Skispringen der Frauen:Der Kampf um die vier Schanzen

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Zufrieden mit der Form, verärgert über die Funktionäre: Katharina Schmid. (Foto: Philipp Schmidli/dpa)

Um das Skispringen der Frauen endlich auch bei der Tournee voranzubringen, müsste für sie zumindest ein ähnliches Format wie für die Männer eingerichtet werden. Doch die Debatten finden kein Ende – und den Athletinnen bleibt nur eine Miniaturausgabe.

Von Volker Kreisl, Oberstdorf

Es ist, als wäre in einem ganzen Jahr nichts geschehen. Immer noch werden Beschuldigungen und Rechtfertigungen hin- und hergeworfen. Immer noch steckt dieser Sport, obwohl sehr alt und mit langer Tradition, mit kunstvollen Fliegern und findigen Ideen – etwa dem gebogenen Bindungsstab, den vor Jahren schon der Schweizer Simon Ammann erfand –, immer noch steckt dieser Sport in den Kinderschuhen.

Das Skispringen mit all seinen Sternstunden blamiert sich schon wieder im Jahreswechsel 2024/2025 in der 73. Ausgabe der Vierschanzentournee. Denn das ist das wichtigste Format im Skispringen: Es wird von den meisten Wintersport-Zuschauern im Fernsehen verfolgt, stundenlang, während ihre Weihnachtsplätzchenreserven allmählich zur Neige gehen. Und doch ist dieses große, wichtige und traditionelle Format weiterhin nicht ausgereift, denn die Verantwortlichen haben ihre springenden Frauen offensichtlich vergessen.

Innsbruck braucht mehr Licht für zwei Wettkämpfe

Zumindest sieht es von außen so aus. Schon vor einem Jahr sagte Katharina Schmid, 28, eine der profiliertesten Skispringerinnen weltweit, sie sei über die weitere Verzögerung komplett frustriert. Denn sie wird nicht wie etwa Daniela Iraschko-Stolz springen, bis sie das Alter von 40 Jahren erreicht; Katharina Schmid hat mit Sicherheit wie viele Spitzensportlerinnen schon früher andere Pläne, beruflich wie privat.

Wie Tournee-Kenner wissen, steht in Innsbruck eine der traditionsreichsten Skisprungschanzen, die um die Jahrtausendwende von der berühmten Architektin Zaha Hadid neu konzipiert wurde. Das Bauwerk auf dem Bergisel im Süden Innsbrucks ist eine eigenwillige Konstruktion, die weltweit Beachtung erlangt hat, denn der Schanzenturm endet mit einem eigenwilligen Turmhaus und ähnelt einer Art Kobra. Auf dieser modernen Anlage wollen viele Springer und seit Jahren auch Springerinnen Sport treiben, in Welt- und Conti-Cups und auch im Training. Die Hadid-Schanze hat also alles, Schönheit, Renommee, Tradition, großen Sport, nur das nicht, was die Skispringerinnen dringend für eine gemeinsame Tournee bräuchten: Flutlicht.

Noch gäbe es eine Chance für die Skisprung-Besten, die eine Schanze wirklich ausspringen können und einen spannenden Tour-Wettkampf ausfechten könnten. Alle Seiten, die Tournee-Verantwortlichen, die Weltcup-Veranstalter, die Athleten, Springerinnen und Springer, müssten sich nur über ein Format einigen. Horst Hüttel, Sportdirektor des Deutschen Skiverbands (DSV), sagt:  „Jedes Jahr, in dem die Damen nicht analog dabei sind, ist aus meiner Sicht ein verlorenes Jahr, für das Skispringen generell – für die Damen im Speziellen.“ Und: „Ich wünsche mir das sehr, vielleicht gibt es eine kleine Chance, das Ganze schon 25/26 umzusetzen.“ Dennoch müsste zuerst das größte Hindernis einer Öffnung der gemeinsamen Tournee beseitigt werden: das fehlende Licht in Innsbruck.

Die Lösung könnte die Gegenrichtung sein: Beginn in Bischofshofen

Das Tageslicht reicht im tiefen Winter gerade mal dazu aus, einen einzigen Wettkampf auszurichten. Nun setzt der Innsbrucker Skisport darauf, dass die Ratsherren in den Verhandlungen eine Lösung finden, denn nur so ergäbe es eine gemeinsame Tournee von Männern und Frauen. Die Innsbrucker Schanze steht zwar recht nahe an einem Wohngebiet, jedoch sind auch alle anderen Tournee-Schanzen nicht gerade in Einöden errichtet worden. Aber die schon recht alte Verordnung, die Flutlicht verbietet, gilt selbstredend weiterhin, bis sie verändert oder abgeschafft wird. Dabei wäre es eine Königslösung, wenn der Sprungsport, der sich in Österreich vieler Anhänger erfreut, gemeinsam mit der Stadt Innsbruck zu einer Lösung fände. Zurzeit wird verhandelt, Katharina Schmid sagt: „Ich glaube, wenn man es wirklich will, dann findet man einen Weg“.

Falls das Innsbrucker Licht nicht angeschaltet wird, könnte man dennoch Lösungen finden. Es wäre zwar nicht der Effekt, den die Springerinnen möchten, nämlich Gleichberechtigung, also eine gemeinsame Vierschanzentournee. Doch sollte das wieder verzögert werden, blieben andere Optionen.

Zum Beispiel könnte das Frauenspringen wenigstens den einen Schritt machen: die Zweier-Mini-Tournee TNT hinter sich lassen. Sie könnte etwa eine eigene Tournee über vier Schanzen absolvieren, und zwar zur selben Zeit wie die Männer – nur in Gegenrichtung, also mit Start in Bischofshofen, ohne die Männer, die ja im Westen seit 73 Jahren gen Osten loslegen. Deren Tradition, Kulissen und Faszination würden zwar fehlen, aber die Frauen sind in der Lage, ihre eigenen Höhepunkte zu etablieren wie in vielen Winter- und Sommerdisziplinen in der Geschichte des Sports, in denen auch erst nur Männer dominierten.

Katharina Schmid, die beste deutsche Skispringerin, die so lange schon den Jahreswechsel ohne besonderen Wettkampf verbracht hat und die eher nicht bis 40 springen wird, wäre bestimmt bei einer Frauentournee dabei. Mit vier Schanzen.

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