Süddeutsche Zeitung

Slalom der Frauen:Sternzeichen Weltmeisterin

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Katharina Liensberger schreckt weder vor großen Konkurrentinnen noch vor mächtigen Verbänden zurück . Im WM-Slalom von Cortina d'Ampezzo gelingt der 23-Jährigen ihre bisherige Meisterleistung.

Von Johannes Knuth, Cortina d'Ampezzo

Skirennfahrer und ihre Einkehrschwünge ins Musikgeschäft, das ist oft ein Ritt auf der Kante. Dem einstigen Slalomkönner Hansi Hinterseer aus Österreich war in seinem zweiten Leben als Schlagerbarde noch die Zuneigung der Volksmusikgemeinde gewiss, bei Landsmann Fritz Strobl ("Ich bin der Mozart aus der Mausefalle / Der Paganini mit der Skischuhschnalle") war das schon so eine Sache. Katharina Liensberger verleiht dem musischen Ski-Genre nun neuen Schwung, zur Weihnachtszeit intoniert sie schon mal besinnliche Lieder an der Harfe. Sie wirkt auch sonst oft ein wenig entrückt vom verbissenen Skisportleralltag, wenn sie etwa erzählt, dass ihr die Sterne und das Universum dabei geholfen hätten, eine derart formidable Skirennfahrerin zu werden. Andererseits: Wer die Sterne auf seiner Seite hat, wen kümmern da noch fehlende Hundertstelsekunden?

Dass die Zukunft es sehr gut mit dieser 23-Jährigen meinen könnte, das wussten sie schon lange im Österreichischen Skiverband (ÖSV). Aber dass Liensberger schon die Gegenwart so sehr prägen würde? Gut, sie hatte sich in diesem Winter in allen fünf Slaloms im Weltcup auf dem Podest eingefunden, aber der erste Sieg wollte einfach nicht gelingen. Dafür gewann sie bei der WM in Cortina das Parallelrennen, zeitgleich mit der Italienerin Marta Bassino, und der Erfolg schien eine Welle zu entfachen, die sie erst zu Bronze im Riesenslalom trug und am Samstag zu Gold im Slalom. Da ging es nicht um Hundertstel, Liensberger lag eine pralle Sekunde vor der Slowakin Petra Vlhova, fast zwei sogar vor Mikaela Shiffrin, der Amerikanerin, die bei den vergangenen vier Weltmeisterschaften im Stangentanz reüssiert hatte.

Vor einem Jahr geriet ihr Aufstieg abrupt ins Rutschen

Liensberger habe schon immer genau gewusst, was sie wollte, hat ihr Vater neulich den Vorarlberger Nachrichten erzählt: Fahrradfahren bitteschön ohne Stützräder, Schwimmen ohne Schwimmflügel, diese Zielstrebigkeit brachte sie auch im Skisport sehr schnell sehr weit. Bei Olympia 2018 und der WM 2019 gewann sie schon Silber mit der Mannschaft, vor gut einem Jahr drohte ihr Aufstieg dann abrupt ins Rutschen zu geraten: Liensberger wollte den Ski-Ausrüster wechseln, sie hatte dabei allerdings, grob gesagt, ein paar Fallen im rutschigen Paragrafenwerk übersehen. Es ging eine Weile hin und her zwischen Liensberger, dem ÖSV und den Ausrüstern, die Athletin verpasste wegen der Streitigkeiten sogar den Saisonauftakt, bald war die Rede von Ein-Jahres-Sperren und Verbandswechseln. Am Ende kehrte sie zu ihrem bisherigen Ausstatter zurück - und kletterte unbeirrt in die Weltspitze.

"Sie lernt total schnell", sagte Christian Mitter jetzt in Cortina. Mitter hatte vor gut einem Jahr die erfolgreichen Norweger verlassen und das ÖSV-Frauenteam als Chefcoach übernommen, er hält weniger von Sternenkonstellationen als von einem schnellen Ski-Schwung, und Liensberger ist eine selbstbewusste wie strebsame Schülerin. Am Samstag wurde die neue Weltmeisterin gefragt, wie das denn in ihren Ohren klinge: Liensberger, ein Superstar der WM? Sie lachte kurz, dann sagte sie: "Klingt gut!"

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