Skispringer Richard Freitag:In der Weltspitze angekommen

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Die deutschen Skispringer werden langsam wieder wer: Nach Severin Freund ist nun auch der 20-Jährige Richard Freitag ein Weltcup-Gewinner. Zum ersten Mal seit Sven Hannawalds Zeiten scheint ein Deutscher ernsthafte Chancen auf den Sieg bei der Vierschanzentournee zu haben.

Thomas Hahn

Telefonat mit dem Skisprung-Bundestrainer, und auch wenn Werner Schuster nicht dazu neigt, Gesprächsthemen zu diktieren, muss er am Anfang doch gleich mal nachfragen: Es werde im Folgenden doch wohl nicht nur um Richard Freitag gehen? Um dessen Premiere als Weltcup-Gewinner beim Springen von Harrachov am Sonntag? Er möchte die Ergebnisliste als Ganzes gelesen sehen, damit zur Geltung kommt, dass der Erfolg des 20-jährigen Freitag von der SG Nickelhütte Aue im Rahmen einer sehr guten Teamleistung zu sehen sei mit Severin Freund aus Rastbüchl auf Platz drei und Michael Neumayer auf Rang neun.

Auf dem Flug zum ersten Weltcup-Sieg: Richard Freitag bei der Arbeit in Harrachov/Tschechien. Vor gut 29 Jahren - im Januar 1983 - errang sein Vater Holger Freitag an gleicher Stelle den einzigen Weltcupsieg seiner Karriere. (Foto: Reuters)

Zwei Deutsche auf dem Podest - das gab es seit März 2002 nicht mehr, als Martin Schmitt und Sven Hannawald auf den Rängen zwei und drei landeten. Und das entspricht ziemlich genau dem Geschmack des Bundestrainers Schuster, dessen Ziel es schon immer war, die Last des sportlichen Alltags auf mehrere potentielle Siegspringer zu verteilen. "Entscheidend ist, dass es ein Duo gibt", sagt Werner Schuster, "das kann sich stützen und entlasten."

Aber der Neue im Siegspringer-Duo weckt eben zunächst doch das meiste Aufsehen, zumal wenn es sich um einen schmalen Mann handelt, der zwar noch jung ist, aber den der Bundestrainer selbst seit geraumer Zeit schon als Talent im Aufbau nennt. Richard Freitag ist in diese Rolle als chancenreicher Mitbewerber hineingewachsen, nicht hineingeschnellt wie vor zwei Jahren Pascal Bodmer, der nur acht Monate älter ist als Freitag.

Ende November 2009 in Kuusamo stand Bodmer plötzlich auf dem Podest, hielt sich eine Weile tapfer unter den ersten Zehn, ehe er an seine Grenzen stieß. In diesem Jahr ist er noch gar nicht in Erscheinung getreten, weil er seinen Sturz vom Frühjahr in Planica nicht so leicht aus dem Unterbewusstsein brachte. Nun steht Bodmer mit seinen nicht einmal 21 Jahren da wie einer, für den es zuletzt vor allem bergab gegangen ist.

Freitag dagegen: Als Bodmer im Rampenlicht stand, arbeitete er noch im B-Team des DSV. Eine Saison später bekam er schon mehr Einsätze im Weltcup und durfte mit zur WM nach Oslo. Im Sommer danach fiel er mit Podestplätzen im Sommer-Grand-Prix auf, und beim Winterauftakt bewährte er sich unter schwierigen Bedingungen in Kuusamo.

Im Training wäre er fast gestürzt, in der Qualifikation siegte er, im Wettkampf wurde er Neunter. Und Werner Schuster lobte: "Dass er sich hier selber rausgezogen hat, das wird ihm sehr viel Kraft geben." So war es: Eine Woche später in Lillehammer war Freitag Zweiter, in Harrachov Erster. Und nun?

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"Ich werde alles dafür tun, dass Harrachov nicht mein einziger Sieg bleibt", hat Richard Freitag in Harrachov erklärt und damit nebenbei auch ziemlich viel über seinen eigenen Charakter gesagt. Richard Freitag weiß, dass die Arbeit nicht aufhört, bloß weil sich ein bisschen Erfolg eingestellt hat, aber genauso hat er längst verstanden, dass er im Schanzensport etwas Besonderes schaffen kann.

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Er strahlt ein Selbstvertrauen aus, das nie ins Vorlaute oder Anmaßende hinüberspielt, genauso wie Severin Freund, 23, der in der vergangenen Saison zum ersten Siegspringer der Ära Schuster aufstieg. Und genauso wie der Chef selbst, dessen Trainingskonzept nun endgültig die Ergebnisse bringt, nach denen sich der erfolgsverwöhnte Deutsche Skiverband nach den großen Erfolgen Hannawalds und Schmitts so lange sehnte.

Werner Schuster neigt nämlich jetzt auch nicht zum Abheben. Und gerade den Fall des jungen Freitag bearbeitet er mit einer gewissen Zurückhaltung, damit sich die aufgeregte deutsche Medienlandschaft nicht gleich wieder in einen neuen Hannawald/Schmitt-Wahn hineinsteigert. "Er hat ziemlich viel, was man braucht", sagt Schuster über Freitag und zählt dann im Grunde alles auf, was ein guter Skispringer braucht: gute Sprungkraft, leichter Körperbau, Bewegungstalent, klarer Kopf, sortiertes Umfeld. Aber er sagt auch: "Ich würde mal die Kirche im Dorf lassen."

Die Kirche im Dorf zu lassen ist nie verkehrt, schon gar nicht in diesem Wintersport-Geschäft, das seine Hauptdarsteller ständig vor sich her treibt. "Es gibt keine Zeit, um sich feiern zu lassen", sagt Schuster. Am Wochenende muss sein Team schon zum Weltcup nach Engelberg, der immer eine besondere Herausforderung ist, weil es der letzte vor der Vierschanzentournee ist. Richard Freitag wird dort seine erste große Nervenprobe im Range eines Sieganwärters bestehen müssen, und nach Weihnachten beginnt dann der ganz große Stress. Die Tournee. In diesem Jahr wieder mit aussichtsreichen Deutschen, das verändert die Ausgangslage beträchtlich.

Ruhe bewahren ist also Werner Schusters Motto, sich nicht am Ziel fühlen. "Ich habe zu viel erlebt am Schanzenturm", sagt er, so ein schöner Siegeszauber kann ganz schnell vorbei sein, und deshalb freut sich Werner Schuster jetzt zwar über seine beiden Podestbesteiger Freitag und Freund. Aber Schuster sagt auch: "Mir wäre es lieber, wenn wir noch einen dritten hätten."

© SZ vom 13.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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