Sommermärchen-Affäre:"Ich schwöre zu Gott, es war nicht für die WM"

Franz Beckenbauer und Mohamed bin Hammam

Einst sehr gute Bekannte: Mohamed Bin Hammam und Franz Beckenbauer.

(Foto: dpa)
  • Nach jahrelangem Schweigen äußert sich Mohamed Bin Hammam zur Sommermärchen-Affäre.
  • Er bestätigt, die mysteriösen 6,7 Millionen Euro aus dem Kreise der WM-Organisatoren um Franz Beckenbauer erhalten zu haben
  • Er besteht aber darauf, dass mit dem Geld nicht seine Stimme gekauft wurde.

Von Thomas Kistner

Nach jahrelangem Schweigen hat Mohamed Bin Hammam nun eine Aussage zur deutschen Sommermärchen-Affäre getroffen. Das sorgt für Aufregung, substanziell aber hat der frühere Vorstand im Fußball-Weltverband Fifa gegenüber dem ZDF nur bestätigt, was seit zwei Jahren unbestritten ist: Dass er 6,7 Millionen Euro (damals 10 Millionen Schweizer Franken) aus Kreisen deutscher WM-Organisatoren erhalten habe. Die Summe ist nach Stand internationaler Ermittlungen von Franz Beckenbauer und dessen verstorbenem Manager Robert Schwan im Jahr 2002 an Bin Hammams Baufirma Kemco in Katar geflossen.

Seit Ruchbarwerdung des Vorgangs im Zuge der Affäre wird über Stimmkäufe der damaligen Deutschland-Bewerber im Weltverband spekuliert. Die Bewerber unter Beckenbauers Regie hatten im Juli 2000 bei der WM-Vergabe durch den Fifa-Vorstand den Turnier-Zuschlag 2006 erobert. Zwei Jahre später flossen besagte zehn Millionen Franken aus Beckenbauers Umfeld an Bin Hammam. Als Geldgeber sprang wenig später der frühere Adidas-Eigner Robert Louis-Dreyfus ein, zur Sicherung des Darlehens erhielt der Franzose eine Anerkenntnis Beckenbauers. Dieser Schuldschein wurde drei Jahre später, im April 2005, per Rückzahlung ausgelöst. Nur erfolgte diese Rückzahlung nicht durch Beckenbauer. Sie floss aus dem Budget des deutschen WM-Organisationskomitees via Fifa an den französischen Sportunternehmer zurück.

Bin Hammam bestreitet einmal mehr alle Vorwürfe

Weil also diese Zahlung nicht, wie in der Steuererklärung des Deutschen Fußball Bundes (DFB) angegeben, betriebsbedingt und steuerlich absetzbar gewesen sei, sah sich der Fiskus getäuscht. Denn deklariert wurde das Geld vom DFB damals für eine WM-Gala, die nie stattfand. Seit Herbst 2017 fordert das Finanzamt Frankfurt/Main vom DFB nun per geändertem Steuerbescheid eine Nachzahlung für das damalige Jahr in Höhe von 19,2 Millionen Euro. Der Verband räumte die falsche Deklarierung ein, trug bisher aber vor, Louis-Dreyfus habe Beckenbauer das Geld gegeben, um einen Organisationskosten-Zuschuss der Fifa abzusichern. Deshalb stünden die 6,7 Millionen in direktem WM-Kontext und seien als Betriebsabgabe zu sehen.

Bin Hammam ist eine Schlüsselfigur in der ganzen WM-Affäre. Auch, weil er auf Betreiben des Emirs von Katar die deutschen Bemühungen um Fifa-Stimmen unterstützt haben soll, wie Dokumente und zahlreiche Ermittlungsschritte aufzeigen. Im ZDF-Interview bestreitet der Katarer nun einmal mehr alle Vorwürfe: "Sie betreffen mich alle nicht. Das sind nur Anschuldigungen und bleiben Anschuldigungen."

Nach SZ-Recherchen könnte Bin Hammam allerdings in einem Punkt richtig liegen. Er behauptet: "Die 6,7 Millionen Euro sind auf mein Konto geflossen, ja. Aber ich würde gerne wissen, warum Deutschland mich hätte bestechen sollen für etwas, was sie schon erhalten haben." Auch sei die Summe ja erst lange nach der WM-Vergabe auf seinem Konto eingegangen.

Tatsächlich hat sich aus Ermittlersicht in der Schweiz und den USA der erste Verdacht, die mysteriöse Millionenzahlung könnte für die bei WM-Vergaben üblichen Stimmkäufe eingesetzt worden sein, in eine andere Richtung verlagert. Das ändert nichts am generellen Verdacht, dass Fußballfunktionäre unsauber umworben worden sein könnten - zumal im Zuge der Affäre ein anrüchiger Hilfsvertrag aufgetaucht ist, den die deutschen Bewerber vier Tage vor der WM-Vergabe mit dem korrupten Fifa-Vorstand Jack Warner abgeschlossen hatten. Warner (Trinidad & Tobago) ist wie Bin Hammam lebenslang im Fußball gesperrt, seit Jahren kämpft er gegen eine von der US-Justiz beantragte Auslieferung.

Mit möglichen WM-Stimmkäufen aber muss die Zahlung, die 2002 aus Beckenbauers Umfeld zu Bin Hammam geflossen war, nicht zwangsläufig verrechnet werden. Vielmehr ist nach SZ-Informationen ein anderer Verdacht ins Zentrum der Ermittlungen gerückt. Untersucht wird, ob sich hinter dem damaligen Geldtransfer ein privates TV-Geschäft Franz Beckenbauers verbirgt - und ob ein mutmaßliches Privatdarlehen Louis-Dreyfus' an ihn später für die Rückzahlung das deutsche WM-OK Jahre in Anspruch genommen wurde. Beckenbauer hat sich bisher zu diesen neuen Fragen nicht konkret geäußert.

Was wusste Bin Hammam - und wann?

Auf ein diskretes Rechtegeschäft deutet unter anderem eine interne Notiz von Louis-Dreyfus' damaliger Bank hin. Eine Mitarbeiterin hatte über ein im Sommer 2002 unter dem Namenszusatz "F.B." gegründetes Konto festgehalten: Dessen Zweck sei ein Darlehen von zehn Millionen Schweizer Franken an einen Geschäftsfreund, um TV-Rechte aus dem Nachlass der Kirch-Gruppe zu kaufen. Die Kirch-Gruppe war 2002 konkurs gegangen.

Im Herbst desselben Jahres sicherte sich ein Konsortium aus Privatleuten um Louis-Dreyfus die Tochterfirma Kirch Sport: Hier lagerten die äußerst werthaltigen WM-Fernsehrechte 2006. Die Agentur wurde in Infront umgetauft. Für einen dieser solventen neuen Infront-Besitzer, den saudischen Scheich Saleh Kamel, hatte Bin Hammam damals weitreichende Tätigkeiten im Sportmedienmarkt ausgeübt.

Nun antwortete der Katarer dem ZDF auf die Frage, ob er wisse, wofür er das Geld aus Deutschland bekommen habe: "Ich weiß es nicht. Nein, natürlich weiß ich es. Aber entschuldigen Sie - das interessiert doch nur Sie, keine anderen." Erhellender könnte indes sein, was Bin Hammam nach SZ-Informationen jetzt im vertrauten Kreis darlegte: Dass er erst vier Jahre nach dem Erhalt dieser Beckenbauer-Gelder erfahren habe, dass die Zahlung überhaupt mit dem DFB oder dem deutschen Fußball etwas zu tun haben könnte.

Trifft diese Darstellung zu, würde sie den Verdacht nähren, dass die 2002 nach Katar ausgereichten Millionen tatsächlich keinen direkten Zusammenhang mit Stimmkäufen, der Bewerbung oder der Organisation der Sommermärchen-WM gehabt hätten. Womöglich aber mit lukrativen Rechtegeschäften im Fußball-Kontext, die noch im Dunkeln liegen. Bin Hammam hat nun jedenfalls auch gesagt: "Ich schwöre zu Gott, es war nicht für die WM."

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