Skirennläufer Felix Neureuther:Bedingt bewegungsfähig

Felix Neureuther stellt Projekt 'Beweg Dich schlau' vor

Wegen Schmerzen außer Form. Skirennfahrer und Rückenpatient Felix Neureuther.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Felix Neureuthers Saisonstart ist in Gefahr. Seit drei Wochen pausiert er mit dem Training, ein Comeback ist derzeit nicht absehbar. Vor dem Alpinen-Auftakt in Sölden Ende des Monats ist seine größte Sorge nicht die Form, sondern der Rücken.

Von Johannes Knuth

Felix Neureuther erhebt sich, er bewegt sich mühelos auf beiden Beinen fort, und das ist schon einmal eine gute Nachricht. Der 30-Jährige hatte vor kurzem seine Saisonvorbereitung auf unbestimmte Zeit stillgelegt, am Dienstag tritt er bei einem Sponsorentermin wieder in Erscheinung, er sagt: "Solange ich nicht mit dem Rollstuhl reingefahren werden muss, ist alles gut."

Alles gut?

Felix Neureuther stellt am Dienstag sein neues Buch vor. "Beweg dich schlau", heißt die Lektüre, sie soll Kinder zu mehr Bewegung animieren, aber darum geht es bei der Präsentation nur am Rande. Die Journalisten im Publikum interessieren sich vielmehr für die Frage, wie es um die Bewegungsfähigkeit von Deutschlands bestem Skirennfahrer steht. Am 25. Oktober startet in Sölden bereits die neue Saison, auf dem Programm steht ein Riesenslalom. Felix Neureuther sagt: "Für Sölden sieht es nicht ganz so gut aus."

Der 30-Jährige hatte sich Ende Juni im Kraftraum auf die neue Saison vorbereitet. Neureuther absolvierte einen Maximalkrafttest für den Rücken, heute sagt er: "Das hätte ich nicht machen sollen." Eine falsche Bewegung, und im Lendenwirbelbereich brach eine alte Entzündung auf. Neureuther ließ sich behandeln, begann das Training im Schnee, schluckte Schmerzmittel, brach es wieder ab. Seit drei Wochen pausiert er, Ausgang offen.

Früher fuhr er immer am Limit - das rächt sich heute

Es ist nicht der erste Eintrag in die Krankenakte. Im Vorjahr verschleppte eine Sprunggelenksverletzung seinen Saisonstart, und die Rückenschmerzen, die begleiten ihn seit Jahren. Neureuther will nun wenigstens Mitte November im finnischen Levi mitwirken, beim ersten Slalom. "Letztes Jahr hat die Saison für mich im Januar angefangen", sagt er, "dieses Jahr wird es ähnlich sein." Der 30-Jährige hat mittlerweile ein beachtliches Expertentum darin aufgebaut, mit wenigen Trainingseinheiten große Erfolge zu sammeln, mittelfristig wirft dieses Konzept allerdings die Frage auf: Wie lange geht das gut, das ständige Pendeln zwischen Piste und Reha, zwischen Slalomstangen und Schmerztabletten? Oder wie Neureuther sagt: "Von ganz okay bis schlecht."

Beim Deutschen Skiverband (DSV) wächst die Sorge, dass Neureuthers Körper dieses Wechselspiel nicht mehr allzu lange mitmachen wird. Sie sind erstaunt über seine Regenerationsfähigkeit, jüngstes Fallbeispiel waren die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Neureuther war vor dem Flug nach Russland mit dem Auto in eine Leitplanke gerast, hatte sich am Nacken und Rücken verletzt. "Einen Tag vor dem Riesenslalom hättest du erwartet, der fährt keinen Zentimeter", erinnert sich DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier, "und am nächsten Tag wird er Achter." Maier ist sich sicher, dass seine beste Technik-Fachkraft auch in dieser Saison gute Ergebnisse produzieren wird. Maier sagt aber auch: "Es kann sein, dass du irgendwann Substanz verlierst wegen der vielen Pausen."

Neureuther ist sich der Problematik durchaus bewusst, er wirkt nachdenklich. Er redet über Henrik Kristoffersen, den jungen Norweger, der ihn in der vergangenen Saison das eine oder andere Mal bezwungen hatte. "Der ist in seiner Karriere bisher fünf Mal ausgeschieden", sagt Neureuther, ich bin alleine bei meinem ersten Rennen fünf Mal ausgeschieden." Als junger Fahrer sei er sehr oft an seine Grenzen gegangen, manchmal auch darüber hinaus, "das rächt sich jetzt so ein bisschen", sagt Neureuther, er ergänzt: "Diese Vorbelastungen waren so ein bisschen too much." Zu viel.

Sieg im Slalom-Weltcup? "Das ist ganz weit weg"

Nach den Spielen in Sotschi, nachdem er ohne Medaille wieder nach Hause gefahren war, hatte Neureuther verkündet, er werde "einen brutalen Masterplan" für die neue Saison ausarbeiten. Die genauen Inhalte des Papiers sind nicht überliefert, in groben Zügen sahen sie zunächst einmal vor: längerer Urlaub, mehr Pause für den Rücken, späterer Trainingsbeginn, dafür stabilere Form. Das habe so weit auch ganz ordentlich funktioniert, erinnert sich Neureuther heute - bis zu dieser Einheit im Kraftraum. Seitdem begleiten ihn wieder Schmerzen. Sein neuer Plan beschäftigt sich derzeit vor allem mit folgender Frage: Wie bereite ich mich auf die brutalen Belastungen eines Skiwinters vor, wenn ich mich derzeit kaum belasten darf?

Verletzte Spitzensportler sind furchtbar ungeduldig, Neureuther besonders, das gibt er offen zu. Man merkt, wie er den Neureuther von damals in sich zähmen muss, den, der seinen Körper an und über Grenzen führte. Er habe eigentlich keine Schmerzen mehr, klagt Neureuther, "aber die Ärzte sagen halt, ich darf nicht fahren, sonst mach ich sofort wieder alles kaputt." Neureuther klingt jetzt wie ein Kind, dem die Eltern das Lieblingsspielzeug weggenommen haben, man merkt ihm den mentalen Stress an. Sich immer wieder zurückzukämpfen, "das kostet sehr viel Energie", sagt er, "und ich bringe die Energie schon sehr viele Jahre auf." Noch sei die Energieversorgung stabil, er stelle sich aber immer öfter die Frage: "Wann ist der Punkt da, an dem ich die Energie nicht mehr aufbringen kann?"

Am Ende fällt noch die Vokabel "Slalom-Weltcup", Felix Neureuther lächelt müde. "Das ist ganz weit weg", sagt er. Die anderen seien voll im Saft, und Gesamtweltcupsieger Marcel Hirscher soll in einer Bombenform sein. Er selbst habe zunächst einmal kleinere Ziele. "Ski fahren", sagt Neureuther.

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