Süddeutsche Zeitung

Skispringen:Die logische Medaille

  • Katharina Althaus aus Oberstdorf holt in Pyeongchang Silber im Skispringen. Gold geht an die Norwegerin Maren Lundby, Bronze an die Japanerin Sara Takanashi.
  • "Ich wusste von meinen Vorleistungen, dass ich hier alles erreichen kann", sagt Althaus später.
  • Alle Ergebnisse und den Medaillenspiegel finden Sie hier.

Von Volker Kreisl, Pyeongchang

Diesmal gab es keine Überraschung. Das zweite olympische Skispringen der Frauen folgte allen Tendenzen dieses Winters. Auch der Wind, so schien es, hielt wenigstens im entscheidenden Moment kurz den Atem an, damit sich die Formation fürs Podest finden konnte, die allen Favoritinnen ihren gerechten Lohn bescherte.

Gold ging an die Norwegerin Maren Lundby, Silber an Katharina Althaus aus Oberstdorf und Bronze an, ja tatsächlich: Sara Takanashi, die weltbekannte, aber bislang bei großen Ereignissen unglückliche Japanerin. Diese Drei waren im Finale nacheinander dran, rissen nacheinander die Arme hoch, als wäre die Medaillenfarbe egal; sie vergossen Tränen unter der Skibrille und lagen ihren Betreuern und Betreuerinnen in den Armen.

Vorangegangen war ein Springen, das fast schon die Ausmaße des extremen Männer-Wettbewerbs vom Samstag annahm. Wieder waren auf der Kleinschanze im Alpensia-Nordisch-Gebiet die Lichter zu später Stunde noch an, wieder schien sich der Wind zu steigern, wieder schienen die Temperaturen tief in den Keller zu sinken. Das ergab dieselben Szenen wie vor zwei Tagen: flatternde Windfahnen, wartende Springerinnen. Das Gate für den Abflug wurde versetzt und dann doch wieder zurückgesteckt, die Sportlerinnen setzten sich auf den Balken, verließen ihn wieder, setzten sich wieder, und so weiter. Eine Dreiviertelstunde Verspätung ergab das schließlich, aber eben keine Absage und auch kein auf einen Durchgang verkürztes Springen, wie zwischendurch befürchtet.

Den deutsche Beitrag zu diesem Dreier-Happy-End leistete Katharina Althaus, 21, die unter den vielen jungen Springerinnen wohl schon eine der Erfahrensten ist. Ihre Silbermedaille ist die logische Folge einer sukzessiven Entwicklung. Althaus debütierte als 15-Jährige im Weltcup und arbeitete sich Schritt für Schritt in die Weltspitze hinauf. In diesem Winter blühte sie schließlich auf. Ihr Absprungsystem wurde immer harmonischer, sie landete weit unten, das Selbstbewusstsein wuchs. Althaus setzte sich auf Platz zwei im Ranking fest und hatte auch vor den Kulissen und dem Olympiarummel keinen Respekt, Silber war die logische Konsequenz. "Ich wusste von meinen Vorleistungen, dass ich hier alles erreichen kann", sagte sie.

Carina Vogt steht im ersten Durchgang lange im Wind - am Ende wird sie Fünfte

Maren Lundby, die Norwegerin, ist ähnlich gefestigt und ehrgeizig wie Althaus; dass sie Gold holen würde, hatte kaum jemand angezweifelt. Etwas mehr Sorgen machten sich dagegen die Betreuer und Fans von Sara Takanashi, der Springerin, die zuletzt immer die tragische Rolle bei den großen Festen ihres Sports gespielt hatte. Der bot seit seiner olympischen Premiere in Sotschi 2014 ein Nervenspiel zwischen zwei Athletinnen. Takanashi, die stets im Weltcup die Beste war, und der Degenfelderin Carina Vogt.

Die stand zwar im Alltag meistens auf hinteren Plätzen, entwickelte aber eine große Kunst darin, zu den Saisonhöhepunkten den Rest hinter sich zu lassen. Die Sieg-Bilanz bei Großereignissen: Takanashi null, Vogt fünf. Die 26-Jährige holte sich das Olympia-Gold 2014 sowie jeweils die WM-Titel im Einzel und Mixed in den Jahren 2015 und 2017. Auch in diesem Winter war Vogt erst kaum zu sehen und drehte dann zunehmend auf. Sie steigerte sich sogar noch im Training von Pyeongchang, am Ende reichte es aber doch nicht. Carina Vogt wurde diesmal Fünfte.

Ein bisschen war Carina Vogt diesmal auch der Pechvogel des Abends. Sie stand gegen Ende des ersten Durchgangs lange oben im Wind, wurde zweimal vom Startbalken gebeten und wieder hinauf dirigiert, aber daran wird es letztlich nicht gelegen haben. Ihr zweiter Sprung hatte nicht das Niveau der Besten, zum Beispiel das von Sara Takanashis weitem Satz hinunter bis auf 103,5 Meter. Damit hatte die 21-Jährige aus Kamikawa/Hokkaido zwar immer noch keinen Sieg, aber wenigstens ihre Olympiamedaille.

Andreas Bauer, dem Bundestrainer, bereitete dieser Abend in doppelter Hinsicht Befriedigung: "Ich bin extrem happy", sagte er. Zum einen natürlich wegen der Leistung von Althaus, die eine konstante deutsche Medaillenserie seit den Anfängen des Frauenspringens fortsetzte. Zum anderen wegen dem Rest des Teams, das auf den Plätzen fünf (Vogt), acht (Ramona Straub) und zehn (Juliane Seyfarth) landete. "Es stand ja extrem viel auf dem Spiel", erinnerte Bauer, und zwar für alle, die sich an diesem Abend etwas vorgenommen hatten, nicht nur die Deutschen. Noch ist der Sport jung, und die Athletinnen haben bei Olympia nur einen Wettkampf, nur diese eine Chance - egal, ob der Wind gerade stark oder schwach weht.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2018/chge
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