Skicross:Eine Ringerin gibt nicht auf

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"Noch eine Rechnung offen": Celia Funkler auf der Strecke in Arosa, wo sie 2017 ihr bislang bestes Weltcup-Ergebnis einfuhr - und im Dezember schwer stürzte.

(Foto: Oliver Lerch/Imago/GEPA Pictures)

Für Celia Funkler hatte der Weltcup-Winter verheißungsvoll begonnen. Im Dezember aber reißt ihr Kreuzband, die nächste schwere Verletzung für die 22-Jährige vom TSV 1860 München. Die Saison ist gelaufen. Das Ende ihrer Karriere soll das nicht bedeuten.

Von Thomas Becker, München

Eigentlich hatte Celia Funkler richtig gute Erinnerungen an Arosa, an diesen speziellen Wettkampf unter Flutlicht. 2017 fuhr sie dort als 19-Jährige ihr bestes Weltcup-Resultat ein: Platz sieben. Fast auf den Tag genau drei Jahre später sind ihr nun auf derselben Strecke die Lichter ausgegangen: Fahrfehler, Einschlag, aus der Traum vom Viertelfinale, das sie auch am Tag zuvor verpasst hatte. Schlimmer noch: Die beste Skicrosserin des TSV 1860 München verließ Graubünden mit einem ramponierten vorderen Kreuzband. Kurz vor Heiligabend wurde sie operiert, die Saison ist gelaufen. Doch von schlechter Laune ist am Telefon nichts zu hören. Celia Funkler klingt eher analytisch: "Da hat man sich gerade wieder ran gekämpft und wird dann so ausgebremst. Die OP ist aber gut verlaufen, die ersten Heilungsprozesse sehen auch okay aus, und ab jetzt weiß ich, was auf mich zukommt." Es ist nämlich schon ihr zweiter Kreuzbandriss, diesmal im linken Knie.

"Sie ist eher so ein Sonnenscheinkind."

Wenn's nur die Kreuzbänder wären! Celia Funkler zieht Verletzungen an wie ein Magnet Metallspäne. 2014 kommt sie zu den alpinen Wellenreitern, 2015 reißt das erste Kreuzband, 2016 Probleme mit dem Kreuzbandimplantat, dann Pfeiffer'sches Drüsenfieber, 2018 Brustwirbelkörperfraktur, 2019 kostet sie ein Bauchplatscher im Gegenhang mehrere Monate. Heli Herdt, Sportlicher Leiter der DSV-Skicrosser, sagt: "Im Fußball gibt's doch diesen Spruch: Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß." Seine Athletin sehe das aber nicht so: "Sie ist eher so ein Sonnenscheinkind, sieht immer das Positive." Das findet sich auch in den Ergebnislisten, wo Funkler trotz dicker Krankenakte erstaunlich oft auftaucht: vier Top-15-Platzierungen in den ersten fünf Weltcuprennen, Platz vier bei den Youth Olympic Games sowie Fünfte und Dritte bei Junioren-Weltmeisterschaften.

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Das Lachen hat sie sich trotz vieler Verletzungen bewahrt: Celia Funkler.

(Foto: Sammy Minkoff/Imago/DSV)

Olympia fehlt in der Liste. Nicht weil sie sich nicht qualifiziert hätte. Sondern weil sie in Pyeongchang im ersten Training schwer stürzte: die Brustwirbel. DSV-Mann Herdt sagt: "Ich kann mich noch gut an die Strecke erinnern: Die war im Grenzbereich für die Frauen. Nicht sinnvoll, wie da gebaut worden ist." Seine Kritik damals: "Wir haben schon bei den letzten drei Spielen erlebt, dass die Kurse immer um X Prozent größer sind als im Weltcup." Allein der Zielsprung: "Das ist nicht das, was ich unter Skicross verstehe." Als er Funkler im Krankenhaus besucht, erlebt er eine Überraschung: "In Südkorea gibt es nicht wie bei uns Frühstück, Mittag- und Abendessen - da kommt vielmehr die ganze Familie und fängt im Krankenzimmer an zu kochen, mit dem Gaskocher! Das war wild. Da war Celia ziemlich am Boden." Fragt man Funkler nach dem Olympia-Drama, spricht sie nur von ihrem Fahrfehler und von "großen Elementen" auf der Strecke. Kein Hadern, kein Nachkarten. Stattdessen: Brustwirbel heilen lassen, und weiter!

Die junge Frau aus dem Schwabenland hat auch eine Ahnung, wo diese Haltung herrührt: "Ich komme aus einer Ringer-Familie, und ich glaube tatsächlich, dass ich von dieser Grundausbildung immer noch profitiere." Mit drei folgt sie dem drei Jahre älteren Bruder Nico ins Ringer-Training bei der Athletik-Sport-Vereinigung 1897 Tuttlingen, wo auch der Vater aktiv ist. "Ich wollte grundsätzlich immer alles tun können, was mein Bruder kann", erzählt sie, und so steht Klein-Celia bald auf der Matte, Gewichtsklasse bis 16 Kilo, und kämpft fast nur gegen Jungs. "Das war meine beste Schule", glaubt sie. "Ringen ist extrem komplex, von den Bewegungsabläufen, vom Reagieren auf unvorhersehbare Aktionen des Gegenübers. Man lernt in jungen Jahren auf Dinge zu reagieren, sich durchzusetzen, braucht Kraft, Beweglichkeit, Agilität und muss früh lernen, den Kopf einzusetzen - das kommt mir beim Skicross schon sehr zugute."

Als der große Bruder, gegen den sie ab und zu auch zu Hause kämpft, mit dem Ringen aufhört, hat auch sie keine Lust mehr und wechselt mit zehn Jahren endgültig von der Matte auf die Piste. Am Feldberg im Schwarzwald ist sie mit sechs, sieben die ersten Rennen gefahren - und biegt mit 16 ab zum Skicross. Beim Skiurlaub in Oberndorf bei Kitzbühel stolpert sie zufällig in einen Weltcup, ein Nachtrennen wie in Arosa, und findet es "mega-cool": "Ich war immer Fan vom Parallelslalom. Bei diesen Kopf-an-Kopf-Rennen war ich irgendwie zu mehr Leistung fähig." Skicross findet sie schlichtweg faszinierend: "Welche Bewegungen man mit seinem Körper machen kann! Ich bin manchmal selbst erstaunt, wie agil und schnellkräftig, aber doch bedacht ich da runterfahre." Sehr anspruchsvoll sei ihr Sport, "und wenn man das wirklich im Griff hat, ist das schon geil, ein richtig cooles Gefühl". Hinzu komme das internationale Familiengefühl, alles sehr kollegial, kameradschaftlich. "Uns verbindet, dass wir gemeinsam das tun dürfen, was uns am Herzen liegt", schwärmt Funkler, "man lernt voneinander, hat miteinander Spaß - das ist schon ganz viel wert. Es ist ein respektvolles Miteinander, man versucht Risikosituationen gering zu halten, weil jeder weiß, wie viel Energie der andere da reinsteckt. Im Start-Gate sind wir zwar Konkurrenten, aber im Ziel liegen wir uns doch in den Armen."

"Ich habe alle Zeit der Welt", sagt die 22-Jährige

Da klingt dann doch Wehmut durch. Aber nur kurz: "Ich bin 22, hab' alle Zeit der Welt. Ich hoffe, dass das Knie jetzt richtig gut wird. Das rechte Kreuzband ist super. Im besten Fall bin ich im April so weit, dass ich das Aufbautraining mitmachen kann. Ich freue mich schon auf meinen ersten Skitag, Ende des Jahres..."

Auch Heli Herdt macht sich keine Sorgen: "Celia geht sehr proaktiv damit um, holt sich an verschiedenen Stellen Unterstützung, zum Beispiel bei Mentalcoaches. Sie ist sehr konsequent, kriegt auch die Ausbildung zur Bundespolizistin gut auf die Kette. Athletisch ist sie extrem fit, da hängt sie sich richtig rein." Dass Funkler nach der nächsten schweren Verletzung das Handtuch wirft, kann er sich nicht vorstellen: "Sie ist so ehrgeizig und verbissen im positiven Sinne, dass sie sicher wieder zurückkommt. Die Celia hat noch eine Rechnung offen."

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