Alexander Schmid in Sölden:Ein deutscher Skifahrer im Kreis der Besten

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Angriffslustig und gelassen zugleich: Alexander Schmid überzeugt in Sölden mit gewagten Schräglagen. (Foto: Johann Groder/dpa)

Zum Saisonauftakt kämpfen die DSV-Athleten mit ihrer Form. Fürs Erste trägt Alexander Schmid deshalb viele Hoffnungen. Im Riesenslalom von Sölden deutet er eine neue Qualität an.

Von Johannes Knuth, Sölden

So ist das, wenn man die Hoffnungen einer ganzen Abteilung schultert: Da kommt die eine oder andere behördliche Pflicht dazu, und man provoziert keine Unterlassungsklage, wenn man dem Skirennfahrer Alexander Schmid nachsagt, dass er in diesen Sachen noch nicht ganz firm ist.

Der Bayerische Rundfunk hatte sich ein paar Tage vor dem Saisonauftakt in Sölden einen sogenannten Aufsager erbeten; Schmid sollte einen Satz in die Kamera sprechen, den das Publikum später zu sehen bekommen sollte: "Servus, ich bin der Alex Schmid, jetzt geht's wieder los, drückt mir die Daumen", so kaute ihm der Reporter das vor. Der erste Versuch war ordentlich, Schmid vergaß nur, sich mit Namen vorzustellen. Das solle er beim zweiten Versuch bitte ändern: "Dass dich die Leute auch erkennen!", so die Anweisung aus der Regie. Der zweite Anlauf geriet dann etwas knapp ("Schmid Alex, drückt's mir die Daumen!"), aber bevor die Übung ins Loriothafte hätte abgleiten können ("Im Herbst eröffnet der Papst mit meiner Tochter eine Herrenboutique in Wuppertal"), gab sich die TV-Crew zufrieden.

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Das Spiel mit der Öffentlichkeit ist nicht gerade seine Sache, aber damit macht man sich keines Vergehens schuldig. Alexander Schmid vom SC Fischen hat immer sein Skifahren für sich sprechen lassen, viele Jahre über in homöopathischen Dosen, seit dem vergangenen Winter im Kreis der Besten - und in dieser Saison gerne als ständiges Mitglied in eben jenem, wenn es nach allen Beteiligten im Deutschen Skiverband (DSV) geht. Alexander Schmid soll so oft es geht Alexander Schmid sein, keine von Verletzungen gezeichnete Energiesparversion, und die Bilanz dieses Riesenslaloms in Sölden las sich schon mal vielversprechend. Rang acht beim Sieg des Schweizers Marco Odermatt, das war Schmids bislang bester Ertrag auf der Gletscherrampe, dessen Flachstücke dem 28-Jährigen bis heute nicht so recht schmecken (das Rennen der Frauen am Samstag war wegen Wind und Schneefall ausgefallen). So, wie es dieser Sonntag insgesamt mit ihm gemeint hatte, sagte Schmid, sei er schon mal "ein bisschen stolz".

Macht dort weiter, wo er im Vorwinter aufgehört hat: Gesamtweltcupsieger Marco Odermatt gewinnt den Riesenslalom in Sölden. (Foto: Joe Klamar/AFP)

Nicht ganz ein Jahr ist es her, da klagte Christian Schwaiger, der Cheftrainer der DSV-Männer, dass Schmid "seit Jahren einfach die Konstanz" fehle. Mal bremsten ihn gebrochene Schien- und Wadenbeine, mal eine entzündete Sehne, mal das Epstein-Barr-Virus. Zwischendurch hinterlegte Schmid immer wieder Weltklasse-Platzierungen, mit seinen runden Schwüngen, die nicht schnell aussehen, im Steilen dafür oft gewinnbringender sind als die brachiale Direktroute zwischen zwei Toren. Im vergangenen Winter wurde er so Dritter in Alta Badia auf der Gran Risa mit ihren endlosen Wellen und Steilstücken im schattigen Wald. Es war seine erste Visite auf einem Weltcup-Podium, es zeigte, dass Schmid sein Können auch über zwei Läufe spannen kann. Auch wenn das damals in der Gesamtschau noch zu selten tat: Bei Olympia in Peking kippte er im ersten Lauf aus dem Riesenslalomkurs, später gewann er mit dem Team die Silbermedaille.

In Sölden ließen sich nun einige Indizien zusammentragen, die nahelegten, dass Schmid künftig häufiger zwei gleichwertige Läufe vorführen könnte. Die Vorbereitung sei fast störungsfrei verlaufen, sagte Cheftrainer Schwaiger, Schmid sprach von "30, 35" Trainingstagen auf Schnee, rund drei Mal so viele wie vor einem Jahr. "Es werden sicher irgendwann wieder irgendwelche Wehwechen dazukommen", sagte er, "aber im Moment habe ich alles im Griff." Auch deshalb wolle er in diesem Winter alle Riesenslaloms und Slaloms bestreiten; Schmid war früher im Slalom mindestens gleich stark, ehe Verletzungen ihn dazu zwangen, sich im Riesentorlauf fortzubilden. "Die letzten Jahre musste ich speziell mit der zweiten Disziplin sehr zurückstecken", bestätige Schmid in Sölden, "wenn ich wie jetzt meine Umfänge steigern kann, schaut's sehr gut aus." Eine zweite Disziplin, etwas Abstand von der Sache, die man am besten kann, das durchlüftet auch den Kopf.

Er habe vor dem Start auch an seinen verletzten Bruder gedacht, sagt Schmid

Ob Zufall oder nicht, Schmid wirkte in Sölden auch mental gefestigter. Er sei im zweiten Lauf "ein bisschen engagierter", zugleich "ein bisschen lockerer" aufgetreten. Diese Mischung war ihm früher nicht immer geglückt. Er habe vor dem Start auch an seinen Bruder Manuel gedacht, der gerade, wieder einmal, nach einem Crash im Abfahrtstraining im Krankenstand gelandet ist. "Dann habe ich kurz gesagt: Ich fahre heute für dich mit", sagte Alexander Schmid, und dann fuhr er los, "mit einem Grinsen im Gesicht" - da machte es auch nichts, dass sich eine Wolke vor die Sonne schob und ihm die Sicht auf viele Fahrrillen im Eis nahm.

Ansonsten? Hatten sie im DSV gehofft, dass sich auch die Kollegen stabiler präsentieren würden, so gut, wie sie sich zuletzt vorbereitet hatten. "Jeder steigt eigentlich auf höchstem Leistungsniveau ein", so Schmid. Uneigentlich zeigte sich, dass manch alte Baustelle fürs Erste die neue ist. Stefan Luitz schied im ersten Lauf aus, da spürte man, dass der 30-Jährige nach einer Rückenoperation noch Trainingskilometer fehlen. Der Rest kämpfte mit nachlassender Piste (Fabian Gratz/40., Linus Straßer/44.) oder mit sich selbst.

Fürs Erste trägt Schmid also weiter die Hoffnungen, zumindest im Riesenslalom. Auch als Öffentlichkeitsarbeiter fürs Fernsehen.

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