Neue Billard-VarianteWie Snooker auf Speed funktioniert

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Ist ein Freund des rasanten Snookerspiels: der siebenmalige Weltmeister Ronnie O’Sullivan.
Ist ein Freund des rasanten Snookerspiels: der siebenmalige Weltmeister Ronnie O’Sullivan. (Foto: Cody Froggatt/Sportimage/Imago)
  • Eine neue Snookervariante namens "Snooker 900" begrenzt Matches auf maximal 15 Minuten und gibt Spielern nur 20 Sekunden pro Stoß.
  • Seit dieser Woche gibt es einen eigenen Sender bei Pluto-TV mit 18 Stunden Live-Snooker pro Woche, unterstützt von ehemaligen Weltmeistern.
  • Siebenmaliger Weltmeister Ronnie O'Sullivan befürwortet das Format als "ehrlicher" und "instinktiver" für ein jüngeres Publikum aus der Streaming-Generation.
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Spiele in 900 Sekunden, mit Stoppuhr und eigenem Fernsehsender: Eine neue Snookervariante sorgt für Aufsehen – und bricht mit vielen Gewohnheiten.

Von Carsten Scheele

Es gibt Snookerprofis auf der Welt, die es wegen ihrer Spielweise zu schönen Spitznamen gebracht haben. Mark Selby etwa, 41, wird von manchen Kontrahenten ehrfürchtig „der Folterknecht“ genannt. Der Grund: Selby treibt seine Gegner am Tisch mit seinem Safety-Spiel (den sicher abgelegten Kugeln) in unmögliche Situationen und erstickt gnadenlos jedes flüssige Spiel. Für manche Gegner ist das eine Qual. Doch Selby hat es im Präzisionssport weit gebracht, viermaliger Weltmeister ist er inzwischen.

Noch härter trieb einst Peter Ebdon seine Gegenspieler zur Weißglut. Ebdon, 54, war gefürchtet für seine Langsamkeit am Tisch. Er nahm sich mehr Bedenkzeit als alle anderen Spieler, durchdachte alle Eventualitäten zigmal, einmal linksherum im Gehirn, einmal rechtsherum, bevor er an den Tisch trat. Wenn Ebdon endlich das Queue anlegte, dauerte es weitere zehn, manchmal 20 Sekunden, ehe er sich dazu durchringen konnte, den Stoß wahrhaftig auszuführen. Es gibt ein vielsagendes Video davon, wie Ebdon auf diese Weise fünf Minuten für ein Break von gerade einmal zwölf Punkten benötigte. Sein Gegner Ronnie O’Sullivan gähnte, versank zwischenzeitlich in seinem Stuhl, fragte einen Zuschauer nach der Uhrzeit, bis Ebdon nach ewig währender Bedenkzeit den Ball deutlich verschoss. „Psycho“ nennt ihn O’Sullivan seitdem.

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Die Geschwindigkeit am Tisch ist O’Sullivan ein wichtiges Anliegen. Der Brite findet, dass vieles im Snooker schneller und kurzweiliger gehen sollte: Frames von mehr als einer Stunde Spielzeit, Endspiele bei großen Turnieren, die über zwei Tage ausgetragen werden – all das hält der siebenmalige Weltmeister für kaum zeitgemäß. Nicht in Zeiten, in denen das junge Publikum aus der Streaming-Generation Kurzweil einfordert und die Sportart ohnehin nicht ganz weiß, wohin sie steuern soll. Wie viel muss bewahrt, wie viel verändert werden, um zukunftsfähig zu bleiben?

Ein Match dauert maximal 900 Sekunden – dann ist alles vorbei

Deshalb ist O’Sullivan geradewegs begeistert von einer Idee, die vor drei Jahren geboren wurde und jetzt einem größeren Publikum bekannt gemacht werden soll. Snooker 900 heißt das Format, eine deutlich schnellere, weniger taktische Version der komplizierten Billardvariante. Seit dieser Woche gibt es sogar einen eigenen Sender, bei Pluto-TV sind zum Start kostenlos 18 Stunden Live-Snooker pro Woche zu sehen. Viele bekannte Namen treten da auf: Stephen Hendry, Ken Doherty, Steve Davies, alles vormalige Weltmeister, die Anschubhilfe leisten wollen.

Snooker 900 ist tatsächlich rasant, ein Match dauert maximal 900 Sekunden, also 15 Minuten. Zentrales Element neben den Kugeln und Löchern ist eine Shotclock, eine heruntertickende Stoppuhr, die einem Spieler pro Stoß lediglich 20 Sekunden Zeit einräumt. Schafft er das nicht, bekommt der Gegner den Ball; für einen wie Peter Ebdon wäre das sicher nichts. Am Ende, wenn die Zeit knapp wird, rennen die Spieler sogar um den Tisch. Steht es nach 900 Sekunden unentschieden, erfolgt die Entscheidung mithilfe einer Sudden-Death-Kugel.

All das führt zu einem flinkeren, mutigeren Spiel. Snooker 900 sei „ehrlicher“ und „instinktiver“, sagt O’Sullivan: „Die Spieler denken weniger nach.“ Normalerweise sei der richtige Stoß ohnehin jener, der einem Spieler als Erstes in den Kopf schießt, keine komplizierte Variante, über die man erst lange sinnieren muss. Snooker 900 bricht mit weiteren Traditionen: So ist piekfeiner Zwirn für die Spieler ebenso wenig Pflicht wie absolute Ruhe im Publikum. Alles geht lockerer zu, als rücke Snooker näher an seinen Ursprung heran, den Kneipensport.

Für die Sehgewohnheiten des Snookerpublikums bedeutet dies eine abrupte Veränderung, mit der Traditionalisten ihre Probleme haben. Gehört es bei stundenlangen Snookerübertragungen dazu, den Fernseher auch mal zu verlassen, Hausarbeit zu erledigen oder ein Nickerchen einzulegen, ist bei der neuen Variante alles viel schneller vorbei. Jetzt können „neue Zuschauer, die zum ersten Mal reinschalten, gleich sehen, wie das Spiel ausgeht“, sagt O’Sullivan.

Ob Snooker 900 irgendwann einen Platz im regulären Tourkalender findet oder bloß eine nette Spielerei bleibt? Alle großen Turniere wie der Grand Prix im zentralchinesischen Xi’an, bei dem aktuell die Weltelite am Start ist, werden weiter nach dem altbekannten Modus gespielt. Ohne Speed, ohne Hektik. Peter Ebdon kann es ohnehin egal sein, in welche Richtung seine Sportart steuert: „Psycho“ hat 2020 seine Karriere beendet.

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