal nacheinander die gleiche Mannschaft aufs Feld. Zunächst auf der Bank blieb also der japanische Winterzugang des Club: Mu Kanazaki.

Dafür wirbelte Hiroshi Kiyotake, Nürnbergs zweiter Japaner, praktisch für zwei. Frei gespielt von Timmy Simons, dribbelte Kiyotake an Hannovers Innenverteidiger Johan Djourou vorbei, setzte seinen Schuss aber knapp neben das Tor (19.). Überhaupt machten die Nürnberger in der ersten halben Stunde ein gutes Spiel: hinten kompakt, vorne quirlig. Neben Kiyotake sorgte auch Tomas Pekhart für Unruhe.

Debüt für "Muuuu"

Hannover 96 wirkte dagegen müde vom Europapokal-Ausflug nach Russland. Außer ein paar hohen, aber nur selten präzisen Flanken in den Nürnberger Strafraum ging kaum etwas zusammen. Weil der 1. FC Nürnberg gegen Ende der ersten Halbzeit nachlässiger wurde, ergaben sich trotzdem ein paar kleinere Chancen, und in der 41. Minute fiel schließlich das 0:1: Nach einem Konter ließ sich Timm Klose von Szabolcs Huszti ausspielen - der Ungar schob den Ball an Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer vorbei ins Tor. "Ich muss den Zweikampf energischer führen und darf ihn nicht so einfach vorbeigehen lassen", sagte Klose nach dem Spiel schuldbewusst.

Nach der Halbzeitpause zeigte dann Kiyotake, was er noch besser kann als dribbeln und wirbeln: Freistöße schießen. Seine Freistoßflanke aus etwa 30 Metern landete auf dem Hinterkopf von Klose, der den Ausgleich erzielte (53.). Es war bereits das achte Mal in dieser Saison, dass Kiyotake ein Tor nach einer Standardsituation einleitete. In der 62. Minute kam dann Kanazaki zu seinem ersten Liga-Einsatz - und bereitete gleich einen gefährlichen Torschuss von Markus Feulner vor (64.).

"Du verlierst die Hoffnung, je länger das Spiel geht"

Besser machte es kurz darauf Didier Ya Konan, der zur 1:2-Führung für Hannover traf (68.). Zuvor hatte ausgerechnet Kiyotake, Nürnbergs Bester, den Ball verloren. Mirko Slomka sah das Tor von der Tribüne aus, wohin ihn Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer wegen Meckerns geschickt hatte (65). Nachdem Hannover durch Diouf (73.) und Pinto (84.) noch zwei gute Chancen ausließ, kam der 1. FC Nürnberg erst am Ende des Spiels wieder gefährlich vor das Tor. Erst traf Kiyotake die Latte (90.), dann erzielte der eingewechselte Sebastian Polter in der Nachspielzeit doch noch das 2:2.

Obwohl der finale Pass von Timothy Chandler kam, feierten die Zuschauer den Vor-Vorbereiter Kanazaki mit lang gezogenen "Muuuuuu"-Rufen. Böse war Chandler den Fans trotzdem nicht: "Es ist eben einfacher, Mu zu schreien als Chandler", sagte Nürnbergs Rechtsverteidiger grinsend. Überhaupt lächelten nach dem späten 2:2 vor allem die Nürnberger. Während Hannovers André Hoffmann "enorm traurig" war, "über zwei verlorene Punkte im Kampf um die europäischen Plätze", freute sich Club-Trainer Wiesinger noch eine Stunde nach dem Schlusspfiff über das Glücksgefühl in der Nachspielzeit: "Du verlierst die Hoffnung, je länger das Spiel geht: noch drei Minuten, noch zwei Minuten - und dann kommt doch noch so ein Punch." So krümeln sich seine Nürnberger gerade ihre Punkte zusammen.

Hoffenheim zielt auf die Relegation

Der VfB Stuttgart hat im Derby bei der TSG Hoffenheim seine Negativserie beendet - und den direkten Klassenerhalt für Hoffenheim fast schon zur "Mission Impossible" gemacht. Der österreichische Stürmer Martin Harnik erzielte beim 1:0 (1:0) der Schwaben am Sonntag das Tor des Tages (3.) und ließ seine Kollegen sowie Trainer Bruno Labbadia nach zuletzt fünf Bundesliga-Niederlagen hintereinander jubeln.

Durch den erneuten Rückschlag im Kraichgauer Krisengipfel vor 28.750 Zuschauern in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena steckt Hoffenheim auf dem Relegationsplatz fest. Stuttgart vergrößerte den Abstand auf die Abstiegszone auf beruhigende zwölf Punkte, bei der TSG verschärft sich die Situation vor dem anstehenden Duell im Kampf um den Klassenverbleib am Samstag beim Tabellen-17. FC Augsburg hingegen weiter.

Schon nach 145 Sekunden war die Hoffenheimer Hoffnung auf den ersten Liga-Heimsieg gegen den schwäbischen Rivalen wieder dahin. Eingeleitet von einem öffnenden Pass von Harnik setzte sich Ibrahima Traoré auf der linken Außenbahn gegen Andreas Beck durch und flankte maßgenau in die Mitte. Da sich Hoffenheims Linksverteidiger Fabian Johnson dort ein wenig konfus nach innen orientierte, drückte der freistehende Harnik den Ball per Kopf unter die Latte.

Wenig Gefahr aus Hoffenheim

Auch nach dem 46. Gegentor dieser Saison machten die Gastgeber ihrem Ruf als Schießbude der Liga alle Ehre. Bis zum eigenen Strafraum ließen sie die Stuttgarter ungestört kombinieren, sowohl die Schüsse von Traoré (8.) und Vedad Ibisevic (13.) strichen knapp am Tor von Heurelho Gomes vorbei. Der VfB agierte deutlich zielstrebiger, nutzte die angebotenen Lücken aus. Hoffenheim mussten neben den Dauerverletzten Sebastian Rudy, Sejad Salihovic und Sven Schipplock auch auf Neuzugang Luis Advincula (nach Autounfall) und den gesperrten Roberto Firmino verzichten. Nach seiner Pöbelei und Geldstrafe bei einer Faschingsparty saß Tobias Weis bis zu seiner Einwechslung in der 54. Minute nur auf der Bank.

Obwohl TSG-Coach Marco Kurz erstmals auf Joselu und den weiter torlosen Neuzugang Igor de Camargo gemeinsam im Angriff setzte, sorgte der Zwei-Mann-Sturm nur für wenig Gefahr. Der Schuss von Joselu (38.), der leicht abgefälscht nur um wenige Zentimeter den linken Pfosten verfehlte, blieb die einzige nennenswerte Hoffenheimer Gelegenheit der ersten Halbzeit. "Wir sind schlecht in die Partie gestartet, das macht das Spiel viel schwieriger für uns", meinte Rudy.

In der Schlussphase drängte Hoffenheim mit wütenden Angriffen auf den Ausgleich, blieb aber vor dem gegnerischen Tor erschreckend harmlos.

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