Skibbe ist neuer Hertha-Trainer:Weihnachtsfrieden über Berlin

Michael Skibbe wird als neuer Trainer von Hertha BSC vorgestellt und verbreitet nach der Berliner Chaoswoche neuen Optimusmus. Einzig die Personalie des Co-Trainers ist ungeklärt: Rainer Widmayer führte Hertha BSC zwar ins Pokal-Viertelfinale, packte jedoch seine Sachen - obwohl ihn Skibbe gerne gehalten hätte.

Max Bosse, Berlin

In der 59. Minute rannte Pierre-Michel Lasogga, wie er in der vorrangegangenen Stunde nie gerannt war. Zunächst führte ihn sein Spurt vom Mittelkreis bis in den gegenerischen Strafraum, wo er mit dem Ball einen Haken schlug. Dann folgte ein zweiter Haken, der Ball lag da schon im Tor des 1. FC Kaiserslautern, und Lasoggas Spurt ging weiter in Richtung Trainerbank.

Erst als der Stürmer fast angekommen war, verlangsamte er sein Tempo und sah sich suchend um. Die Person, mit der der Torschütze die 2:1-Führung seiner Hertha feiern wollte, war nicht da, wo sie hingehört. Berlins Trainer Rainer Widmayer hatte die sogenannte "technische Zone" wieder einmal verlassen.

Im kommenden Jahr werden Berlins Torschützen solche Findungsprobleme wohl nicht mehr haben: Der neue Coach von Hertha BSC, Michael Skibbe, ist nicht für ausschweifende Bewegungen an der Seitenlinie bekannt. Er unterschrieb am Tag nach dem 3:1 (1:0) der Berliner im Pokal-Achtelfinale gegen Kaiserslautern einen Vertrag bis Sommer 2014, der nur für die erste Liga gilt.

Man hatte sich in den vergangenen Tagen ja ziemlich gewundert über die Hertha und den absurd anmutenden Streit mit dem entlassenen Cheftrainer Markus Babbel, und nun wunderte man sich schon wieder: Kurz vor Skibbes Vertragsunterzeichnung teilte der Verein mit, dass Manager Michael Preetz und Babbels bisheriger Co-Trainer sich auf eine einvernehmliche Trennung verständigt hätten.

Bei seiner offiziellen Vorstellung sagte Skibbe dann jedoch über den soeben aus Berlin verabschiedeten Widmayer: "Ich hätte ihn gerne gehalten." Skibbe selbst bringt nämlich keinen Assistenten vom türkischen Erstligisten Eskisehirspor mit.

Am Mittwoch war Rainer Widmayer, der Chef für einen Abend, jedenfalls lange Zeit die agilste Person im Innenraum des Berliner Olympiastadions gewesen. Er setzte am Spielfeldrand zu mehr Grätschen an, als seine Abwehrspieler auf dem Rasen, er zuckte bei jedem Kopfball und war meist auf Ballhöhe. So wie beim 2:1, weshalb sich Lasogga eben schwer tat, seinen Trainer zu finden.

Spieler mit Rucksäcken

Dass Widmayers Laufwege ihn ein ums andere Mal aus der Trainer-Zone heraus führten, bereitete auch Christian Lell Sorgen: "Rainer, du hast keine Stollen an", mahnte Lell während des Spiels, "bleib lieber auf der Bank." Anders als ihr Trainer durften sich die Spieler auf dem Feld frei bewegen, allein: Sie taten es lange kaum. Von der besonderen Motivation aufgrund des lang ersehnten Pokal-Heimspiels - sechs Jahre hatten die Berliner warten müssen - war wenig zu spüren. "Am Anfang habe ich gedacht, unsere Spieler haben Rucksäcke auf", sagte Widmayer.

New Hertha Berlin coach Skibbe arrives for news conference in Berlin

Amtsantritt am 1. Januar in Berlin: Trainer Michael Skibbe.

(Foto: REUTERS)

Das 1:0 durch Adrian Ramos fiel kurz vor der Pause aus dem Nichts. Nach der Pause traf Itay Shechter nach einer schönen Kombination unter Beteiligung aller Offensivspieler der roten Teufel zum 1:1 (51.); "beim Ausgleich hatte ich Bedenken", gab Widmayer zu. Es folgte der Sprint von Lasogga. Und von da an waren "Ehrgeiz und Wille", wie Widmayer die Stärken des Teams beschrieb, endlich zu erkennen. Das 3:1 in der 90. Minute durch Patrick Ebert war die Zugabe. Im Februar geht es nun gegen Borussia Mönchengladbach - erneut im Olympiastadion - um den Einzug ins Halbfinale.

Dann ist also Michael Skibbe, 46, der Chef, für 250 000 Euro Ablöse musste ihn Preetz in der Türkei freikaufen. Am Morgen nach dem Pokalerfolg schwebte er in Berlin ein und sagte kurz darauf, was man als neuer Trainer so sagt: "Die Hertha gehört ins obere Drittel der Bundesliga." Und: "Der Klassenverbleib ist in diesem Jahr sehr gut möglich."

Nebenbei wurde am Donnerstag sogar die Auseinandersetzung zwischen Babbel und Preetz formal für beendet erklärt. "Es entspricht nicht dem hohen Standard der Zusammenarbeit, jetzt im Streit auseinander zu gehen und damit alle Beteiligten zu belasten", schrieben beide in einer gemeinsamen Erklärung. "Die persönlichen Vorwürfe der letzten Tage haben uns sehr nachdenklich und unglücklich gestimmt. Wir haben uns deshalb zusammengesetzt und alle Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt und erledigt. Endgültig abgeschlossen und erledigt sind damit auch die wechselseitigen Vorwürfe der letzten Tage." Wer wen warum angelogen hat - erledigt! Und weiter ungeklärt.

Der Weihnachtsfrieden ist gesichert, ein Co-Trainer wird noch gesucht. Der Nächste, der sich bei Hertha BSC auf die Suche nach Rainer Widmayer machen wird, ist deshalb Michael Skibbe. Er kündigte an, mit ihm noch ein Gespräch führen zu wollen, um ihn zum Weitermachen zu überreden.

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