Skicrosser Andreas Schauer:Gladiatorenkämpfer auf der Piste

Skicrosser Andreas Schauer: Andreas Schauer (links) will auch bei der WM vorne dabei sein.

Andreas Schauer (links) will auch bei der WM vorne dabei sein.

(Foto: AFP)

Springen, rempeln, fliegen: Der Oberbayer Andreas Schauer erhofft sich nach seinem ersten Weltcupsieg auch bei der WM der Skicrosser einiges. In seiner Sportart hilft ihm sein Beruf als Pilot.

Von Korbinian Eisenberger

Der Start ist von entscheidender Bedeutung. Ihn zu versemmeln, hat in der Regel ein Fiasko zufolge, zumindest im Tätigkeitsfeld von Andreas Schauer. Schauer, 28, war schon in den vergangenen Jahren in der Szene als äußerst passabler Skicross-Rennfahrer bekannt. Inzwischen carvt der Münchner so erfolgreich durch die Weltcup-Steilkurven wie kein anderer.

Schauer liegt derzeit - wenn auch mit hauchdünnem Vorsprung - an der Spitze des Gesamtweltcups. Seit Beginn des Skicross-Weltcups 2002 ist Schauer der erste Deutsche, dem das gelang. Dieser Erfolg, sagt Bundestrainer Peter Stemmer, habe vor allem einen Grund: "Am Startgate ist er bärenstark." Dass Andreas Schauer ein talentierter Starter sein soll, ist fürwahr eine beruhigende Nachricht. Denn wenn der Mann mit dem Drei-Tage-Bart nicht gerade seinen Skihelm festzurrt, dann trägt er eine Pilotenmütze und steuert einen Airbus A320.

Andreas Schauer pendelt zwischen Piste und Cockpit

Deutschlands große Hoffnung bei der Freestyle-WM in Österreich ist ein Mann, der mehr als die Hälfte des Jahres in Cockpits und Flughafenhotels verbringt. Erst wenn die intensive Saisonvorbereitung beginnt, steigt Andreas Schauer voll ins Training ein. "In manchen Sommermonaten habe ich keinen einzigen freien Tag", sagt Schauer. Und dennoch schaffte es der gebürtige Lenggrieser, sich beim zweiten der drei Weltcuprennen im französischen Val Thorens gegen den französischen Olympiasieger und Weltmeister Jean Frederic Chapuis sowie den Österreicher Johannes Rohrweck durchzusetzen: Schauers erster Weltcupsieg - ein Ausrufezeichen, wenige Tage vor Beginn der WM am Kreischberg in der Steiermark.

Das Beste zum Schluss

Die Termine der Doppel-WM in der Steiermark:

Am Kreischberg in Österreich (15. bis 25. Januar) findet zum ersten Mal eine Doppel-WM der Freestyler und der Alpin-Snowboarder statt. Deutsche Medaillenkandidaten sind neben Ski Cross-Fahrer Andreas Schauer vor allem die Alpin-Snowboarder Patrick Bussler und Amelie Kober. Weltmeisterin Isabella Laböck dürfte dagegen lediglich Außenseiterchancen haben.

Die wichtigsten Termine aus deutscher Sicht:

16.1.: Snowboard Cross Damen und Herren

17.1.: Snowboard Halfpipe Damen und Herren

22.1.: Snowboard Parallelslalom Damen und Herren

23.1.: Snowboard Parallelriesenslalom Damen und Herren

24.1.: Ski Cross Damen und Herren (Qualifikation)

25.1.: Ski Cross Damen und Herren (K.o.-Phase)

Für den Bundestrainer ist Schauer ein kompletter Skifahrer und nicht nur deshalb einer der Mitfavoriten auf den WM-Titel. "Er trifft die Wellen und kann Sprünge gut einschätzen", sagt Stemmer. "Wenn er einen Lauf hat, dann ist er auf alle Fälle ein Medaillenkandidat." Vermessen ist diese Einschätzung freilich nicht, zumal der Münchner über die gesamte Saison hinweg mit guten Ergebnissen auf sich aufmerksam machte, in vier der bisherigen fünf Weltcups mindestens den Sprung ins Halbfinale schaffte.

Wenn Glück und Pech den Wettkampf bestimmen

"Ich weiß, dass ich gut drauf bin", sagt Schauer. Eine Garantie für ein gutes Ergebnis ist dies freilich nicht. "Wenn du kurz vor dem Ziel von hinten abgeschossen wirst, dann bist du schneller draußen als du schauen kannst", sagt Schauer. Beim jüngsten Weltcup vor wenigen Tagen verpatzte er wegen einer Kollision die WM-Generalprobe, landete am Ende nur auf Platz 18. "In diesem Sport kann man sich nie sicher sein", sagt Schauer.

Tatsächlich spielen beim Skicross Glück und Pech eine weitaus größere Rolle als etwa beim Alpinskifahren. In einem Skicross-Wettkampf mit Wellen, Sprüngen und Kurven aus Schnee qualifizieren sich zunächst die 32 Schnellsten eines Zeitlaufs für die Hauptrunde. Jeweils vier Athleten treten dann in K.o.-Rennen gegeneinander an. Die beiden besten kommen jeweils weiter, wer die ersten drei Runden übersteht, darf am Ende im Finale um die Plätze eins bis drei fahren - alles an einem Tag.

Seinem Servicemann bleibe nach dem Halbfinale deswegen meist nur ein Zeitfenster von einer Minute, um die Skier bis zum Finale mit Wachs zu bepudern. "Ohne Topmaterial hast du auf diesem Niveau sonst keine Chance", sagt Schauer. Ein nervenaufreibender Modus, der dem Olympia-Zwölften und seinem Team mittlerweile zu liegen scheint. Spektakuläre Einlagen und spannende Rennen sind damit garantiert - die Fairness bleibt jedoch bisweilen auf der Strecke.

Beinahe hätte eine Krankheit die Karriere gekostet

"Es gibt ein, zwei Nationen, die sehr aggressiv fahren", sagt Schauer. "Vor allem das, was die Franzosen manchmal veranstalten, ist einfach nur gefährlich", sagt er. Tatsächlich bleibt es im Skicross nicht bei Prellungen, verschobenen Wirbeln und blauen Flecken. Schauers Lenggrieser Weltcup-Kollegin Heidi Zacher bekam dies 2012 zu spüren. Beim Weltcup im österreichischen St. Johann verhakte sie sich in einem Sprung mit einer französischen Kontrahentin und stürzte so schwer, dass sie sich den Unterschenkel brach. Für sie war die Saison beendet. "So etwas will keiner", sagt Schauer. Und dennoch knallt es oft, in jener Sportart, die im Fachjargon als "Vierer-Gladiatorenkampf" bezeichnet wird. Schauer selbst blieb bisher von schlimmeren Verletzungen verschont. Stattdessen hätte ihn jedoch eine Krankheit fast die Karriere gekostet.

Wie praktisch jeder im oberbayerischen Wintersport-Ort Lenggries rutschte Schauer bereits als kleiner Bub auf Skiern die Hänge hinab. Der Deutsche Skiverband berief das 14-jährige Talent schließlich in jenen Auswahlkader, den auch die Alpinrennfahrer Felix Neureuther und Viktoria Rebensburg einst durchliefen. Kurze Zeit später, mit 16, raffte Schauer jedoch das Pfeiffersche Drüsenfieber nieder. "Ich konnte eineinhalb Jahre keinen Sport mehr machen", sagt Schauer.

Zu viel Zeit, um danach wieder den Anschluss zu finden und zu jenen wenigen zu gehören, die es tatsächlich in die alpine Weltspitze schaffen. "Ich hatte damals eigentlich schon damit abgeschlossen", sagt Schauer. Seine Konzentration galt längst einer völlig anderen Berufs-Bewerbung. Einer, bei der die Erfolgsaussichten allerdings ähnlich mager sind wie im Skisport.

Die nächste Mission heißt WM-Medaille

Es ist freilich eine treffende Parallele zum Skicross, dass sich der damals 20-Jährige schon 2006 in drei höchst schwierigen Einstellungsrunden bei der Lufthansa durchsetzte und schließlich seine Pilotenlizenz überreicht bekam. "Und das, obwohl ich in der Schule eigentlich kein Überflieger war", sagt Schauer. Erst zwei Jahre nach seinem Abitur nahm ihn ein Spezl schließlich probehalber zur deutschen Skicross-Meisterschaft mit. "Der Speed und der Adrenalinkick, das hat mir sofort getaugt", sagt Schauer heute. Seitdem steuert er nicht mehr nur europäische Flughäfen an, sondern macht Reisen in die Skigebiete dieser Welt.

In einer Woche in der Steiermark beginnt die Mission WM-Medaille. Dann steigt Schauer vor dem Teamhotel aus. Er wird dann nicht mit dem Flugzeug anreisen, sagt Schauer: "Sondern mit dem Mannschaftsbus."

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