Ronnie O'Sullivan:"Soll er mich doch verbannen"

Snooker-WM in Sheffield

Angenervt: Snookerprofi Ronnie O'Sullivan.

(Foto: dpa)
  • Kurz vor dem ersten Höhepunkt der Snooker-Saison gerät Ronnie O'Sullivan mit Verbandschef und "Diktator" Barry Hearn aneinander.
  • Diesem gehe es "nicht um Snooker", sondern "nur ums Geld", klagt der beste Snookerspieler des Planeten.
  • Er denkt sogar laut über eine eigene Profitour nach.

Von Carsten Scheele

Wahrscheinlich muss man es so hart formulieren: Ronnie O'Sullivan, 42, ist jetzt alles egal. Soll ihm der Weltverband mit Verwarnungen drohen oder Strafen verhängen - dem besten Snookerspieler des Planeten ist es schnuppe. Anders lässt sich die Kontroverse, die sich O'Sullivan derzeit mit Verbandschef Barry Hearn liefert, kaum deuten. Der mächtigste Spieler sagt, was er denkt, und der mächtigste Funktionär bekommt den gesammelten Groll ab.

Es gärt etwas auf der Snooker-Profitour, und man muss dem fünffachen Weltmeister zu Gute halten, dass es ihm nicht nur um die eigene Person geht. Wenn er gerade via Twitter über Hearns Führungsstil ätzt und über die schlechter werdenden Bedingungen für die Profi-Spieler meckert, dann tut er das auch im Namen mancher Kollegen. Probleme gibt es an beiden Enden des Tableaus, die besten Spieler fühlen sich für ihre Leistungen nicht mehr ausreichend gewürdigt. Die weniger guten Spieler klagen, dass sie von ihrem Sport nicht leben können.

Aber keiner motzt so laut wie der Mann aus den West Midlands. Für O'Sullivan ist Hearn, der mit seiner Firma "Matchroom" auch die wichtigsten Turniere mitveranstaltet, ohnehin viel zu mächtig. Die Snooker-Tour sei mittlerweile "eine Diktatur, verkleidet als Demokratie", sagte O'Sullivan, "Barry geht es nicht um Snooker, es geht ihm nur ums Geld."

Die Zeit der Bewunderung ist vorüber

Mit Hearn reibt sich O'Sullivan schon seit Jahren, beide verbindet eine Art Hassliebe. Hearn, heute 70, war O'Sullivans erster Manager; als dieser ihn unter Vertrag nahm, war Klein-Ronnie gerade zwölf Jahre alt. So war Hearn an O'Sullivans Aufstieg zum Spitzenspieler früh entscheidend beteiligt, doch die Wege trennten sich, und als es dem Snookersport Anfang der 2000er Jahre ziemlich schlecht ging, ist Hearn, der als Promoter auch Darts und Boxen auf der Insel groß gemacht hat, im großen Stil eingestiegen. Erst war O'Sullivan ziemlich zufrieden mit der Arbeit seines alten Mentors, der die Zahl der Turniere erhöhte, neue Märkte erschloss, dafür sorgte, dass mehr Snookerspieler von ihrer Kunst leben konnten. Doch die Zeit der Bewunderung ist vorüber.

Aus seiner wachsenden Abneigung macht O'Sullivan kein Geheimnis mehr - und er weiß, dass er eine starke Position hat. Er ist der Spieler mit den meisten Fans; viele Zuschauer strömen vor allem wegen ihm in die Hallen und kaufen die Tickets. In einer wahren Tweet-Tirade wetterte O'Sullivan, viele Spieler seien gar nicht mehr in der Lage, ihr feinstes Snooker zu spielen, weil Hearn sie verpflichte, auf immer mehr Turnieren anzutreten. "Die meisten werden ausgebrannt enden", sagte O' Sullivan also, während sich Hearn die Taschen vollstopfe.

Tatsächlich haben sich die Niederlagen der Branchengrößen gegen unbekannte Spieler zuletzt gehäuft. Neulich hat Kyren Wilson an einem Sonntag das Finale des Champions-of-Champions-Turniers bestritten, und musste am Montag schon wieder in der Qualifikation für die Northern Ireland Open ran. Die Tour sei mittlerweile ein "Hamsterrad, genau wie Baz es mag". Baz, das ist Hearn, der die Kommentare mit deutlich vernehmbarem Kopfschütteln hinnimmt.

O'Sullivan klagt über "stinkige Freizeithallen"

Während Hearn auf das gestiegene Niveau verweist (daher die Niederlagen der Topspieler) und ohnehin sagt, kein Spieler sei größer als der Sport, findet es O'Sullivan unzumutbar, dass er bei fast jedem Turnier in der ersten Runde ran müsse - anders als früher, als es eine Setzliste gab. Jetzt muss O'Sullivan in "stinkigen Freizeithallen" antreten. Neulich, bei den English Open, klagte er öffentlich, es habe nach Urin gestunken. Der Weltverband solle endlich wieder in gute Hallen investieren - er habe keine Lust mehr, in einem dieser "Höllenlöcher" anzutreten.

Noch vor der UK Championship, dem ersten Saisonhöhepunkt, der am Dienstag in York beginnt, hatte sich Hearn zu einer Aussprache mit O'Sullivan bereit erklärt. Doch der sagte ab. Er könne sich genauso gut "mit einem Backstein unterhalten", erklärte O'Sullivan. Konsequenzen fürchtet er ohnehin nicht mehr. "Soll er mich doch verbannen oder mir das Leben schwer machen. Ich wähle lieber ein Leben in Freiheit", twitterte er. O'Sullivan setzte sogar noch einen drauf, drohte nicht zum ersten Mal damit, eine Konkurrenz-Tour ins Leben zu rufen, an Hearn und seinem Weltverband vorbei: "Wenn jemand die Sponsoren und das Fernsehen organisiert, bin ich dabei." Zurücktreten wolle er jedenfalls nicht: "Ich werde nicht still sein. Ich werde immer eine Plattform finden um Snooker zu spielen, so lange ich gut genug bin."

Sein nächster Gegner schraubt nebenberuflich in einer Autofabrik

Gut genug ist O'Sullivan zweifellos, er hat in diesem Herbst schon zwei Turniere gewonnen. Bei der UK Championship trifft er nun auf Luke Simmonds, der ebenfalls seine Probleme mit der Snooker-Tour hat, allerdings am anderen Ende des Tableaus. Simmonds, 38, weiß, wie schwer es ist, vom Sport zu leben, wenn man nicht gerade zu den Besten der Welt gehört, sondern weit jenseits der Top 50 um den Aufstieg in die Weltspitze kämpft. Diese Spieler müssen viel Geld vorstrecken, für Material und Reisen, doch sie bekommen erst etwas zurück, wenn sie etabliert sind. Bis das Geld fließt, müssen diese Spieler um ihre Existenz kämpfen. Oft bleibt ein Schuldenberg zurück.

Es sei "schwierig", erklärte auch Simmonds, "wenn du nicht gewinnst, kannst du deine Ausgaben nicht bezahlen." Also schraubt er nebenberuflich in einer Fabrik Kohlefaser-Karosserien für Autos. O'Sullivan sagte, es sei sehr interessant, was Simmonds über das Leben auf der Tour berichte - und wetterte neue Munition im Kampf gegen den ungeliebten Verbandschef. Scheinbar ernstlich vom Mitgefühl für den armen Kollegen übermannt, sagte er: "Hoffentlich kriegt er ein paar Tage frei, damit er gegen mich spielen kann."

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