Süddeutsche Zeitung

Gewicht im Sport:Gesund, aber zu schwer für ihren Sport

Olympiasiegerin Maren Lundby sagt für die Skisprung-Saison ab, weil ihr Körpergewicht zu hoch sei, "um auf dem höchsten Niveau zu springen". Ein Fall, der die Härten im Leistungssport offenlegt.

Von Saskia Aleythe

Sie fühlt sich gesundheitlich so gut wie noch nie, sagt Maren Lundby. Die Skispringerin weint, als sie im norwegischen Fernsehen diesen Satz sagt, denn ihr Wohlbefinden hat einen hohen Preis. Lundby ist die Frau, mit der sich in den vergangenen Jahren die Besten gemessen haben, sie ist 2018 Olympiasiegerin geworden, hat drei Mal den Weltcup gewonnen, ist im März in Oberstdorf Weltmeisterin auf der Großschanze geworden. Doch die kommende Saison mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Peking lässt Lundby aus, denn: "Ich bin ein paar Kilo zu schwer, um auf dem höchsten Niveau zu springen."

Es ist eine Offenheit, die selten ist im Sport, wo der Körper und das eigene Gewicht als Währung gelten. Man kann Lundby ansehen, dass sie vor allem erleichtert ist, nun über etwas zu reden, was sie schon länger belastet. Schon im vergangenen Winter habe sie gemerkt, dass es ihr schwerer fiel als sonst, das Gewicht zu halten. Ihr Weltcup-Debüt gab die Norwegerin mit 14 Jahren, seitdem bestimmt nicht nur das körperliche Training ihren Alltag, sondern auch die Notwendigkeit, streng auf die Ernährung zu achten. "Im Skispringen werden extreme Anforderungen gestellt", sagt Lundby beim TV-Sender NRK, "das Gewicht ist ein Teil davon."

"Ich habe mein Gewicht nie unverantwortlich kontrolliert, auch das gehört zu meinem Erfolgsrezept", sagt Lundby

Mit weniger Kilos fliegt es sich weiter in ihrem Sport, das Abmagern in der Weltspitze sollte mit der Einführung einer BMI-Grenze 2004 bei den Männern gebremst werden. Für beide Geschlechter gilt heute ein Body Mass Index von 21 als Untergrenze. Wer weniger wiegt, muss mit kürzeren Skiern springen, was weniger Tragfläche und somit einen Nachteil ergibt, der den Vorteil der Leichtgewichte ausgleichen soll. Doch inzwischen haben einige Athleten ihre Technik so angepasst, dass sie auch mit kurzen Skiern und einem sehr geringen Gewicht große Weiten erzielen können.

Im Dezember starten die Skispringerinnen in ihre Saison, ihren Sport will Lundby noch lange betreiben - aber nicht unter der Bedingung, jetzt schnell und radikal abzunehmen. "Ich habe mein Gewicht nie unverantwortlich kontrolliert, auch das gehört zu meinem Erfolgsrezept", sagt sie. Ihr Körper habe sich zuletzt verändert, sie wolle nun nicht alles opfern, um in Peking auf Top-Niveau zu sein. Die Entscheidung sei ihr sehr schwergefallen, "weil ich unbedingt springen möchte. Aber diese Saison geht es einfach nicht."

In den vergangenen Monaten war Lundby als Teilnehmerin einer Tanzshow im norwegischen Fernsehen zu sehen, was in Norwegen auch Debatten auslöste. Sie hatte die Sommersaison ausgelassen und sich nach Ansicht mancher nicht professionell verhalten. Doch Gegenwind kann sie aushalten, ihr Bekenntnis soll nun auch eine Botschaft an Nachwuchsspringerinnen sein, auf ihren Körper zu achten. Mit radikaler Gewichtskontrolle, so Lundby, "kannst du alles zerstören".

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