Skicross:Viel zu schnell

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Der schlimmste Unfall: Nachdem Christopher Del Bosco (rechts) die Kontrolle verloren hatte, flog er 40 Meter durch die Luft – beim Aufschlag zertrümmerte es ihm das Becken. (Foto: Dylan Martinez/Reuters)

Bei den Skicross-Wettbewerben verletzen sich reihenweise Fahrer schwer. Für Kritiker wurden beim Bau der Strecke Grenzen überschritten.

Die Teilnehmer donnerten die Piste hinunter, sie krachten aus der Höhe auf den Hang - und so mancher blieb auf der Strecke liegen. Über dem Phoenix Snow Park kreiste wiederholt der Hubschrauber, drei Fahrer mussten mit Rettungsschlitten geborgen werden. Es waren keine schönen Bilder. Wie befürchtet wurde der Skicross-Wettbewerb, der als die spektakulärste, aber auch als die gefährlichste Disziplin der Winterspiele gilt, von Stürzen und schweren Verletzungen überschattet. "Das war krass anzuschauen", sagte der deutsche Rennfahrer Paul Eckert (Samerberg) über den besonders furchterregenden Abflug des Kanadiers Christopher Del Bosco: "Ich hoffe, es geht ihm gut." Geht es nicht. Der 35-Jährige, Weltmeister von 2011, hatte bei einem 40-Meter-Flug in sechs, sieben Metern Höhe quer in der Luft gelegen, bevor es ihm beim Aufschlag das Becken zerschmetterte. Del Bosco reckte auf dem Rettungsschlitten zwar den Daumen in die Höhe - das hieß nur: Das Allerschlimmste war nicht zu befürchten. Die Diagnosen zu anderen Kollegen klangen kaum besser. Dem Franzosen Terence Tchiknavorian brach das Schienbein. Christopher Wahrstötter aus Österreich erlitt eine Gehirnerschütterung, nach der er über Gedächtnislücken klagte.

Auch bei den Snowboardcrossern waren mehrere Athleten im Rennen zuvor übel gestürzt

Der Kurs im Phoenix Snow Park war wegen seiner Gefahren auf Kritik gestoßen, vor dem Rennen aber entschärft worden. Dennoch ließen sich die Unfälle nicht verhindern. Wobei nicht jeder die Schuld bei dem Parcours sah. "Auf den ersten Blick, so hart es klingt, ist es ein technischer Fehler von ihm gewesen. Da ist nicht die Strecke dran schuld, sondern er", sagte Eckert zum Sturz von Del Bosco; Eckert war wie Tim Hronek und Florian Wilmsmann im Achtelfinale ausgeschieden. Weiter meinte er: "Es gehört leider dazu, es lässt sich nicht vermeiden. Es sieht für die Zuschauer krass aus, das sehe ich ein." Auch im Rennen der Snowboardcrosser, deren Strecke sich im Mittelteil unterschied, waren zuvor mehrere Athleten übel gestürzt. Wilmsmann (Hartpenning) befand, es wäre "gelogen, zu sagen, der Kurs sei nicht spektakulär. Man bewegt sich schon sehr am Limit".

Für Heli Herdt, sportlicher Leiter Freestyle beim Deutschen Skiverband (DSV), wurden Grenzen überschritten. "Dieser Gigantismus kann nicht das Mittel der Wahl sein", sagte er, "die Leute sind nur in der Luft. Du kommst sofort in die Gefahrenzone. Der Kurs ist viel zu schnell." 240 000 Kubikmeter Kunstschnee waren für die Strecke verbaut worden. Auf 1370 Metern Piste mussten 240 Höhenmeter und 27 Hindernisse überwunden werden: gewagte Sprünge, die teils noch entschärft worden waren, wilde Steilkurven, garstige Wellen, zum Start drei Meter freier Fall. Der deutsche Renndirektor des internationalen Skiverbandes Fis, Martin Fiala, war einst selbst Skicrosser. 2010 in Vancouver hatte er das Risiko der Fahrer anschaulich so beschrieben: "Wenn Nelson Piquet behauptete, bei der Formel 1 in Monaco fliege man mit dem Hubschrauber durchs Wohnzimmer - dann düsen wir mit dem Kampfjet durch die Besenkammer." Daran hat sich unter seiner Leitung offensichtlich wenig geändert. Beinahe zur Nebensache wurde, dass Brady Leman (Kanada) vor Marc Bischofberger (Schweiz) und dem Russen Sergej Ridzik siegte. Mit weiteren Stürzen ist zu rechnen. An diesem Donnerstag tragen die Frauen die Qualifikation in ihrem Skicross-Wettbewerb aus, am Freitag dann folgt das Finale.

© SZ vom 22.02.2018 / dpa, sid, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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