Snooker:"Was mache ich hier?"

Snooker: Nigel Bond bei der World Snooker International Championship 2019

Grauer Star: Snooker-Routinier Nigel Bond.

(Foto: Li xiaolong/imago)

Veteran Nigel Bond, der seine beste Zeit hinter sich hat, sorgt für eine Sensation: Er bezwingt Judd Trump, Nr. 1 der Welt, der zuletzt unantastbar wirkte.

Von Carsten Scheele

Die große Jubelgeste? Braucht Nigel Bond in seinem Alter nicht mehr. Da hatte der Snookerprofi bei der UK Championship in York hochüberraschend den Weltranglistenersten und Topfavoriten Judd Trump aus dem Turnier befördert - und kniete sich erstmal auf den Boden. Während das Publikum johlte und Trump stocksauer die Arena verließ, baute der 54-jährige Altprofi seelenruhig seinen Queue auseinander. Als alles verstaut war, schnappte er sich den Koffer, winkte kurz, Daumen nach oben - dann war er weg. Ganz cool, als hätte Bond ein stinkgewöhnliches Match gewonnen.

In Wahrheit hatte er für die bislang größte Überraschung bei der UK Championship gesorgt, einem der drei wichtigsten Turniere des Kalenderjahres. Das verwunderte auf ganzer Linie: Bond hat seine beste Zeit als Snookerprofi längst hinter sich - es ist kaum vermessen zu prognostizieren, dass das Ende seiner Profisportkarriere nicht mehr weit ist. 1989 war Bond britischer Amateurmeister, in der Saison 1995/96 stand er mal auf Rang fünf der Weltrangliste, damals gewann er auch sein einziges Ranglistenturnier. Aktuell dümpelt er um Position 100 herum.

Doch jetzt dieser 6:3-Sieg gegen Trump. "Was mache ich hier? Judd ist der Mann der Stunde - und ich bin 54", sagte Bond in der BBC. Er hatte auch für all jene gespielt, die ihn gedanklich bereits in die Snooker-Rente geschickt hatten. "Ich wollte den Leuten zeigen, dass ich es noch kann", sagte Bond stolz.

Er zeigte sein bestes Spiel seit Jahren, Trump dagegen sein schwächstes Spiel der vergangenen Monate. Damit hat sich der Weltranglistenerste einer großen Chance beraubt: Das Masters und die Weltmeisterschaft hat der Brite 2019 bereits gewonnen - mit dem Triumph in York hätte er alle drei der so genannten Triple-Crown-Turniere in einem Kalenderjahr gewinnen können, was vor ihm erst vier Spieler geschafft haben. Das wird nun nichts. Die Weltrangliste führt Trump mit mehr als 400 Punkten Vorsprung an, doch gegen Bond lochte er zwischenzeitlich mehr als eine halbe Stunde keinen einzigen Ball. "Du darfst im Snooker nie zu selbstzufrieden sein", bemerkte Trump selbstkritisch. Woran es gelegen hatte? "Er hat seine Erfahrung ausgespielt", sagte Trump über seinen Gegner, "es kam alles zusammen."

Zuvor hatte sich Trump am Tisch ein paar Mal fürchterlich zugestellt, völlig konträr zu den vergangenen Turnieren, als Trump selten bis gar nicht zu besiegen war. Zuletzt in einem hinreißenden Finale der Northern Ireland Trophy, als er in einem der besten Matches der vergangenen Jahre Ronnie O'Sullivan 9:7 niederringen konnte. Wer Trump in diesem Jahr zum besten Snookerspieler der Welt gekürt hätte, hätte wenig bis gar keinen Widerspruch erfahren. Doch dann kam Bond, mit seinen 54 Jahren.

Die Wenigsten erwarten, dass Bond in diesem Turnier noch einmal eine solche Leistung abrufen kann - doch er steht nun im Achtelfinale. Interessiert verfolgt haben wird die Geschehnisse auch O'Sullivan; der 43-jährige Engländer konnte in den vergangenen Wochen als Einziger annähernd in Trumps Sphären mitspielen. Ihre Wege hätten sich erst im Finale gekreuzt, nun scheint für O'Sullivan der Weg frei zu seinem dritten UK-Titel in Serie nach 2017 und 2018.

O'Sullivan hat in York bislang nicht nur seine starke Form demonstriert, sondern auch für einige Lacher gesorgt. Während des lockeren 6:0 gegen Ross Bulman spielte er so rasant, dass der Schiedsrichter beim Endspiel auf die Farben nicht mehr hinterher kam, die Bälle an ihre angestammten Plätze zu legen. Während er Braun aus der Ecktasche holte, spielte O'Sullivan bereits Gelb - ein Foul, doch O'Sullivan lag ohnehin uneinholbar in Führung.

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