Snowboard-Gold für Selina Jörg:Der Glücksbringer steckt im Rucksack

FIS Snowboard World Championships - Men's and Ladies' Parallel Giant Slalom

Die Schnellste bei der WM: Selina Jörg.

(Foto: AFP)
  • Selina Jörg gewinnt bei der Snowboard-WM die Gold-Medaille im Parallel-Riesenslalom.
  • Den Fluch der ewigen Vierten hat sie damit endgültig abgelegt.

Von Sina Götz

Zu oft war Selina Jörg Vierte. Mit ihren 31 Jahren überlässt sie deshalb nichts mehr dem Zufall. Seit ihrem Gewinn der Silber-Medaille bei Olympia ist sie abergläubisch geworden, hat sie im Spiegel erzählt, vor dem Rennen in Pyeongchang hatte ihr ihre Cousine Angelika ein goldenes Hufeisen geschenkt - und siehe da, endlich konnte sich die Snowboarderin ihre ersehnte Medaille um den Hals hängen. Den Glücksbringer hat sie nun auch bei der Weltmeisterschaft in Park City/Utah dabei. Doch beim Parallel-Slalomwettkampf vertraute sie nicht nur auf die Macht des Hufeisens.

Auch ihre Streckenwahl plante Jörg sorgfältig. Auf dem Weg ins Finale wählte sie in jedem Rennen den blauen Kurs. In den Qualifikationsläufen war sie souverän die Bestzeit eingefahren, das brachte ihr bis zum Finale das Wahlrecht ein. Es schien als hätte Jörg das alles genau so gewollt, als gäbe ihr der blaue Lauf die benötigte Sicherheit: Im Achtelfinale bezwang sie die Südkoreanerin Jeong Hae Rim, im Viertelfinale setzte sie sich im deutschen Duell gegen Carolin Langenhorst nach anfänglichen Problemen durch, und in der Runde der letzten Vier schaltete sie Ladina Jenny aus - alles auf dem blauen Kurs.

Im Finale traf sie auf die Russin Natalia Sabolewa. Während ihre Konkurrentin schon im Startblock leichte Probleme hatte und das Holzbrett touchierte, das nach dem Startsignal wegklappt, wusste Jörg genau, wann sie auf ihre blaue Strecke darf. Jörg, eine der besten Technikerinnen im Weltcup, passierte ruhig die Tore und schluckte einen Schlag nach dem anderen. Ihre Gegnerin dagegen leistete sich einen kleinen Fehler im unteren Streckenabschnitt, den die Allgäuerin eiskalt ausnutze und den WM-Sieg ungefährdet nach Hause fuhr.

"Ich weiß wirklich nicht, was ich verbrochen habe", sagte Selina Jörg einst

In Abwesenheit von Ester Ledecka, die sich für die Teilnahme bei der Ski-WM in Are entschieden hat, galt Jörg als Mitfavoritin. Das Fernbleiben der Tschechin, die viele als Jahrhunderttalent betiteln, schmälere für Jörg den Sieg aber nicht: "Ich drücke Ester für die WM in Are die Daumen. Und wir haben ja noch ein paar Aufeinandertreffen in diesem Jahr." Auch der deutsche Sportdirektor Andreas Scheid ist nach dem Auftritt sicher: "Selina hätte heute auch gegen Ledecka eine Chance gehabt."

Doch Jörg weiß, dass gerade in ihrem Sport, in der im Frau-gegen-Frau-Rennen eine kleine Unachtsamkeit reicht, um auszuscheiden, auch das Glück ein enormer Faktor ist. Doch Glück muss man sich oftmals hart erarbeiten. Lange Zeit galt Jörg als ewige Vierte, scheiterte bei vielen Großereignissen, die Medaillen hingen bei anderen um den Hals. Wie bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver, dort wurde sie Vierte. Fünf Jahre später scheiterte die 31-Jährige im kleinen Finale bei der Weltmeisterschaft erneut denkbar knapp, nur vier Hundertstelsekunden fehlten ihr zur Bronze-Medaille. "Ich weiß wirklich nicht, was ich verbrochen habe, dass mich der vierte Platz derart verfolgt", sagte sie damals nach dem Rennen.

Verbrochen hat Selina Jörg nichts und den Fluch der ewigen Vierten hat sie endgültig abgelegt. Der Gewinn der WM ist der erste Sieg bei einem Großereignis: Nach ihrem zweiten Platz bei Olympia hatte Jörg auf die Frage nach ihrem Karierreende geantwortet, dass sie die Weltmeisterschaften noch mitnehme und dann entscheiden werde, wie es für sie weitergeht. Für die Zeit nach ihrer Sportlerkarriere hat die 31-Jährige jedenfalls schon vorgesorgt. Neben dem Weltcup machte sie ihren Master in Wirtschaftspsychologie. "Ich habe mir eine gute Grundlage für das Leben nach dem Sport gelegt. Das lässt mich entspannt in Richtung Zukunft blicken", sagte sie in einem Interview bei t-online.

Doch jetzt liegt ihre Konzentration auf dem Slalom-Rennen am Dienstagabend, auch dort gilt sie als Mitfavoritin. Ihr Glücksbringer ist schon in ihrem Rucksack.

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