Snowboard-WM:Hoffnung zwischen den Wannen

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Im Slopestyle am letzten Rail gestürzt, im Big Air überzeugt: Die WM in Georgien verlief für Annika Morgan bewegt. (Foto: Matic Klansek/Gepa/Imago)

Viele Ziele der deutschen Snowboarder blieben bei den jüngsten Weltmeisterschaften unerfüllt. Wie sich das künftig ändern soll? Sportdirektor Andreas Scheid hat zumindest einen Plan.

Von Mona Marko

Mit guten Medaillenchancen angereist, auf löchrigen Pisten gefahren, mit einer Medaille abgereist: So könnte man die Snowboard- und Freestyle-Weltmeisterschaften im georgischen Bakuriani aus Sicht der deutschen Snowboarder zusammenfassen. Dabei sollte bei der WM nun alles anders laufen, nachdem das Race-Team rund um Medaillenhoffnung Ramona Hofmeister schon bei den Olympischen Spielen vor einem Jahr leer ausgegangen war.

Seit Beginn dieser Saison arbeiten die Athleten und Trainer daher stärker mit Mentaltrainern zusammen. Ziel war es, sich vom WM-Tohuwabohu nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und trotzdem mit der Ernsthaftigkeit an den Start zu gehen, die es für eine WM eben braucht. In der Theorie klang es recht simpel: jenes Können in den einen großen Tag fließen zu lassen, das im Weltcup in den vergangenen Jahren zu Gesamtweltcupsiegen, Tageserfolgen und Podestplätzen führte. "Wir sind zuversichtlich angereist", sagt Andreas Scheid, der Sportdirektor vom Verband Snowboard Germany. "Die WM hat aber letztendlich gezeigt, dass wir das Ganze noch einmal überarbeiten müssen."

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Wer nach Gründen für die erfolglose WM sucht, darf auch die Rahmenbedingungen nicht außer Acht lassen. "Ohne mich rausreden zu wollen, muss man sagen, dass vor allem die drei Race-Tage nicht WM-würdig waren", sagt Scheid. Er stimmt damit diversen Athleten zu, die während und nach der WM Kritik an den Organisatoren geäußert hatten. Starker Wind, schlechte Sicht und Schneefall - das Wetter war das eine. Die größere Herausforderung war, wie überfordert die Veranstalter am Ort zu sein schienen. Scheid sagt: "Was zwei, drei Wochen vor der WM bei der Schneepräparation nicht gemacht wurde, konnte man während der WM nicht mehr nachholen."

Was die schlechten Bedingungen in Georgien betrifft, sieht Scheid die Verantwortung beim Weltverband Fis

So musste die Athleten auf Pisten fahren, in die sich tiefe Wannen und Löcher gruben. Viele Stürze und unfaire Verhältnisse waren das Resultat - der blaue Lauf auf dem Parallelkurs etwa schien besser präpariert zu sein als der rote. Zurück bleiben Bilder von kopfschüttelnden Snowboardern im Zielbereich. Keine gute Werbung für einen Sport, der ohnehin um jedes Quäntchen des öffentlichen Interesses buhlen muss. "Man kann den Sport anschauen, aber man muss ihn auch ins richtige Bild rücken", sagt Scheid: Er sieht die Verantwortung vor allem beim Ski- und Snowboard-Weltverband Fis, der die Titelkämpfe in Georgien einem Land zugesprochen hat, in dem zwar bereits ein Weltcup, aber noch noch nie eine Fis-WM stattgefunden hat. "Das war ja eine riesige Veranstaltung mit 30 Medaillenentscheidungen. Man kann so ein Großereignis doch niemandem in die Hand geben, der weder Erfahrung noch Know-how hat", findet Scheid.

Doch auch in Deutschland sieht Scheid Nachholbedarf - vor allem was die Infrastruktur im Freestyle-Bereich betrifft. Im ganzen Land gibt es weiterhin keine Halfpipe, keine permanente Snowboardcross-Strecke. Die Reisewege der Deutschen zu guten Trainingsstätten sind damit weiter als die vieler Kollegen im Weltcup-Geschäft. Schon seit 2006 bemüht sich der deutsche Verband um eine Trainingsstätte für die Freestyler. 17 Jahre später sollen die Pläne endlich umgesetzt werden. Am Olympiastützpunkt in Berchtesgaden sind die Schienen für den Bau einer Landing-Bag gelegt. Der soll es den Freestylern - unabhängig von den Schneeverhältnissen und damit auch im Sommer - ermöglichen, ihre Salti und Corks einzustudieren.

Man dürfe bei alledem nicht vergessen, sagt Scheid, wie jung der Snowboardsport im Vergleich zu anderen Sportarten sei. Die damals als "Brettlrutscher" belächelten Freigeister des Wintersports haben in ihrer vergleichsweise jungen Geschichte eine rasante Professionalisierung durchlebt. "Das ist eine so einzigartige Progression in unserem Sport, vor allem im Freestyle. Die Entwicklung in den letzten Jahren, die Qualität, das Niveau der Tricks, das sucht schon Seinesgleichen", sagt Scheid.

Irgendwann werde es auch im Freestyle mit den Medaillen klappen, glaubt der Sportdirektor

Und auch Deutschland hat in diesem dynamischen Sport seinen Platz gefunden. Ein Platz, der ausbaufähig ist, aber immer noch eine gute Ausgangsposition bietet. Immerhin lässt sich auch aus der enttäuschenden WM die ein oder andere Erfolgsgeschichte heben. Neben Crosser Martin Nörl, der Zentimeter hinter dem Österreicher Jakob Dusek Silber gewann, landete Annika Morgan im Big Air-Finale auf dem soliden sechsten Platz, André Höflich in der Halfpipe auf Rang zwölf. Noah Vicktor, 21, und Moritz Breu, 19, schafften es zwar nicht, ins Slopestyle-Finale einzuziehen, mit ihren Läufen war Scheid trotzdem zufrieden. "Das alles sind Leistungen, auf denen wir aufbauen können, bis es dann auch mit den Medaillen klappt."

Was man noch dafür tun müsse? "Noch besser mit Sportpsychologen arbeiten, Talente besser identifizieren und fördern, Nachwuchs-Rennserien aufbauen, Trainer bestens qualifizieren und schauen, wie wir dabei verletzungsfrei bleiben", sagt Scheid. Zwei Jahre (bis zur WM im Engadin) beziehungsweise drei Jahre bis zu den Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo haben die Snowboarder dafür Zeit. Zumindest die Rahmenbedingungen dürften dann stimmen.

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