Social Media bei Olympia:Wer "Medaille" twittert, wird bestraft

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Wehe, der Winkel stimmt nicht: Auch für die Verwendung der olympischen Ringe im redaktionellen Umfeld - etwa in einer Zeitung oder auf einer Homepage - hat das IOC genaue Regeln aufgestellt, was erlaubt ist und was nicht. (Foto: IOC)

"Leistung, "Olympia", "Rio" - solche Begriffe dürfen Sponsoren bei den Spielen nicht in Verbindung mit ihren Athleten verbreiten. Das IOC erstaunt mit einer fadenscheinigen Begründung.

Von Johannes Knuth

Neulich war der Marathonläufer Philipp Pflieger in Hannover, es gibt da eine Art Mode-Außenposten für Hochleistungssportler. In einer Kaserne durften sich die Olympiastarter mit der Kollektion für Rio eindecken. Pflieger präsentierte seine Ausrüstung anschließend in den sozialen Netzwerken, als stoffgewordene Bestätigung, dass er erstmals auf der größten Bühne seines Sports auftreten darf. Ach ja, ein paar Spielregeln wurden ihm auch noch übermittelt, bezüglich Regel 40 der Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das ließ Pfliegers Vorfreude dann schon wieder ein wenig erkalten.

Regel 40 diktiert, dass Sponsoren, die nicht mit dem IOC vernetzt sind - die allermeisten also - während der Spiele auch nicht mit Olympia-Athleten werben dürfen. Neu ist das nicht, neu ist, wie gründlich IOC und Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) diese Regeln präzisiert haben, für die digitalen Kanäle etwa. Sponsoren dürfen nicht per Twitter "erwähnen", dass ihr Athlet in Rio antritt, sie dürfen nicht "retweeten", also weiterverbreiten, wenn ihr Sportler eine Nachricht mit Olympia-Bezug absetzt. Und sie selbst dürfen erst gar keine Wörter benutzen, "die eine Assoziation mit den Olympischen Spielen erwecken" (IOC), etwa: Olympia, olympisch, Spiele, 2016, Rio, Gold, Silber oder Bronze, Medaille, Leistung, Sieg, Sommer.

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Sollte ein Sponsor diese Spielregeln verletzen, wird das IOC "ermitteln" und womöglich strafen, schreibt es. Bestraft wird dann freilich nicht der Sponsor, sondern der Athlet, der im juristischen Einzugsgebiet des IOC greifbar ist. Von der Geldstrafe bis hin zur Disqualifikation ist vieles möglich, auch wenn Letzteres eher unwahrscheinlich erscheint. "Relativ lachhaft", findet Pflieger die Regel, nicht nur er.

"Begriffe aus dem allgemeinen Sprachgebrauch lassen sich nicht schützen", sagt der Sportrechtexperte Jan F. Orth aus Köln, "markenrechtlich geht das nicht." Wobei der schräge Passus mit dem Verbot von Worten wie "Sommer" den Athleten gar nicht so sehr zu schaffen macht. Es sind vielmehr jene vier Wochen vor, während und nach den Spielen, in denen das IOC die Werberechte einfriert. In den USA beklagen sich die Sportler seit langem, anders als Europas Sportsoldaten sind sie fast exklusiv auf private Sponsoren angewiesen.

"Aber mich betrifft das auch", sagt Pflieger, als Athlet aus der zweiten Reihe, der weder für die Großsponsoren des IOC interessant ist, noch von Bundeswehr oder Polizei gefördert wird. Olympia, sagt Pflieger, "wird bei vielen entscheiden, wie und ob die Karriere weitergeht", auch bei Sponsorenverträgen. Dass die meisten Sponsoren während der vierwöchigen Stoßzeit nicht mit den Sportlern werben dürfen, "das schreckt schon viele ab", sagt Pflieger.

Das IOC schreibt, dass es nun mal seine zehn Top-Sponsoren schützen muss, die ihm in diesem Olympiazyklus rund eine Milliarde Euro überwiesen haben. "Für nicht olympische Sponsoren gilt, dass sie nicht über die Mannschaft und die Athleten eine Nähe zur Mannschaft aufbauen, die ihnen nicht zusteht", teilt der DOSB auf Anfrage mit. Und rund 90 Prozent der Einnahmen fließen ja in den Sport zurück, rechnet das IOC vor, rund 2,9 Millionen Euro pro Tag. Klingt gut. Nur nicht für die Athleten.

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Wegen Doping-Verstößen war das komplette Team von den Olympischen Spielen in Rio ausgeschlossen worden. Vier Tage vor Beginn wollen die Athleten nun gerichtlich ihre Teilnahme erzwingen.

Denn was an wen fließt, ist nicht immer ersichtlich. 150 amerikanische Leichtathleten, die sich im vorigen Jahr unter den besten zehn ihrer Disziplin eingereiht hatten, verdienten laut einer Studie im Schnitt 16 553 Dollar pro Jahr. Während Scott Blackmun, der Chef des amerikanischen Olympia-Komitees, mehr als eine Million Dollar Jahressalär einstreicht, erzählte Speerwerfer Cyrus Hostetler, zweimaliger Olympia-Teilnehmer, der Washington Post, dass er zeitweise auf Arbeitslosengeld angewiesen war.

Die deutsche Sporthilfe hat errechnet, dass Sportler, die keinen Platz in einer Fördergruppe von Bund oder Polizei ergattern, im Schnitt 59,8 Stunden pro Woche arbeiten und 626 Euro im Monat verdienen, netto. Da klingt es ganz schön zynisch, wenn das IOC schreibt, dass man mit der Regel 40 eine "Überkommerzialisierung" der Spiele verhindern möchte. Und dass der Fokus "auf den Leistungen der Athleten" bleiben soll.

"Das ist ein weitgehender Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit"

"Lächerlich", sagt Sportrechtler Orth, "da geht es darum, dass das IOC seine wirtschaftlichen Interessen sichert." Die Olympischen Spiele seien nun mal die "einzige vermögenswerte Positionierung eines Athleten gegenüber einem Sponsor", ergänzt er, der größte Anreiz. "Wenn das IOC so agiert, wie es hier agiert, dann nimmt es dem Athleten diese Chance. Das ist ein sehr weitgehender Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit", sagt Orth. Und das werde auch nicht dadurch aufgewogen, dass das IOC seine Sponsoren schützen muss. Sprich: Wer es auf einen Rechtsstreit ankommen lässt, hätte laut Orth gute Chancen.

Der DOSB weist darauf hin, dass Nicht-IOC-Sponsoren erstmals eine Ausnahme beantragen können, sie dürften dann während der Spiele mit ihrem Athleten werben. Nur halt nicht mit dem Thema Olympia. "Sehr limitiert", findet Pflieger. Seine Sponsoren haben sich um eine Ausnahme bemüht, ein Antrag wurde bewilligt, es handelt sich um einen Ausrüster des DOSB. "Alle anderen Anträge wurden meines Wissens nach abgelehnt", sagt Pflieger.

Dadurch, dass man die Spiele ausrichte, biete man den Athleten ja erst eine Bühne, schreibt der DOSB, "ohne diese Bühnen würde es Athleten sehr schwer fallen, überhaupt wahrgenommen zu werden". Das kann man so sehen. Man kann es aber auch wie Pflieger sehen, der sagt: "Diese ganze Kommerzialisierungsmaschine des IOC ist doch nur möglich, weil es uns Athleten gibt. Ohne Athleten gibt es keine Spiele."

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© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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