SnowboardSilber gegen trübe Gedanken

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„Der Stefan hat einfach gezeigt, was wir im Training schon das ganze Jahr über gesehen haben“, erklärte Trainer Paul Marks über die Silberfahrt von Stefan Baumeister.
„Der Stefan hat einfach gezeigt, was wir im Training schon das ganze Jahr über gesehen haben“, erklärte Trainer Paul Marks über die Silberfahrt von Stefan Baumeister. (Foto: Millo Moravski/Agence Zoom/Getty Images)

Stefan Baumeister haderte mit seinen Leistungen und durchwachsenen Ergebnissen, er dachte sogar an ein Karriereende. Das ist nach dem zweiten Platz im Parallel-Riesenslalom bei der Weltmeisterschaft kein Thema mehr.

Von Thomas Becker

In drei Wochen wird Stefan Baumeister 32 Jahre alt. Fast sein halbes Leben lang fährt der gebürtige Bad Aiblinger schon im Snowboard-Weltcup, und das auch schon vor der Weltmeisterschaft vergangene Woche in St. Moritz erfolgreich: fünf Weltcup-Siege im Einzel plus einer mit dem Team, Sieger der Slalom-Gesamtwertung 2019 und der Riesenslalom-Gesamtwertung 2022, zwei Bronzemedaillen bei Weltmeisterschaften, dazu ein sechster Platz bei Olympia – das kann sich sehen lassen. Und dennoch hatte sich im Laufe der vergangenen zwei Jahre der Zweifel eingenistet. Weil der Erfolg ausgeblieben und „das Gefühl für das Brett nicht mehr so da“ war.

Der letzte Weltcupsieg: schon mehr als drei Jahre her. Der letzte Podiumsplatz in einem Einzelrennen: vor mehr als zwei Jahren – gefühlte Ewigkeiten für einen Erfolgsverwöhnten. Die Weltcupsaison beendet er auf den Rängen 15 (Slalom) und 25 (Riesenslalom). „Das Jahr war echt schwierig“, sagt Baumeister, er habe sich früher vorgenommen: „Wenn ich mal über 30 bin und es sich nicht mehr ausgeht, dass ich aufs Podium fahre, dann höre ich auf.“ Und da in den vergangenen zwei Jahren kein Podium drin gewesen sei, „habe ich mir schon überlegt, ob ich wirklich aufhören soll. Ich bin einfach nicht der Typ, der nur hinterherfährt. Das macht ja keinen Spaß mehr. Aber zum Schluss ist es ja noch mal gut gegangen.“ Und wie: Bei seiner siebten Weltmeisterschaftsteilnahme gelang ihm im 16. WM-Rennen mit Rang zwei im Parallel-Riesenslalom der bislang größte Erfolg seiner Karriere – gerade noch rechtzeitig. „Das ist der Wahnsinn“, sagt er. „Ich hatte absolut keine Erwartungen, deshalb bin ich umso glücklicher.“

Da ist das Ding: Die Silbermedaille gibt Stefan Baumeister einen Schub – nicht nur für die kommende Saison.
Da ist das Ding: Die Silbermedaille gibt Stefan Baumeister einen Schub – nicht nur für die kommende Saison. (Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Eine Überraschung, hieß es, zumal in einem deutschen Team, in dem die Medaillenhoffnungen eigentlich andere mit sich herumtrugen: Ramona Hofmeister, die Seriensiegerin der vergangenen Jahre, und auch Elias Huber, dem zuletzt im Einzel und im Team seine ersten beiden Weltcupsiege geglückt waren. In St. Moritz landete der Chiemgauer jedoch nur auf den Plätzen 12, 13 und 14, Favoritin Hofmeister musste gar zweimal mit Rang neun und einem 20. Platz zurechtkommen. Dafür sprang Baumeister in die Bresche, der es in diesem Winter bis dahin lediglich auf zwei Top-Ten-Platzierungen gebracht hatte. Aber eine Überraschung? Gar nicht, findet Bundestrainer Paul Marks: „Es war keine Überraschung, dass er das machen kann. Der Stefan hat einfach gezeigt, was wir im Training schon das ganze Jahr über gesehen haben.“

Bisher war noch gar keine Zeit zu feiern, das wird beim ersten Test für die kommende Saison in zwei Wochen nachgeholt

Und da Baumeister der Silber-Coup gleich im ersten WM-Rennen gelang, meinte Marks mit Blick auf die kommenden Rennen: „Der Druck ist jetzt ein wenig weg.“ Auf Instagram wurde gepostet: „So darf es weitergehen!“ Ging es aber nicht. Auch für Baumeister nicht: Im Slalom, eigentlich seiner stärkeren Disziplin, reichte es lediglich für Platz sechs, und auch im Team mit Ramona Hofmeister war vorzeitig Schluss: nur Platz neun. Kein Wunder, dass die Truppe danach gleich die Zelte abbrach und in die Heimat aufbrach. „Wir hatten noch überhaupt keine Zeit, meine Silbermedaille zu feiern“, erzählt Baumeister. Die Fete soll nun in zwei Wochen steigen, wenn das Team am Kronplatz in Südtirol die Bretter für die kommende Saison testet.

Was diese Tests und die Tüftelei am Material ausmachen können, hat Stefan Baumeister in diesem Winter besonders intensiv erlebt: „Vor der Saison bin ich auf einen anderen Schuh umgestiegen, habe mir richtig viel Zeit genommen, um alle möglichen Einstellungen auszuprobieren, an Vorlage, Härte, Höhe und noch mehr getüftelt.“ All das habe dann aber länger gedauert als geplant – und zunächst auch gar nicht so gut funktioniert. „Ich musste dann sozusagen die Rennen als Testläufe nehmen, bin mit Blick auf die WM jedes Rennen mit einer anderen Schuh-Einstellung gefahren, habe mir alles notiert, wusste am Tag vor dem WM-Slalom aber immer noch nicht, welche Einstellung ich wählen soll.“ Zwei Tage vor dem Rennen habe es noch gar nicht hingehauen. „Aber dann habe ich mich wohl doch für die richtige Kombination entschieden.“

Neun Hundertstelsekunden haben am Ende zum ganz großen Coup gefehlt. Um diesen Wimpernschlag war einer schneller, den Baumeister schon seit 15 Jahren kennt: der Südtiroler Roland Fischnaller, der tatsächlich schon 44 Jahre alt ist und vor zehn Jahren schon mal Weltmeister geworden war, mit 34. Ermutigende Zahlen für Baumeister: „In unserer Sportart kommt es extrem auf die Erfahrung an. Der Roland ist schon ein Ausnahmeathlet. Aber wenn der Körper mitmacht, habe ich schon auch vor, so lange zu fahren, wie es geht.“ Das klingt ja nun gar nicht mehr nach Karriereende. Gut so.

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