Sonderkontrollen vor Bayern-Spiel:Geht da ein Guerilla-Trupp ins Stadion?

Messer, Schlagstöcke, Sturmhaube, Pfefferspray, Kokain: Rund um das Fußballspiel des FC Bayern gegen Frankfurt haben Polizei und Ordnungsdienst einiges an Kriegsgerät konfisziert. Doch mit den neuen "Durchsuchungszelten" hat das wenig zu tun. Der Konflikt von Vereinen und Polizei mit den Fans spitzt sich zu.

Thomas Hummel

Bayern München - Eintracht Frankfurt

Umstritten: die "Durchsuchungszelte" vor dem Münchner Stadion.

(Foto: dpa)

Der Konflikt zwischen Klubs, Verbänden und Polizei auf der einen Seite sowie den so genannten aktiven oder organisierten Fußballfans spitzt sich weiter zu. Zum dem Schluss muss kommen, wer die Geschehnisse und die Debatte rund um die "Durchsuchungszelte" vor dem Münchner Stadion am Samstag beim Spiel FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt verfolgt. Offenbar stehen sich hier zwei Parteien gegenüber, die partout die Kraftprobe suchen.

Doch von vorne: In der Debatte um Gewalt rund um Fußballspiele hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) nach Gesprächen mit dem Deutschen Fußball Bund (DFB) und unter dem Druck der Innenministerkonferenz das Papier "Sicheres Stadionerlebnis" vorgelegt. Damit soll Pyromanen und Krawallmachern unter den Fans Einhalt geboten und das Produkt Profifußball in Deutschland geschützt werden. Einzelne Maßnahmen in diesem Papier sind allerdings umstritten, zum Beispiel die Forderung, vor dem Stadion Zelte aufzustellen oder Zonen zu schaffen, in denen ausgewählte Zuschauer sich einer gründlichen Untersuchung unterziehen müssen. Weigern sie sich, dürfen sie nicht ins Stadion.

Mehrere Vereine halten diese Maßnahme für übertrieben, Anwälte gar für rechtswidrig. Mitten in die Diskussion stellt der FC Bayern in Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei zwei Zelte auf und bittet vor dem Frankfurter Fanblock zur Kontrolle. Die Aktion ist den Frankfurtern zuvor nicht angekündigt worden, "das haben wir durch Zufall aus Münchner Quellen erfahren", erklärt der Eintracht-Fanbeauftragte Marc Francis. Einige Fans weigerten sich, sich der Kontrolle zu unterziehen, zwischen 250 bis 500 Frankfurter blieben deshalb vor dem Stadion. Die Fans führen an, dass hier ihre Menschenwürde angetastet werde. Die Polizei spricht von "Boykotteuren".

Die Staatsgewalt war jedenfalls verwundert, dass sich auch die Frankfurter Fanbeauftragten dem Boykott anschlossen. Francis sagt, er sowie Mitarbeiter des mitgereisten Frankfurter Ordnungsdiensts und die stellvertretende Sicherheitsbeauftragte der Eintracht hätten darum gebeten, Zugang zum Zelt zu erhalten, um zu sehen, was darin vorgehe. Sie seien aber vom Münchner Ordnungsdienstleiter abgewiesen worden. Daraufhin blieben sie vor dem Stadion bei den protestierenden Fans.

Der FC Bayern verteidigte die Maßnahme damit, dass die Begegnung von der Polizei und vom DFB als "Spiel mit erhöhtem Sicherheitsrisiko" eingestuft worden sei. Mediendirektor Markus Hörwick erklärte, ähnliche Aktionen habe es bereits vor Champions-League-Spielen gegeben und auch andere Bundesliga-Klubs verfügten über derartige Zonen. Fanvertreter halten dagegen, dass die Lager des FC Bayern und der Eintracht nicht verfeindet seien und es bei diesem Spiel zudem noch keine Vorfälle gab. Auch Pyrotechnik sei in der Münchner Arena bei Heimspielen gegen Frankfurt nie gezündet worden.

Der Klub erklärt, "bei diesen Kontrollen handelte es sich weder um sogenannte 'Nackt-Scanner', noch um Untersuchungen, bei denen sich Personen 'ausziehen' mussten." Von etwa 6600 Frankfurter Fans seien lediglich 30 bis 40 Personen gebeten worden, ihre Jacken abzulegen und die Taschen überprüfen zu lassen. Weiter heißt es: "Bei den Kontrollen am Samstag wurden im Übrigen von der Polizei und dem Ordnungsdienst u.a. 20 Messer, 2 Schlagstöcke, 1 Schlagring, 1 Sturmhaube, Pfefferspray und Kokain sichergestellt. Insgesamt wurden laut Polizeibericht rund um das Spiel 13 Personen festgenommen, weitere zehn wurden in Gewahrsam genommen."

20 Messer? Schlagstöcke und Kokain? Geht da ein Guerilla-Trupp ins Stadion?

Konflikt schaukelt sich hoch

In den Sonderzelten wurden die Krawallutensilien indes nicht gefunden. Wie der Polizeibericht darlegt, wurden die Schlagstöcke, der Schlagring, die Sturmhaube und mehrere Spraydosen "bei der Kontrolle von vier Frankfurter Fußballfans vor dem Spiel auf einem nahe gelegenen Parkplatz" konfisziert. Ferner sei es zu einem Zusammenprall von Frankfurter und Münchner Fans auf dem Busparkplatz gekommen, dort gab es zwei Verletzte. Dabei sei ein Frankfurter Fan abgehauen, die Polizei habe ihn aber erwischt und bei ihm eine "Ampulle Kokain aufgefunden". Die 20 Messer seien im Umfeld des gesamten Stadions gefunden worden, teilt der FC Bayern mit. Ob sich darunter auch harmlose Taschenmesser von normalen Zuschauern befanden, war am Dienstag nicht mehr klar.

Die draußen stehenden Frankfurter Fans rüttelten während des Spiels derart an einem Nottor, dass dies kaputt ging. Ein auf Youtube veröffentlichtes Video schildert die Situation und verdeutlicht das Dilemma: Polizei und Fans stehen sich provokativ gegenüber, die verbal mächtig auftretenden Fans fühlen sich gegängelt, die hochgerüstete Polizei spürt ein Bedrohungspotenzial und setzt ihr Gewaltmonopol durch. Von Maßnahmen zur Deeskalation oder gar Dialog ist nichts zu sehen.

Die Polizei bilanzierte: "Insgesamt war es bei dem Spiel zu 23 Freiheitsentziehungen gekommen, davon handelte es sich um 13 Festnahmen und 10 polizeiliche Gewahrsamnahmen." Bei den Straftaten handelte es sich vornehmlich um Körperverletzung, Widerstand gegen Beamte, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung oder Beleidigung. Hörwick vom FC Bayern sagt: "Wir wollen die 70.750 friedlichen Zuschauer schützen vor den 250 Krawallmachern. Das ist unsere Aufgabe."

Was bleibt, ist eine neue Episode der Konfrontation. Auf beiden Seiten herrschen offenbar Lust und Drang, sich gegenseitig zu provozieren und auszutesten, wer der Stärkere ist. Manches grenzt auf beiden Seiten an Hysterie. Warum sonst überrumpeln die Münchner "unter Aufsicht des DFB" die Frankfurter Fans mit dieser Maßnahme, die sogar unter Juristen umstritten ist? Wieso müssen Verein und Staat derart Stärke zeigen, statt den Dialog zu suchen? Warum reisen Frankfurter Fans mit Schlagstöcken und Spraydosen zum Auswärtsspiel? Wer bringt ein Messer mit ins Stadion? Und warum boykottieren die Fans die Maßnahme und gehen nicht lächelnd rein, um der Polizei zu verdeutlichen, dass nichts zu befürchten ist?

Die Münchner Polizei betont, dass es sich um eine mit ihr abgestimmte Aktion handelte, die notwendig und auch geeignet gewesen sei, "um Frankfurter Problemfans von der Verwendung pyrotechnischer Gegenstände abzuhalten". Die Fangruppen fühlen sich provoziert und gedemütigt, halten die Aktion für unverhältnismäßig. Die friedlichen Kräfte verlieren zunehmend an Bedeutung.

Der Konflikt steuert auf eine Eskalation hin, mäßigende Stimmen sind kaum mehr zu vernehmen oder werden übertönt vom Getöse der Konflikttreiber. Fortsetzung folgt.

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