Der 52-jährige Toni Innauer hat seinen Sport auf verschiedene Arten geprägt: Zunächst als Athlet: Innauer war Skiflug-Weltrekordler (1976), Olympiasieger (1980) sowie der erste Skispringer, der für den perfekten Sprung fünfmal die Höchstnote 20 bekam. Später - nach einem Philosophie-, Psychologie- und Sport-Studium - als Trainer im Österreichischen Skiverband, ehe er als ÖSV-Skisprungdirektor die österreichische Erfolgsära maßgeblich beeinflusste. In diesem Sommer zog sich Innauer ins Privatleben zurück. Er lebt als Autor und Vortragsreisender bei Innsbruck. In diesem Jahr erschien seine nachdenkliche Autobiographie "Am Puls des Erfolgs".
Neue Bindung, neues Glück? Das Skispringen steht vor dem nächsten Technologie-Sprung.
(Foto: REUTERS)SZ: Herr Innauer, wissen Sie schon, was Sie heuer an Neujahr machen?
Innauer: Das ist das Schöne, dass ich das nicht weiß nach den vielen Jahren.
SZ: 35 Jahre lang haben Sie sich von der Vierschanzentournee den Jahreswechsel prägen lassen. Wie hält man das aus als intelligenter Mensch?
Innauer: Es gibt schon verschiedene Ebenen zu durchleben. Sportler, Trainer, Sportdirektor. Die internationale Dimension kommt dazu, das füllt dann ein bisschen was aus. Aber natürlich, dieses sich immer Wiederholende verliert irgendwann seinen Reiz.
SZ: Wollten Sie deswegen nicht mehr Sprung-Direktor des ÖSV sein?
Innauer: Auch. Die Faszination lässt einfach nach, jedes Jahr neue Dinge zu entwickeln und letztlich nur an Siegen gemessen zu werden.
SZ: Oder ist auch ein Grund, dass das Skispringen sich in eine Richtung entwickelt, die den Sport infrage stellt?
Innauer: Naja, ein bisschen haben Sie da den Idealisten in mir aufgespürt. Das Skispringen ist ein einzigartiger Sport, der erst seit Kurzem ein Profisport ist und in Dinge wie Kommerzialisierung, Prominenz oder Status nicht langsam hineinwachsen konnte. Da merke ich, dass die Einzigartigkeit verloren geht. Und dass teilweise nicht mehr verstanden worden ist, was ich bewahren will.
SZ: Von wem nicht mehr verstanden?
Innauer: Von Managern, aber auch von Sportlern, bei denen manchmal ein ungebremstes Motiv vorherrscht, viel Geld zu verdienen und schnell berühmt zu werden - ohne den Überblick aus jahrzehntelangem Mitgestalten. Da sehe ich, dass viele wertvolle Dinge Gefahr laufen, verloren zu gehen.
SZ: Zum Beispiel?
Innauer: Das Skispringen war bis vor Kurzem ein Sport, den ehemalige Skispringer in seiner Entwicklung sehr stark mitgestaltet haben mit ihrem Eigengefühl für die Sache. Jetzt beeinflussen es immer mehr Leute, deren Kompetenzen im Medial-Wirtschaftlichen und Sportpolitischen liegen. Die Durchlässigkeit von der Basis nach oben wird schwächer. Das ist wohl nicht zu verhindern, aber an dieser umkämpften Grenze zwischen Ideal und Kommerz werden immer wieder Entscheidungen zugunsten der wirtschaftlichen Nutzung gefällt.
SZ: Auch bei der Vierschanzentournee, der Traditionsmesse des Springens?
Innauer: Die Tournee hat eine starke innere Kraft wegen ihrer Tradition und Einzigartigkeit. Es sind andere Weltcup-Stationen, die reindrängen, drinbleiben wollen und das mit Mitteln zu erreichen versuchen, die es genauso bei Bum-Bum-Beachpartys gibt. Die Leistungen der Sportler werden dabei oft mit Techno und Chauvinismus zugedröhnt, statt mit Stil und Respekt präsentiert.
SZ: Skispringen wirkt dieser Tage etwas verändert. Die neuen Bindungen lassen die Leute wieder besser fliegen.
Innauer: Das ist vielleicht so ein Beispiel: Wenn ehemalige Sportler die Entscheidungen getroffen haben, dann war das im Internationalen Skiverband (Fis) nach einer klaren Linie: Die Reduktion der Hilfsmittel ist eine Gundvoraussetzung, um den puren Sport messbar zu machen, mit möglichst wenig Technik, welche die Leistung verfälschen könnte. Hinter manchen Entscheidungen spürt man jetzt überdeutlich nationales oder politisches Kalkül. Es ist nicht einmal diskutiert worden über eine Reglementierung der Bindung, sondern es ist einfach freigegeben worden. Nicht befriedigend.
SZ: Warum?
Innauer: Jeder entwickelt vor sich hin, Sicherheitsstandards gibt es kaum. Dort liegt ein Risiko, es gibt ja nicht nur Nationalmannschaften, die das Budget haben, das sorgfältig zu machen. Man weiß nicht, wie sich die Entwicklung auf ein beeindruckend ausbalanciertes System mit Skilänge und Körpergewicht auswirken wird. Und dann ist es wie immer bei Technologiesprüngen: Wenn die Verkürzungsmöglichkeiten im Anlauf der Schanzen ausgeschöpft sind oder gar die Aufsprungneigungen nicht mehr stimmen, wird es unangenehm. Diese durch die Bindung flach geführten Ski ermöglichen nun mal eine effektivere Flugkurve.