Slomka-Rauswurf bei Hannover 96:Abserviert im Weihnachtsurlaub

Mirko Slomka

Mirko Slomka: Trennung von Hannover 96

(Foto: dpa)

Hannover 96 beschließt die Trennung von Mirko Slomka, doch demontiert wurde der Trainer schon lange zuvor. Als Nachfolger werden zwei Kandidaten aus der zweiten Liga gehandelt, mit denen Klubchef Martin Kind allerdings Probleme haben dürfte.

Von Boris Herrmann und Jörg Marwedel

Am Freitagnachmittag, um 17.01 Uhr, war es endlich so weit. Unter der Überschrift "Personeller Neuanfang nach Hinrunden-Analyse" gab Hannover 96 den Rauswurf seines Trainers Mirko Slomka bekannt. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht", ließ Sportdirektor Dirk Dufner erklären. Der Satz könnte als Untertreibung des Jahres in die Bundesliga-Chronik eingehen. Tatsächlich hat sich Hannover diese Trennung sagenhaft schwer gemacht.

Es war ja längst nicht mehr die Frage gewesen, ob Dufner und vor allem Klubchef Martin Kind ihren Trainer noch haben wollen. Die Frage war eher, ob sie ihn anständig loswerden. Man muss diese Frage mit einem klaren Nein beantworten. Kind hatte die Suche nach einem Slomka-Nachfolger bereits lange vor Freitagnachmittag, 17.01 Uhr, gestartet. Thomas Schaaf, einer der Wunschkandidaten, hatte längst abgesagt, als die Gremien des Vereins am Freitag zu ihrer angeblich "verantwortungsvollen Analyse" zusammentrafen.

Einen Trainer erst öffentlich zu demontieren, bevor man darüber berät, ob man ihn weiterbeschäftigt, diese Vorgehensweise ist selbst im rauen Geschäft des Bundesliga-Trainerkarussells eine Rarität. Slomka weilte übrigens im Weihnachtsurlaub in Abu Dhabi, während in Hannover medienwirksam über ihn verhandelt wurde.

Fairerweise muss man sagen, dass Manager Dufner diese sagenhaft widersprüchliche Trennungsstrategie bereits nach Hannovers letzter Hinrundenniederlage in Freiburg (1:2) angekündigt hatte: "Wir wollen eigentlich mit Slomka weitermachen. Man muss aber auch den Mut haben, einen Schnitt zu machen." Am Tag nach Weihnachten hat die Vereinsführung dann all ihren Mut zusammen genommen, um ihre "Überzeugung, etwas verändern zu wollen" auch kund zu tun.

Inhaltlich mag diese Überzeugung gar nicht so falsch sein. Zwar hatte Slomka Hannover 2010 in äußerst schwieriger Lage vor dem Abstieg gerettet und danach zweimal in den Europapokal geführt. "Diese Erfolge werden immer eng mit seinem Namen verbunden sein", sagte Kind. Zuletzt hatten die Misserfolge allerdings reichlich Boden gut gemacht. Das Ende der Arbeitsbeziehung hatte sich angesichts der verkorksten Hinrunde ohne einen einzigen Auswärtspunkt deshalb schon länger angekündigt.

Hohe Abfindung für Slomka

Ferner gab es eine Reihe weicher Faktoren, die das Verhältnis zwischen Kind und Slomka zuletzt schwer belasteten. Trotz des vom Trainer als besonders wichtig gehandelten Fitness-Themas rannte die Mannschaft schon vergangene Saison weniger als die Bundesliga-Konkurrenz. Etliche Profis beklagten sich über die Arbeit des von Slomka zusammengestellten Fitness-Stabs unter dem Bewegungswissenschaftler Professor Jürgen Freiwald. Dieser Tage berichtete die Neue Presse, Slomkas Frau Gunda mache bei Freiwald ihren Doktor - das wäre zumindest eine interessante Konstellation.

Vom einst so perfekt funktionierenden Konterspiel der 96er waren zuletzt nur noch Ansätze zu erkennen. Stattdessen berichteten enge Beobachter, die nach dem Tod von Robert Enke zusammengewachsene Mannschaft sei inzwischen in ihre Einzelteile zerfallen. Dazu hätte auch beigetragen, dass bei den Kollegen und Fans angesehene Spieler wie Pogatetz oder Abdellaoue von Slomka abgeschoben wurden. Den begabtesten Fußballer Jan Schlaudraff hatte der Coach in schöner Regelmäßigkeit kaltgestellt und wieder begnadigt.

Auch die Zusammenarbeit mit dem tatsächlich noch verbesserungswürdigen Nachwuchs-Leistungszentrum funktionierte nicht in Kinds Sinne. In vier Jahren unter Slomka hat es kein eigener Spieler in die Stammelf geschafft. Kind und Dufner fiel diese Trennung wohl vor allem deshalb so schwer, weil Slomka noch einen Vertrag bis ins Jahr 2016 besaß. Die fällige Abfindung, die nach Vereinsangaben vertraglich geregelt ist, kommt Hannover teuer zu stehen. Laut Medienberichten beträgt sie mehr als eine Million Euro. Erwartet wird außerdem, dass das gesamte Funktionsteam ausgetauscht wird.

Nach jüngsten Aussagen Dufners sollte die Trainerfrage "keine Hängepartie werden". Bezüglich des ersten Teils der Frage (geht Slomka?) hat das schon mal nicht geklappt. Was den zweiten Teil betrifft (wer kommt danach?), deutet sich aber schon die nächste Hängepartie an. Nach der Absage von Schaaf galt zunächst André Breitereiter, der Trainer des Zweitligisten SC Paderborn, als Kandidat. Laut Kind traut man ihm aber offenbar den Job mangels Erfahrung im Profifußball noch nicht zu. Inzwischen hat der frühere 96-Profi auch selber abgesagt. Angeblich besteht zudem Interesse an Frank Kramer vom Zweitligisten Greuther Fürth. Der ist aber auch nicht viel erfahrener als Breitenreiter.

Gegen die üblichen Verdächtigen (Bruno Labbadia, Markus Babbel, Holger Stanislawski) könnte wiederum sprechen, dass sie nach Kinds Geschmack sogar etwas zu erfahren mit gescheiterten Engagements sind. Spätestens bis zum Trainingsstart am 5. Januar will Hannover natürlich eine "verantwortungsvolle Lösung" für seine wichtigste Planstelle gefunden haben.

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