Snooker-Weltmeister Mark Selby:Nervenstarker Folterknecht

Snooker-Weltmeister Mark Selby: Der Mann mit der "Triple Crown": Mark Selby, hinten Gegner Ronnie O'Sullivan.

Der Mann mit der "Triple Crown": Mark Selby, hinten Gegner Ronnie O'Sullivan.

(Foto: AFP)

Durch seinen ersten WM-Titel steigt Mark Selby zu den ganz Großen im Snooker auf. Dabei löst er ein altes Versprechen ein, während Ronnie O'Sullivan verzweifelt.

Von Carsten Eberts

In der Stunde seines größten Triumphes dachte Mark Selby an seinen Vater David. Der war 1999 an Krebs verstorben, nur zwei Monate bevor Selby zum Billardprofi wurde. "Seine letzten Worte an mich waren, dass ich Weltmeister werden solle", erzählte Selby am Montagabend im Crucible Theatre in Sheffield, "ich sagte ihm: 'Eines Tages werde ich das tun.'" Selby war damals 16 Jahre alt.

Es war ein wichtiger Montagabend im Leben des heute 30-jährigen Mark Selby, nicht nur wegen dieser Geschichte. Er ist endlich Weltmeister, nach zahlreichen vergeblichen Versuchen. Als erst neunter Spieler konnte er die drei größten Turniere dieses Sports gewinnen: die WM, das UK Championship und das Masters. Das ist so etwas wie der Grand Slam im Tennis, im Snooker heißt es "Triple Crown". Mit seinem Sieg hat sich Selby zudem an die Spitze der Weltrangliste geschoben.

Kurzum: Er gehört nun zu den bedeutendsten Figuren seines Sports. Selby reckte seine Faust ins Publikum, beorderte seine Ehefrau Vicky hinunter zum Tisch, für das gemeinsame Siegerfoto. "Es könnte einfach nicht besser sein", sagte der überwältigte Gewinner. 18:14 gegen Ronnie O'Sullivan. Im Crucible. Weltmeister.

"Auf alles, was ich getan habe, hatte er eine Antwort"

Das größte Lob kam von seinem Gegner, von O'Sullivan, einem noch Größeren seines Sports. Fünfmal hat O'Sullivan die WM schon gewonnen, diesmal sollte es sein sechster Titel sein. Der Brite war mit einer solchen Leichtigkeit durchs Turnier geflogen, dass mal wieder die vorherrschende Meinung galt: Dieser O'Sullivan kann sich nur selbst schlagen.

Es kam anders. Denn O'Sullivan schlug sich nicht selbst, er scheiterte an einem besseren Gegner. "Auf alles, was ich getan habe, hatte er eine Antwort", klagte O'Sullivan. Selby habe ihm "alle erdenklichen Schwierigkeiten" bereitet, er selbst habe sich "wie betäubt" gefühlt: "Ich habe mein Bestes gegeben, aber er ist ein würdiger Champion."

Selby gab das große Lob umgehend zurück. Gegen O'Sullivan ein Finale zu gewinnen, auch noch im Crucible, sei ein Traum. "Denn wenn du den Titel holen willst, dann ist es am Schönsten, wenn du ihn gegen ihn holst."

Es war eines der spannendsten und hochklassigsten Finals der vergangenen Jahre, die zuletzt häufig zu relativ klaren Angelegenheiten mutiert waren. O'Sullivan erwischte wie so oft den besseren Start, führte schnell 8:3 und 10:5, machte seinem Ruf als "Frontrunner" alle Ehre. Hätte Selby zum Schluss des ersten Tages nicht noch zwei Frames gewonnen - es hätte ein weitaus kürzeres Finale werden können.

Duell zweier Spielphilosophien

Wie immer, wenn die beiden Briten sich messen, prallen zwei Spielphilosophien aufeinander. Hier O'Sullivan, 38, der risikofreudige Breakbuilder, der sich die Kugeln wie kein anderer für hohe Breaks zurechtlegen kann. Auf der anderen Seite Selby, 30, der begnadete Safety-Experte, der das Spiel immer wieder mit sicheren Ablagen unterbricht, kein flüssiges Spiel aufkommen lässt, seine Gegner nervt. O'Sullivan hat ihn einmal "The Torturer" genannt, den Folterer, weil er Selbys Spiel als so unangenehm empfindet.

Am zweiten Tag ging Selbys Plan voll auf. Er verwickelte seinen Gegner in lange Safety-Schlachten, beide rieben sich im Stellungsspiel auf, bis meist Selby noch eine letzte Gemeinheit in petto hatte, die O'Sullivan schließlich verzweifeln ließ. Selby gewann die ersten vier Frames in Serie, ging 11:10 in Führung.

O'Sullivan blieb im Vergleich zu früheren Jahren ausgesprochen ruhig, disziplinierte sich. Doch er verschoss einige klare Bälle, etwa beim Stand von 11:11, einem knappen Frame, als O'Sullivan mit der vorletzten Kugel, Pink, nur den Tascheneingang traf. Selby nahm das Geschenk gerne an.

Kurz vor Schluss schien O'Sullivan nochmal aufzukommen. Sein Spiel funktionierte wieder, Breaks von 127 und 87 Punkten brachten ihn heran - dann das letzte Spiel: O'Sullivan führte bereits 56:0, doch Selby holte sich die Spielkontrolle zurück, zunächst mit 29 Punkten in Serie, dann mit einer ungemein nervenstarken 35er-Clearance, die ihm den WM-Titel brachte.

Nur ein Wunsch ging Selby an diesem Abend nicht mehr in Erfüllung. Im Scherz hatte er die Fußballer von Leicester City gebeten, doch bitte 24 Stunden mit ihrer Bus-Tour durch ihre Heimatstadt auf ihn zu warten. Die Fußballer feierten dort ihren Aufstieg in die Premier League, Selby ist ein großer Fan. "Ich hätte den Bus sogar gefahren", klagte Selby. Doch die Fußballer feierten ohne ihn.

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