Skifahrerin Vonn überragt im Weltcup:System Lindsey

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Die Amerikanerin Lindsey Vonn ist eine Ausnahmeerscheinung im Ski-Weltcup - manchmal ist es, als seien alle Bühnen und Scheinwerfer nur für sie aufgebaut worden. Nun ist die Rivalin von Maria Riesch auch auf dem Weg, die beste Skirennfahrerin der Geschichte zu werden.

Michael Neudecker, Garmisch-Partenkirchen

Die neue Heimat von Lindsey Vonn ist ein Truck, riesengroß, weiß, er trägt das Kennzeichen KA-HA 681 und hat eine "großzügig ausgelegte Wohnung mit Doppel Pop-Out", so steht es im Pressetext des Herstellers. "Doppel Pop-Out" ist in der Truck-Branche offenbar ein Synonym für Luxus, es bedeutet: Er ist an den Seiten ausfahrbar und hat zwei Schlafzimmer und einen Fitness-Raum mit Massagebank.

Rasant unterwegs, diesmal jedoch mit kleinem Fahrfehler: Lindsey Vonn in Garmisch. (Foto: dpa)

Vonns Sponsor Red Bull hat den Truck im Wert von 500.000 Euro im Januar von einer Karlsruher Firma übernommen, nach der Saison kriegt ihn Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel. Bislang tourte Vonn damit durch die europäischen Skirennorte, in Garmisch steht er an der Kreuzeckbahn, davor stehen immer Touristen, und wenn Vonn die Tür aufmacht, klicken Fotoapparate. Vonn und ihr Truck sind in Garmisch eine Attraktion.

Das liegt natürlich daran, dass Lindsey Vonn in einem Skiort eine Berühmtheit ist: die beste Skirennfahrerin der Welt, der die lokale Größe Maria Höfl-Riesch ständig hinterherfährt. Am Samstag gewann Vonn die Abfahrt vor der Schweizerin Nadja Kamer, Höfl-Riesch wurde Vierte, genau wie am Sonntag, als Julia Mancuso den Super-G vor der Österreicherin Anna Fenninger gewann; die Liechtensteinerin Tina Weirather wurde in beiden Rennen Dritte. Lindsey Vonn schied am Sonntag nach einem Fahrfehler aus, aber an ihrer Dominanz ändert das wenig: Es war ihr erstes Ausscheiden in einem Speedrennen seit mehr als drei Jahren. Ihr Vorsprung im Gesamtweltcup, den sie 2008, 2009 und 2010 gewann, beträgt jetzt 482 Punkte.

Ihr Abfahrtssieg am Samstag war einer von so vielen Meilensteinen ihrer Karriere, es war ihr 50. Sieg; sie ist erst die dritte Frau, die das in diesem Sport geschafft hat. Lindsey Vonn ist Amerikanerin, ihr bedeuten solche Meilensteine viel, "sie bedeuten alles", sagt sie. Als sie nach dem Rennen vom ORF darauf angesprochen wird, dass sie nun genau so viele Siege habe wie der Italiener Alberto Tomba, beginnt sie zu weinen.

Später steht sie im Pressezelt, da wird ihr die Tomba-Frage wieder gestellt, aber sie hat sich gefangen. "Tomba, oh, er ist eine Legende", sagt Vonn, "dass ich so viele Siege habe wie er, das kann ich nicht glauben." Sie bleibt dann noch lange stehen, beantwortet jede Frage, ihr ganzes Leben wird noch einmal besprochen, irgendwann holt sie ihre Schwester Laura dazu, die auch Fragen beantwortet.

Schon am Freitag sprach Vonn lange mit den Reportern, alle wollten alles wissen, die Fragen wurden immer skurriler, aber das war ihr egal. Danach wurden ihre Antworten ausgetauscht: Ihr Lieblingsgericht sei Kaiserschmarrn, sagte einer, und Oliven hasse sie, und, ja: Auch Sardinen und Gurken möge sie nicht. Österreichischer Reporter, murmelnd mitschreibend: " . . . Sardinen, Gurken."

Lindsey Vonn ist eine Ausnahmeerscheinung, manchmal ist es, als seien alle Bühnen und Scheinwerfer nur für sie aufgebaut worden. Maria Höfl-Riesch hat zwar auch schon alles gewonnen, was man im Skirennsport gewinnen kann, nicht wenige in der Branche halten sie sogar für talentierter als Vonn. Aber Lindsey Vonn wird, wenn es normal läuft, am Ende ihrer Karriere die erfolgreichste Skirennsportlerin der Geschichte sein.

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Olympisches Gold, WM-Titel, die meisten Weltcupsiege: Lindsey Vonn ist die erfolgreichste Skifahrerin der Geschichte. Doch auch Depressionen und Drama prägen ihr Leben. Ihre Karriere in Bildern.

Vonns Stärke, das hört man oft, sei vor allem ihre Fähigkeit zur totalen Hingabe: Sie setzt bedingungslos um, was die Trainer fordern. Sie ist eine Besessene, wenn die Saison zu Ende geht und andere sich mit dem Urlaub beschäftigen, denkt Lindsey Vonn an ihr nächstes Training, den nächsten Materialtest. Dass sie als einzige in allen Disziplinen mit den härteren Männerskiern fahren kann, liegt auch an ihrem Trainingsfleiß: Im Sommer absolviert sie neuerdings ein spezielles Kraft- und Konditionstraining mit Leichtathleten. Aufgrund ihres Körpers, hat Robert Trenkwalder einmal gesagt, "kann Lindsey Skier fahren, die anderen Damen nicht so entgegen kommen".

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Trenkwalder war früher Trainer im Österreichischen Skiverband, mittlerweile verantwortet er den Alpinsport bei Vonns Sponsor. Am Samstag, nach dem Rennen, wartete er im geheizten Auto an der Strecke, um Lindsey Vonn hinüber zu ihrem Truck zu bringen. Der Sponsor, so sah das aus, hat alles im Griff.

Der Mensch Lindsey Vonn ist nett, sympathisch und wirkt immer fröhlich, aber die Skirennfahrerin Lindsey Vonn ist ein System. Neben den Trainern des US-Verbandes und dem üblichen Personal wie einem Servicemann steht ihr ein persönlicher Trainer zur Verfügung, dazu eigene Betreuer, Physiotherapeuten, Fitnesstrainer, die ihr Sponsor bereitstellt. In Marketingfragen arbeitet der Sponsor mit der weltweit agierenden Sportmarketingagentur IMG zusammen, der US-Verband hält sich raus. In Amerika kennt man Lindsey Vonn inzwischen, trotz ihres dort unpopulären Sports, kurz vor Weihnachten war sie bei David Letterman, in einer der bekanntesten Talkshows. Das System funktioniert.

Dass nun am Sonntag ausgerechnet Julia Mancuso gewann, das ist eine nette Randnotiz: Die Karrieren der Amerikanerinnen verliefen von klein auf parallel, früher soll es sogar so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen gegeben haben. Und jetzt? Julia Mancuso ist mit dem norwegischen Skirennfahrer Aksel Lund Svindal zusammen, sie führt ein Leben auch abseits der Rennpiste, liebt es zum Beispiel, als Freeriderin über Felsen zu springen.

Lindsey Vonn fährt Skirennen, redet mit Reportern und wohnt in einem Truck. Man könnte sagen: Sie ist auf beeindruckende Weise fokussiert auf ihren Job, das stimmt ja auch, aber andererseits: Wird so nicht der Erfolg zum wichtigen Bestandteil der Selbstdefinition?

Österreichischen Journalisten erzählte Lindsey Vonn neulich, Annemarie Moser-Pröll, die derzeit noch den Rekord für die meisten Siege einer Skirennfahrerin hält, habe sie für diesen Sommer zu sich nach Hause eingeladen. "Darauf freue ich mich", sagte Vonn, sie fügte hinzu: "Da werden wir auch über die Bestmarke reden."

© SZ vom 06.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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