Snowboard:Gold und Enttäuschungen

FIS Snowboard Alpine World Championship - Women's Parallel Giant Slalom

"Doppelweltmeisterin? Verrückt": Snowboarderin Selina Jörg, 33, war in den K.o-Runden der WM in Rogla im Parallel-Riesenslalom nicht mehr zu bezwingen.

(Foto: Borut Zivulovic/Reuters)

Mit einem Vorsprung von zwölf Hundertstelsekunden gewinnt Race-Snowboarderin Selina Jörg bei der Weltmeisterschaft in Rogla. Als erste Deutsche verteidigt sie ihren Titel im Parallel-Riesenslalom.

Von Thomas Becker

Auf den ersten Metern sah es nicht gut aus für Selina Jörg. Gegen die erst 17-jährige Russin Sofia Nadirschina musste sie einen Rückstand aufholen, zwischenzeitlich fast eine halbe Sekunde. Und als sie ins Ziel gerauscht war und auf der Anzeigetafel ihre zwölf Hundertstelsekunden Vorsprung geschrieben sah, ließ sie sich erstmal in den Schnee fallen und schüttelte den Kopf. Eine ganze Weile tat sie das, bevor sie Winken und Jubeln konnte: Ja, sie war gerade tatsächlich wieder Weltmeisterin geworden.

Die 33 Jahre alte Snowboarderin vom SC Sonthofen hat bei der WM im slowenischen Rogla Gold gewonnen und damit als erste Deutsche im Parallel-Riesenslalom ihren Titel verteidigt. Nach der drittbesten Zeit in der Qualifikation war Jörg in den K.-o.-Runden nicht mehr zu bezwingen. "Doppelweltmeisterin? Verrückt", sagte sie. "Ich war so brutal fokussiert und im Tunnel, genauso wie in Pyeongchang", als sie bei den Winterspielen im Parallel-Riesenslalom bereits Silber gewonnen hatte. Nun lobte Sportdirektor Andreas Scheid: "Die Leistung von Selina Jörg ist der Wahnsinn."

Titelfavoritin Ester Ledecka muss ihren WM-Start kurzfristig absagen

Dabei hatte der WM-Tag für das deutsche Team auch Enttäuschungen parat. Im Gesamtweltcup der Snowboard-Racerinnen belegen die Deutschen derzeit Platz eins, drei und fünf. In diesem Winter hatten sie in allen Rennen einen Podiumsplatz erreicht. Doch Ramona Hofmeister (Bischofswiesen) und Cheyenne Loch (Schliersee) schieden in Rogla schon im Viertelfinale aus und kamen auf die Ränge fünf und sechs. Stefan Baumeister (Aising-Pang), der 2019 zweimal WM-Bronze geholt hatte, scheiterte sogar schon in der Qualifikation, ebenso wie Elias Huber (Schellenberg), Ole Mikkel Prantl (Königssee) und Yannik Angenend (Lengdorf).

Durch den kurzfristigen Ausfall der Favoritin Ester Ledecka waren die Titelchancen der deutsche Fahrerinnen zunächst noch mal gestiegen. Die 25-jährige Tschechin hatte verletzungsbedingt abgesagt. "Ich war eigentlich bereit, konnte aber noch nicht mal mein Stretching-Programm durchziehen", sagte die von Rückenproblemen geplagte Olympiasiegerin, die bei ihrem einzigen Start im Snowboard-Weltcup in dieser Saison in Cortina d'Ampezzo prompt gewonnen hatte - vor Jörg. Die konnte nun in Rogla ihr Glück kaum fassen. "Das ist unglaublich", sagte die neue und alte Weltmeisterin, "ich bin so happy."

Bei den Weltcups steht Jörg diese Saison im Schatten von Hofmeister und Loch

Als bei der Siegerehrung die deutsche Hymne erklang, schloss sie immer wieder die Augen. Schon vor zwei Jahren bei den Titelkämpfen in den USA hatte sie sich zur Weltmeisterin gekrönt. "Aber jetzt beim zweiten Mal konnte ich das noch mehr genießen", sagte sie über die Momente auf dem Podium. Die Karrierebilanz der Allgäuerin ist eine recht spezielle: Seit 2005 gehört Jörg zum Nationalkader und hat seitdem fünf Siege eingefahren: drei bei Weltcups und zwei bei Weltmeisterschaften, Gold bei der Junioren-WM 2008 nicht mitgezählt. In den acht Rennen dieses Winters fuhr sie drei Mal aufs Podest, steht jedoch im Schatten der noch erfolgreicheren Teamkolleginnen Hofmeister und Loch.

Die erste Auszeichnung in dieser Saison hatte Jörg, die neben dem Sport ein Masterstudium in Wirtschaftspsychologie abgeschlossen hat, schon im Herbst erhalten: den Bayerischen Sportpreis in der Kategorie "beispielhaftes Engagement zur Bewältigung der Corona-Pandemie". Sie hatte sich bei der Caritas als freiwillige Helferin beworben und verteilte Versorgungspakete an Immenstädter, die das Haus nicht verlassen konnten. Manchmal werden gute Taten im Leben eben tatsächlich belohnt.

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