Nordische Kombination:Mit Stock und Bart

Nordische Kombination: Gestatten: Nathalie Armbruster, bei ihrem historischen dritten Platz der Kombiniererinnen in Lillehammer.

Gestatten: Nathalie Armbruster, bei ihrem historischen dritten Platz der Kombiniererinnen in Lillehammer.

(Foto: Millo Moravski/Agence Zoom/Getty Images)

Nathalie Armbruster erreicht als erste DSV-Kombiniererin das Weltcup-Podest. Ein großartiger Erfolg für die Pionierin - doch für ihre noch junge Sportart geht es um die Existenz.

Von Volker Kreisl

Nathalie Armbruster hörte sich nach den Strapazen im kalten Lillehammer nicht gut an. Die Stimme war leicht brüchig, der ganze Kopf vernehmlich von einer Erkältung strapaziert. Aber das täuschte, insgesamt war es einer der seltenen Momente, in denen so eine Erkältung überhaupt nicht schlimm ist. Denn Armbruster war glücklich, so glücklich, aber auch baff, wie eine junge Sportlerin nur sein kann, weshalb sie im Wesentlichen auch sagte: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll."

Was auch sollte sie anmerken außer Floskeln von Dankbarkeit und Glück? 16 Jahre alt ist Armbruster, sie zählt zu einer der wohl letzten Pioniergruppen des Wintersports, ist Teil einer sehr jungen Bewegung, die gerade auf dem Weg ist, im Wintersport ernstgenommen zu werden. Denn Armbruster ist Nordische Kombiniererin und hat ein großartiges Wochenende hinter sich. Am Freitag hat sie mit Platz drei ihren ersten Podestplatz im Weltcup errungen, hat am Samstag fast das Ergebnis wiederholt, wäre nicht die Österreicherin Lisa Hirner kaum sichtbar und nur durch Zielfoto-Ermittlung noch haarscharf vor ihr angekommen. Und dann war da noch etwas, das Sportlerinnen in ihrem Alter eher nicht passiert: Armbruster schrieb, als Mitglied einer kleinen, aber doch wachsenden Wintersport-Gemeinde, so etwas, ja, wie Geschichte. Denn wie sie erfahren habe, sagte sie mit jetzt etwas gelösterer Stimme: "Ich bin die erste deutsche Kombiniererin, die bei einem Weltcup auf dem Podest steht."

Gegen die abwehrende Haltung des IOC helfen sportliche Entwicklungen alleine nicht

Neben ihr hatten sich auch die anderen Deutschen passabel geschlagen, wenn auch hinter Gyda Westvold Hansen (Norwegen), Annika Sieff (Italien) und Lisa Hirner (Österreich), hinter der Weltspitze. Jenny Nowak aus Sohland, eigentlich die beste und erfahrenste deutsche Kombiniererin, hatte beim Auftakt des Winters weniger Fortune, sie wurde dennoch Achte. Am Tag davor war sie Sechste, hinter ihr hatten sich noch Magdalena Burger (11.) und Svenja Würth (14.) platziert. Mit Armbruster standen also vier aus dem Team von Bundestrainer Florian Aichinger unter den besten 15, eine erfolgreiche Ausbeute nach Aichingers Maßstäben. Der hatte vorab betont: "Wir sind die Jäger, nicht die Gejagten."

Doch Jäger oder Gejagte, Armbruster oder Hirner, Westvold-Hansen oder Sieff oder auch jene ganz am Ende des Klassements: In einem noch wichtigeren Unternehmen müssen die Kombiniererinnen weiterhin alle zusammenhalten. Denn es geht immer noch um ihre Existenz. Das Internationale Olympische Komitee verlangt mit Recht seriöse Wettkämpfe, also Vielfalt und Exzellenz, es hatte aber den Kombinations-Frauen den Zugang zu den Spielen 2026 verwehrt, weil deren Wettkämpfe noch zu jung seien. Die derzeitige Entwicklung deutet darauf, dass dies ein Irrtum ist. Die Kombiniererinnen-Gemeinde wächst stetig, und es ist absehbar, dass sie in all den Wintersportländern, in denen auch Männer auf Skiern springen und langlaufen, die Trainingskompetenz und Infrastruktur für ein erstklassiges Frauen-Kombiteam entsteht.

Beim Saisonauftakt in Finnland demonstrieren Frauen und Männer gemeinsam für die Kombinierinnen

Auch innerhalb der Verbände können die jungen Kombiniererinnen bei diesem längst fälligen Entwicklungsschritt profitieren. Die Langlaufabteilung des Deutschen Skiverbands etwa hat einen ähnlich erfolgreichen Start in den Winter geschafft. Katharina Hennig war am Freitag über zehn Kilometer im freien Stil nur um 3,8 Sekunden zu spät ins Ziel gekommen; kurz darauf setzte sich im nacheinander gestarteten Rennen noch die US-Amerikanerin Jessy Diggins vor Hennig. Und auch die Skisprungabteilungen können Kombiniererinnen hervorbringen, wie das Beispiel der ehemaligen DSV-Springerin Svenja Würth zeigt. Sie ist gerade 16. im Gesamtweltcup.

Gegen die zögerliche bis abwehrende Haltung des IOC helfen sportliche Entwicklungen alleine wohl nicht. Weil auch die männlichen Kombinierer mittelbar betroffen sind. Denn: Falls die Kombiniererinnen aus irgendwelchen Gründen nicht für 2030 aufgenommen werden, könnte der ganze Kombinationssport wegen mangelnder Geschlechter-Vielfalt rausfliegen. Deswegen wird bereits für die eigene Existenz demonstriert.

Kürzlich, beim Saisonauftakt in Ruka/Finnland, schlossen sich Männer und Frauen zusammen und zeigten, was sich mit ihrer Ausrüstung noch anstellen lässt. Kurz vor dem Start überkreuzte das komplette Läuferfeld die Skistöcke über dem Kopf zu einem X, wie "No eXception", was auch in den Schnee geschrieben war. Und Gyda Westvold Hansen, die Beste derzeit, malte sich einen Bart ins Gesicht. Vermutlich bezog sich der nicht auf die männlichen Kombinierer, die als solche ja auch bedroht sind, sondern auf die Entscheider im IOC.

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