Süddeutsche Zeitung

Skiflug-WM:Begünstigt von Böen

Das Glück kehrt zurück: Die deutschen Springer gewinnen am Kulm in Bad Mitterndorf überraschend Bronze im Mannschaftswettbewerb.

Thomas Hahn

Peter Rohwein, der deutsche Skisprung-Bundestrainer, hatte ein paar Hoffnungen mitgebracht an die Schanze, und wenn er sich zum Abschluss der Skiflug-Weltmeisterschaften am Kulm überlegte, was davon übrig geblieben war, so durfte er feststellen: gar nicht so wenig.

Sein Bester, Michael Uhrmann, hatte sich am Samstag mit soliden Sprüngen auf den ehrenwerten fünften Platz geschlichen, sein Zweitbester, Michael Neumayer, war immerhin 13. geworden. Und nach dem Mannschaftswettbewerb am Sonntag stand Rohwein sogar mit einer Bronzemedaille da, die sein Team sich für Platz drei hinter Norwegen und Finnland verdient hatte. Peter Rohwein lächelte.

Es ist allerdings ein ziemlich glücklicher Gewinn gewesen, begünstigt von Böen, die ausgerechnet dem Gastgeber böse mitspielten. Österreich schien der sichere Gold-Kandidat zu sein nach den Plätzen zwei, drei und vier durch Andreas Widhölzl, Thomas Morgenstern und Martin Koch im Einzel. Doch dann ruderte der Innsbrucker Andreas Kofler hilflos durch die bewegte Luft. Absturz und Enttäuschung. 95 Meter, Österreich war weg, Deutschland musste das Geschenk nur noch annehmen.

"Opfer einer Windhose"

Die Österreicher fluchten, Nationaltrainer Alex Pointner sah Kofler als "Opfer von einer Windhose von hinten". Und ohne Schadenfreude bekundete der Deutsche Alexander Herr, der später seinen ersten 200-Meter-Satz stand (203,5), sein Beileid. Am Freitag hatte der unstete Wind ihn aus der Bahn geblasen, auf Platz fünf liegend nach dem ersten Durchgang, und damit alle seine Aussichten zerstört. Jetzt sah er den armen Kofler achselzuckend den Aufsprunghang hinunterfahren. "Ich find's halt nicht korrekt", sagte Alexander Herr. Aber wen würde das am nächsten Tag noch interessieren?

"Eine Medaille ist eine Medaille", sagt Peter Rohwein ganz richtig, "so ein Ding gibt einem ruckzuck einen Schub an Selbstvertrauen." Und Selbstvertrauen hat er zuletzt nicht sehr viel gefunden bei seinen Springern, die ständig irgendwelche sprungtechnischen Mängel gezeigt hatten.

Glückwünsche an den Wind

"Ich hab' das Gefühl, dass die Jungs von Sprung zu Sprung zu viel gut machen wollen", sagte Rohwein. Sie wirkten verkrampft auf ihn, er wünschte ihnen "so ein bisschen Leck-mich-am-Arsch-Gefühl", mehr Leichtigkeit im Umgang mit ihren eigenen Schwächen also. Und so durfte er nun die Hoffnung haben, dass dieser zählbare Erfolg seinen Leuten wieder etwas von dem Gefühl vermittelte, dass sie sich nicht umsonst bemühen. Sie durften sich nur nicht zu genau überlegen, wem sie diesen Gewinn zu verdanken hatten. Glückwünsche gingen jedenfalls auch an den Wind.

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Quelle:
SZ vom 16.1.2006
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